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Das Haus der großen Eindrücke wird 70

Das „Theater der Jungen Generation“ war für viele Jungen und Mädchen die erste Bühnen-Begegnung. Ein Rückblick.

Von Ralf Hübner
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Das Ballhaus „Constantia“ um 1900. Es war für 66 Jahre die Spielstätte des „Theaters der Jungen Generation“.
Das Ballhaus „Constantia“ um 1900. Es war für 66 Jahre die Spielstätte des „Theaters der Jungen Generation“. © Sammmlung H. Naumann

Es ist das größte und nach dem „Theater der Jungen Welt“ in Leipzig das zweitälteste Kinder- und Jugendtheater Deutschlands. Mit 70 Stadträten will das „Theater Junge Generation“ Anfang November den 70. Geburtstag feiern. Mit der Premiere des Stücks „Tobias Ahoi!“ von Marie-Louise Kendzia hatte sich am 11. November 1949 für das damalige „Theater für Kinder, Dresden, Deutsche Volksbühne“ im Volksvarieté an der Königsbrücker Straße vis-à-vis der „Schauburg“ das erste Mal der Vorhang gehoben. Am Tag gab es Theater für Kinder, abends Varieté für Erwachsene.

Rund einen Monat zuvor war das Theater am 15. Oktober gegründet worden. Noch am gleichen Tag hatten die Probenarbeiten begonnen. Während der DDR-Zeit sind ganze Schulklassen mit Sonderfahrten der Straßenbahn zu den Vorstellungen gefahren. Bis 1989 brachte das Theater etwa 70 Ur- und DDR-Erstaufführungen heraus. Zu den besonders eindrucksvollen Inszenierungen zählten „Das Tagebuch der Anne Frank“ (1956) und „Professor Mamlock“ (1955).

1982  wurde „Maria die Siebenschläferin“ uraufgeführt.
1982  wurde „Maria die Siebenschläferin“ uraufgeführt. © Ina Schilling-Nickel

Laut der Intendantin Felicitas Loewe erhebt das Theater den Anspruch, „sich mit Nachdruck für die kulturelle Teilhabe von Kindern und Jugendlichen einzusetzen.“ Vor 70 Jahren sollte ihnen ein Besuch vor allem zur ersten „unvergesslichen Begegnung“ mit der Kunst werden, wie es vergleichsweise zurückhaltend in einem Bericht der Sächsischen Zeitung hieß. Die Eröffnung der ersten ständigen Jugendbühne sei von Jung und Alt freudig begrüßt worden. Junge Pioniere sangen ihr Freundschaftslied, Stadtrat Friedrich Schlotterbeck hielt eine Rede. Das neue Haus solle dazu beitragen, den Ruf Dresdens als Kunststadt zu begründen, hieß es. Die Kinder wurden gebeten, einen Namen für „ihr Theater“ zu finden, und am 9. März 1950 wurde die Bühne in „Theater der Jungen Generation“ umbenannt.

Aufbau nach dem Krieg

Schon 1864 hatte Agnes Nesmüller ebenfalls in Dresden das wohl weltweit erste Kindertheater eröffnet. Sie war die Ehefrau des Theaterdirektors Josef Ferdinand Nesmüller, der als Vater des modernen bürgerlichen Volkstheaters in der Stadt gilt. Allerdings bestand das damalige Kindertheater an der Landhausstraße nur etwa zwei Jahre und wurde dann aus finanziellen Gründen wieder aufgegeben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg schossen an der Peripherie der Stadt neue Theater geradezu aus dem Boden, denn die fünf innerstädtischen Bühnen von vor 1945 lagen in Trümmern. Ende 1945 hatten 12 von ihnen auch Angebote für Kinder im Programm, zumeist Bühnenfassungen der Grimm’schen Märchen.

Die Märchen-Bühne von Richard Flechsig, die im Juli 1945 im Gasthof Dobritz den Spielbetrieb aufnahm, war eine Art Vorreiter beim Kinder-Theater. Mit seinem Programm zog er durch die noch intakt gebliebenen Gast- und Ballhäuser der Stadt von der „Alberthöhe“ in Klotzsche bis zum „Goldenen Löwen“ in Freital. Im Königshof in Strehlen entstand mit den „Dresdner Märchenspielen“ von Hans Fuchs ein weiteres Märchentheater. An der Glacisstraße spielte ein Marionetten-Theater Stücke für Erwachsene und Kinder.

Allmählich kamen auch andere Stücke als nur Märchen auf die Bühnen. In der Schwersternschule des Johannstädter Krankenhauses wurde noch Ende 1945 „Pünktchen und Anton“ von Erich Kästner aufgeführt. Im Programm der Dresdner Theater tauchten nach und nach Stücke wie „Robinsons Abenteuer“ nach Daniel Defoe, „Emil und die Detektive“ von Erich Kästner, „Die Schneekönigin“ von Jewgeni Schwarz, „Aladin und die Wunderlampe“ oder „Der unartige Hampelmann Pinocchio“ nach Willy Court im Programm auf.

Neue Heimat Ballhaus

Wohl schon 1948 gab es in Dresden erste Überlegungen für ein eigenständiges Kindertheater. Der Erfolg des seit 1946 bestehenden Leipziger „Theaters der Jungen Welt“ überzeugte auch an der Elbe. Ein Gastspiel des Wiener Kindertheaters im Januar 1949 gab den letzten Anstoß. Zudem wünschte auch die Besatzungsregierung ein solches Jugendtheater nach sowjetischem Vorbild. Hinzu kam, dass das Komödienhaus, das im ehemaligen Wettiner-Gymnasium spielte, aus wirtschaftlichen Gründen schließen musste und das Ensemble praktisch auf der Straße stand. Schauspieler und Mitarbeiter waren verfügbar.

Schon April 1950 zog das neue „Theater der Jungen Generation“ nach Cotta in das ehemalige Ballhaus „Constantia“, den „Balkon des Westens“, das bis zum Umzug in das Kraftwerk Mitte 2016 dessen Spielstätte werden sollte. Schon zuvor war in dem 1882 errichteten und ab 1886 erweiterten Gebäude mit einem Ballsaal mit fast 1.000 Plätzen Theater und Operette gespielt worden.

Das Repertoire des „Theaters der Jungen Generation“ wandelte sich. Nach dem Mauerbau 1961 dominierten sowjetische Autoren. 1971 hatte „Das Rübchen“ von Pawel Majarewski Premiere. Ein Brand zerstörte 1976 Bühne und Zuschauerraum. 1979 konnte das Haus mit „Arme Ritter“ von Peter Hacks wiedereröffnet werden. In den 1980er-Jahren hatten Stücke wie „Mar die Siebenschläferin“ von Manuel Schöbel Uraufführung. Später kamen auch Stücke wie Leonard Bernsteins „West Side Story“ oder Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter“ auf den Spielplan.

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