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Kostenexplosion bei Mega-Schulcampus 

Dresden investiert in Pieschen rund 75 Millionen Euro. Fehler bei Planung und Ausführung führen nun zu deutlichen Mehrkosten - und Konsequenzen. 

Von Andreas Weller
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Blick auf die Schulcampus-Baustelle in Pieschen.
Blick auf die Schulcampus-Baustelle in Pieschen. © René Meinig

So viele und gravierende Fehler hat Axel Walther bisher noch nicht erlebt. Der Chef der städtischen Stesad, die als Projektsteuerer sicherstellen soll, dass zum kommenden Schuljahr der Betrieb an der Gehestraße aufgenommen wird, schaut gequält, wenn er auf den Schulcampus angesprochen wird. Am Mittwoch hat die Stadtverwaltung mitgeteilt, dass der Vertrag mit den drei Planungsbüros gekündigt wurde. Bereits kurz vor Weihnachten wurde die Reißleine gezogen. Sonst würden 1.900 Schüler wohl nicht wissen, wo sie ab Sommer unterrichtet werden.

Klar ist, dass der Bau der mit jeweils fünf Klassen pro Jahrgang geplanten 145. Oberschule und des Gymnasiums Pieschen deutlich teurer wird. Ursprünglich hatte die Stadt mal 66 Millionen Euro angesetzt, dann waren es gut 74 Millionen Euro, und jetzt werden es wohl 92 Millionen Euro. Satte 18 Millionen Euro Mehrkosten haben sich seit dem geplanten Baustart im Februar 2017 angehäuft. Doch es ging bereits mit schwerwiegenden Fehlern der Planer los: Die beauftragte Baufirma konnte das Fundament nicht wie geplant gießen. Laut Stesad gab es zwar eine Baugrunduntersuchung, aber dass dort nur Schutt im Boden lag, wurde von den Planern ignoriert. Der Boden musste ausgetauscht werden. Das verursachte die ersten 2,4 Millionen Euro Mehrkosten, und der Baustart verzögerte sich um gut drei Monate.

Da dachte Walther noch an einen einmaligen Fehler. Doch es wurde nicht besser. Bei der Tragwerkplanung wurde erneut gepfuscht. Dabei wird festgelegt, wie viel Stahl in den Beton muss, um die Gebäude standfest zu machen. Mehrfach mussten die Planer ihre Angaben anpassen, weil Prüfstatiker Mängel entdeckten. Dadurch konnte der Rohbau nicht wie geplant beginnen. In mindestens einem Fall sollen vom Statiker nicht freigegebene Pläne an die Baufirmen gegeben worden sein. Ein Teil des Rohbaus musste wieder abgerissen werden, weil die Statik nicht sicher war. Dann wurden externe Büros hinzugezogen, weil die bisherigen Planer es nicht auf die Reihe bekamen. Das kostete rund ein halbes Jahr im Zeitplan.

Auch bei den Ausschreibungen für die Technik und den Innenausbau gab es gravierende Mängel. Schließlich musste die Stesad, in Absprache mit dem Schulverwaltungsamt, externe Büros beauftragen, die Arbeit zu erledigen. Auch das kostete Zeit und sehr viel Geld. Im Sommer 2018 sah Walther keinen anderen Ausweg mehr, als die Bauoberleitung selber zu übernehmen. Den Schaden durch die Planungsfehler beziffert er auf rund neun Millionen Euro.

Die beauftragten drei Planungsbüros wurden immer mehr von der Baustelle verdrängt. Zwar hätten sie auch sofort gekündigt werden können, doch das hätte den Schulcampus insgesamt gefährdet. Alle Pläne gehören den Büros, sie waren für die Abläufe und Aufträge an Baufirmen verantwortlich. Um den Bau weiterlaufen zu lassen, wählte Walther die Variante mit dem langsamen Ausstieg der Firmen. Honorare wurden nicht mehr bezahlt. Aber diese decken nicht die komplette Höhe der Schäden. Deswegen werden Stadt und Stesad Schadensersatz von den Planern fordern. Bis das geklärt ist, wird es aber noch eine ganze Weile dauern.

Walther hat den kompletten Bauablauf umorganisiert. Bauabschnitte wurden in sehr kleine Einheiten zerlegt. So können die Arbeiten schneller erledigt, Probleme sofort behoben werden. Außerdem haben die Baufirmen mehr Arbeiter auf der Baustelle, und die haben den Winter in zwei Schichten durchgearbeitet. „Damit haben wir nun wieder die Chance, den Schulbetrieb pünktlich sicherzustellen“, erklärt Walther. „Die Baufirmen ziehen super mit.“ Zum Schuljahresbeginn wird zwar sicher noch nicht alles fertig sein, aber der Unterricht kann stattfinden.

Dass jetzt so aufs Tempo gedrückt wird, hat allerdings seinen Preis. Mit weiteren gut sieben Millionen Euro rechnet Walther. Es sei aber notwendig, schnell fertig zu werden. Denn das Gymnasium Pieschen und die 145. Oberschule unterrichten bereits in anderen Gebäuden, die nicht mehr lange genug Platz bieten. Außerdem soll das Gymnasium Klotzsche endlich saniert werden. Diese muss im September beginnen. Als Ausweichstandort werden die Klassenräume in Pieschen benötigt.

Da sich auch in der Schulbaurichtlinie etwas geändert hat, beispielsweise eine neue Farbe für die Tartanbahn benötigt wird, und es zusätzliche Wünsche für die Fachkabinette gibt, kommen weitere zwei Millionen Euro oben drauf. Damit kostet der Schulcampus Pieschen 92 Millionen Euro – Stand jetzt. Weitere böse Überraschungen drohen laut Walther nicht. Die Projektleiterin, die den Schulcampus in Tolkewitz verantwortet hat, hat die Leitung für Pieschen übernommen. Dort gab es solche Probleme nicht.