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Ärger um mehr als 400 nicht erfüllte Stadtratsbeschlüsse in Dresden

Die Politiker entscheiden und die Verwaltung setzt es dann um - so ist normalerweise das Prinzip. In Dresden allerdings wird die Liste immer länger, was alles nicht gemacht wurde. Das sorgt vermehrt für Unverständnis.

Von Andreas Weller
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Oberbürgermeister Dirk Hilbert musste dem Stadtrat in Dresden jetzt erklären, dass 417 Beschlüsse nicht umgesetzt sind.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert musste dem Stadtrat in Dresden jetzt erklären, dass 417 Beschlüsse nicht umgesetzt sind. © Matthias Rietschel

Dresden. In jeder seiner Sitzungen trifft der Stadtrat Entscheidungen, was in Dresden konkret umgesetzt werden soll. Das betrifft sowohl Vorlagen der Verwaltung, also Dinge, die die Stadtspitze für sinnvoll erachtet, als auch Anträge der Fraktionen. Diese Beschlüsse sind für die Verwaltung bindend. Doch die Zahl der Beschlüsse, die nicht umgesetzt sind, ist mittlerweile auf mehr als 400 gewachsen. Zudem schlägt die Verwaltungsspitze um Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) vor, ganze zwei davon für erledigt zu erklären - bei einem zum Unmut der Politiker.

Worum geht es genau?

Die Dresdner Stadträte ärgern sich seit Jahren, dass viele ihrer Beschlüsse im Sande zu verlaufen scheinen. Deshalb hat der Rat 2020 beschlossen, dass die Verwaltung jährlich berichten und alle Beschlüsse auflisten muss, deren Erfüllungstermin überschritten ist und die dennoch nicht umgesetzt wurden, inklusive Begründung.

2022 gab es die erste Liste dazu - mit 344 nicht umgesetzten Stadtratsbeschlüssen. Auf der aktuellen Liste finden sich noch mehr unerfüllte Beschlüsse - die Zahl ist auf mehr als 400 gestiegen.

Welche Beschlüsse sind in Dresden noch offen?

Die lange Liste betrifft sämtliche Verwaltungsbereiche. Darunter sind auch viele Punkte, die die Dresdner direkt betreffen und interessieren, wie etwa der Beschluss, den Kiessee Leuben zur sicheren Badestelle zu entwickeln. Dieser ist von 2019. Das Projekt hat zwar auch OB Hilbert im Wahlkampf zum Thema gemacht, aber die Umsetzung ist ungewiss.

Genauso betroffen sind der Ausbau und die Sanierung von Königsbrücker Straße und Stauffenbergallee - ebenfalls seit Jahren beschlossen, aber die Umsetzung zieht sich weiter hin. Die Königsbrücker Straße Süd wird seit 1996 geplant, Baurecht wird es so schnell nicht geben.

Oder der Beschluss, die Linie 11 der Dresdner Verkehrsbetriebe von Bühlau nach Weißig zu verlängern. Dieser stammt vom 2015 und wurde gerade erst im Stadtrat konterkariert, weil das im Großprojekt für die Gestaltung des Ullersdorfer Platzes und des Umfeldes nicht mit vorgesehen ist. Der Bau ohne Bahnverlängerung soll frühestens 2031 beginnen und kostet mehr als 56 Millionen Euro.

Darunter sind aber auch Uraltbeschlüsse wie die "Pilotlinie 1, Verkehrsbaumaßnahme Moränenende - Prohliser Allee zwischen Abzweig nach Reick und Niedersedlitzer Straße" von 1996 oder die "Verkehrsberuhigung in Lockwitz" - das war 2002 auf Antrag der PDS beschlossen worden. Die Fraktion gibt es längst nicht mehr, aus der Partei ist vor 17 Jahren die Linke geworden.

Seit 2015 gibt es einen nicht umgesetzten Beschluss zum Hochwasserschutz in Übigau, den die CDU beantragt hat. Die Umsetzung zieht sich weiter hin. Diese Liste ließe sich nahezu endlos fortsetzen.

Was tut die Stadt Dresden, um die Anzahl zu reduzieren?

Der Stadtrat hat 2020 ebenfalls beschlossen, dass die Stadt bis zum 31. Dezember 2021 eine Anhörung zu dem Thema durchführen soll und jedes Jahr Vorschläge machen soll, welche Punkte aus Sicht der Verwaltung aufgehoben werden können. Zur Anhörung heißt es nur lapidar, das befinde sich "noch in Klärung".

Zur Streichung und damit als erledigt schlägt die Stadtspitzen zwei Punkte vor. Einer betrifft den Ausbau an der Kötzenbrodaer Straße/Spitzhausstraße, der zweite sorgt für politischen Widerstand: die Umsetzung des Boxerdenkmals von Johann "Rukeli" Trollmann ins Ostragehege. Das hatte Stadtrat Jens Genschmar 2018 gefordert, damals noch für die FDP - jetzt Freie-Wähler-Fraktionschef. Der Rat hat damals mit großer Mehrheit beschlossen, was die Verwaltung nun streichen will.

Wie ist die Reaktion darauf?

Der Beschluss zum Boxerdenkmal habe sich keinesfalls für ihn erledigt, kündigt Genschmar an. "Der Oberbürgermeister hat die Möglichkeit, Beschlüssen innerhalb einer Frist zu widersprechen, wenn sie nicht umsetzbar sind. Es jetzt, Jahre später, zu streichen, weil die zuständige Bürgermeisterin es nicht will, ist Gutsherrenart."

Generell sei der Umgang mit Stadtratsbeschlüssen "bedenklich", sagt Genschmar. "Für viele ist Geld im Haushalt eingeplant und damit blockiert." Das gehe so über Jahre, während für andere Dinge Geld fehle. So sei auch vor vielen Jahren die Sanierung des Bahnhofsvorplatzes in Niedersedlitz beschlossen worden und nichts passiere. "

Durch solche Dinge verlieren die Bürger das Verständnis für die Politik und das Vertrauen in die Verwaltung", meint Genschmar. "Es sind nicht immer die großen Themen, sondern die, in denen sich die unterschiedlichen politischen Lager geeinigt haben und trotzdem nichts passiert."