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Leipzig hängt Dresden endgültig ab

Weniger Babys und mehr Wegzüge: Der Weg zum 600 000. Einwohner dauert länger als gedacht, anders als in Leipzig. Sechs Trends, die die künftige Entwicklung Dresdens beeinflussen.

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© Symbolfoto: dpa

Von Sandro Rahrisch

Dresden greift nach dem nächsten Meilenstein: Nachdem die Stadt vor genau zehn Jahren die Marke von einer halben Million Einwohner zurückerobert hatte, rückt jetzt die 600 000 in greifbare Nähe. Allerdings wird Dresden langsamer wachsen als zunächst angenommen. Und Leipzig zieht uneinholbar davon.

Trend 1: Dresden wird bis 2030 noch größer

Im Jahr 2030 werden neuesten Berechnungen des Rathauses zufolge 582 300 Menschen in der Stadt leben. Das wären etwa 33 000 mehr als heute. Damit wächst Dresden langsamer als erwartet. Letztes Jahr war die Verwaltung noch von rund 40 000 Einwohnern mehr ausgegangen. Der abgerissene Flüchtlingsstrom und die zunehmenden Umzüge von Familien ins Umland hätten unter anderem zu der Korrektur geführt, sagt Holger Oertel von der kommunalen Statistikstelle. „Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir 600 000 Einwohner erreichen.“ Bislang reicht der Vorhersagezeitraum nur bis 2030. Zu ungenau würden die Prognosen, wenn man weiter in die Zukunft blicken will, so Oertel. Eins ist aber jetzt schon klar: Leipzig wird in den nächsten Jahren deutlich schneller und stärker wachsen. Dort sollen in 14 Jahren rund 720 000 Menschen wohnen.

Trend 2: Weniger Geburten, mehr Sterbefälle

Es ist eine Ausnahme für eine ostdeutsche Stadt: Derzeit werden rund 1 000 Kinder mehr im Jahr geboren als Menschen sterben. Rein rechnerisch bekommt jede Frau im gebärfähigen Alter 1,54 Kinder. Zwar entscheiden sich immer mehr Paare für ein zweites Kind. Trotzdem wird die Zahl der Babys wohl schon in ein, zwei Jahren Schritt für Schritt zurückgehen. Denn es wird weniger Frauen im gebärfähigen Alter geben. „Der Geburtenknick nach der Wende wird nun, 20 Jahre später, wie ein Echo nachhallen“, sagt Oertel. Gleichzeitig werden mehr ältere Menschen sterben. Das Ergebnis: Ab 2025 verlieren fast genauso viele Dresdner ihr Leben, wie zur Welt kommen werden, nämlich um die 6 000 jährlich.

Trend 3: Deutlich mehr Rentner in der Stadt als heute

Was sich zwangsläufig aus der sinkenden Geburtenzahl ergibt, sind weniger Kinder im Vorschulalter. Bis 2020 wächst die Gruppe der Null- bis Fünfjährigen noch. Danach geht es wieder bergab. Für die Stadt ist das eine große Herausforderung. Denn erst werden mehr Kita- und Schulplätze gebraucht, und nur ein paar Jahre später sind sie wieder überflüssig. Während die Jüngsten weniger werden, steigt die Zahl der Rentner. Etwa 12 000 mehr als heute erwarten die Statistiker im Jahr 2030. Ein Grund: Die Lebenserwartung der Frauen steigt auf gut 86 Jahre, die der Männer auf fast 82 Jahre.

Trend 4: Mehr Familien ziehen ins Dresdner Umland

Die größten Unsicherheiten bei der Bevölkerungsprognose gibt es bei den Zu- und Fortzügen aus beziehungsweise in andere deutsche Städte und Gemeinden, sagt Holger Oertel. Trotz allem geht er davon aus, dass mehr Familien wegziehen werden, als nach Dresden kommen. Vor allem ans Umland wird die Stadt Paare mit Kindern verlieren. „Der Verlust erhöht sich bis 2023.“ Günstigere Grundstückspreise für ein Eigenheim sind eine mögliche Erklärung. Auch an die alten Bundesländer wird Dresden in Zukunft mehr Leute abgeben. Attraktiver scheint die Stadt dagegen für Menschen aus den neuen Ländern zu sein. Hier profitiere Dresden vom Ende des Geburtenknicks in den 90er-Jahren.

Trend 5: Die Altstadt wächst, die Johannstadt schrumpft

Die Dresdner Stadtteile werden sich zahlenmäßig sehr unterschiedlich entwickeln. Die Altstadt und die Friedrichstadt werden bis 2021 zusammengenommen um fast 20 Prozent an Einwohnern dazugewinnen. Hier entstehen an allen Ecken neue, zentrumsnahe Wohnungen. Nicht nur Neu-Dresdner lassen sich hier nieder. Auch Umzüge aus anderen Stadtteilen tragen zum Wachstum bei. Hinzu kommen Stadtteile, in denen auch in den nächsten Jahren deutlich mehr Kinder zur Welt kommen als Menschen sterben werden. Pieschen gehört dazu. Andere Stadtteile schrumpfen: Prohlis, Reick, Tolkewitz, Seidnitz und Gruna werden am meisten Einwohner durch Umzüge und Sterbefälle verlieren. Bei der Vorhersage stützen sich die Statistiker auch darauf, wie viele Baugenehmigungen in den jeweiligen Stadtteilen beantragt wurden und wie viele freie Bauflächen es dort noch gibt.

Trend 6: Zahl der Asylbewerber pegelt sich ein

Es ist der wohl unsicherste Blick in die Zukunft: Wie viele Flüchtlinge werden in den kommenden Jahren nach Dresden kommen? Die Stadt geht in ihrer Bevölkerungsprognose erst einmal davon aus, dass die Zahl der Asylbewerber in den nächsten ein, zwei Jahren wieder zurückgehen und sich anschließend bei deutlich unter 1 000 pro Jahr einpegeln wird – davon ausgehend, dass die Flüchtlinge in Deutschland ihre Familien aus den Krisenregionen nicht hierherholen dürfen oder neue Flüchtlingsströme ausgelöst werden.