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Ein Mord für die "Familienehre"?

Zwei Männer sollen 2017 ihre Schwester getötet haben. Jetzt steht einer von ihnen wegen Mordes vor Gericht in Dresden, der andere sitzt noch in Italien in Haft.

Von Alexander Schneider
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Jahre nach der Tat wird Zairk Abdulrahman A. (M.) jetzt in Dresden der Prozess gemacht.
Jahre nach der Tat wird Zairk Abdulrahman A. (M.) jetzt in Dresden der Prozess gemacht. ©  Rene Meinig

Die 22-jährige Sozan A. war kaum drei Tage verheiratet, als sie in ihrer Dresdner Wohnung getötet wurde. Seit Mittwoch steht ihr 38-jähriger Bruder wegen Mordes vor dem Landgericht Dresden, der die Frau im Oktober 2017 gemeinsam mit seinem Bruder heimtückisch getötet haben soll. Dass der Fall erst jetzt verhandelt wird, hängt damit zusammen, dass sich die Geschwister, die 2015 im Rahmen der Flüchtlingswelle den Irak verlassen hatten, über halb Europa verteilten.

Der Angeklagte Zairk Abdulrahman A. lebte offenbar in Finnland, wurde dort im vergangenen Jahr unter Mordverdacht verhaftet und an die sächsische Justiz ausgeliefert. Sein zunächst mitangeklagter Bruder, der 30-jährige Sharat A., hatte in Italien ein neues Zuhause gefunden. Er sitzt dort inzwischen jedoch wegen anderer Vorwürfe in Haft.

Gegen ihn wird dem Vernehmen nach im Rahmen eines größeren Drogenverfahrens ermittelt. Auch Sharat A. war im vergangenen Jahr von Italien an die sächsische Justiz überstellt worden, allerdings "nur" für einige Wochen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Die Schwurgerichtskammer kann sich daher vorerst nur mit dem 38-Jährigen befassen.

Drei Tage nach der Hochzeit

Sozan A.s Flucht hatte sie nach Dresden verschlagen. Sie lebte in einem Mehrfamilienhaus in der Dürerstraße in der Johannstadt. Viel mehr, als dass sie einen Deutschkurs besucht hatte, ist bislang nicht bekannt. Am 11. Oktober 2017 hat die 22-Jährige einen Mann in Hamburg nach islamischem Recht geheiratet, heißt es in der Anklage der Staatsanwaltschaft Dresden. Es war bereits die zweite Ehe der jungen Frau. Einen Tag später sei sie zurück nach Dresden gereist. Dort sei sie am Morgen des 14. Oktober, einem Sonnabend, von ihren beiden Brüdern ermordet worden.

Die Männer waren offenbar Gäste der Hochzeit und hatten sie nach Dresden begleitet. Nachdem sich Sozan ohne einen Verdacht zu hegen schlafen gelegt habe, sollen die Männer ihren Plan umgesetzt haben. Während der Angeklagte die 22-Jährige festgehalten habe, soll Sharat A. ihr eine Decke ins Gesicht gedrückt haben. Die Frau wurde leblos in ihrem Bett gefunden, nachdem ihr Mann sie nicht mehr erreicht und die Behörden eingeschaltet hatte.

Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft handelten die Brüder "aus Ärger und Wut über die Weigerung der Geschädigten, sich den Vorstellungen ihrer Familie zu unterwerfen". Die Familie soll mit dem Gatten der 22-Jährigen nicht einverstanden gewesen sein. Neben Heimtücke sehen die Ermittler daher niedere Beweggründe als Mordmerkmal verwirklicht an.

Zairk A. werde sich vorerst nicht äußern, teilte sein Verteidiger Michael Stephan mit. Mit ihm vertritt Jessika Gruno den 38-Jährigen als Wahlverteidigerin. A. droht eine lebenslange Haftstrafe. Zu seiner persönlichen Situation erklärte der 38-Jährige, er sei nie zur Schule gegangen, habe keine Berufsausbildung, sondern bei seinen Eltern in der Landwirtschaft gearbeitet. Auch in Finnland, wo er seit einigen Jahren lebe, habe er nicht gearbeitet. Er sei nach islamischen Recht verheiratet und kümmere sich um seine beiden Kinder.

Das Schwurgericht hat zunächst zehn Verhandlungstage bis Mitte Juli geplant. Am Donnerstag sollen die ersten Zeugen vernommen werden. Der Fall dieses mutmaßlichen "Ehrenmordes", es wäre wohl der erste derartige Fall in Dresden, wurde erst im Dezember 2021 mit der Anklageerhebung öffentlich bekannt. Ob sich der Verdacht jedoch bestätigen lässt, ist die Aufgabe des Gerichts. Eines der Probleme der Beweisaufnahme wird sein, dass Zeugen der Familie nicht gegen nahe Verwandte aussagen müssen.