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Lokale in Dresden: "2G-plus ist ein Gastro-Vernichter"

Die Gastronomie in Dresden ächzt unter den Corona-Auflagen. Einige Betreiber bieten kostenlose Tests vor Ort an. Bringt das was?

Von Christoph Pengel
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Freitagmittag im Tapas Barcelona, kurz nach der Wiedereröffnung. Ob es hier bald wieder voller wird?
Freitagmittag im Tapas Barcelona, kurz nach der Wiedereröffnung. Ob es hier bald wieder voller wird? © Marion Doering

Dresden. Es ist Mittag, kurz nach halb eins in der Dresdner Neustadt - doch der Inder an der Ecke ist fast leer. Beim Vietnamesen: alle Tische frei. Im veganen Restaurant: zwei Frauen an einem Tisch. Im Vergleich dazu herrscht im Café an der Kreuzung nahezu Halligalli: An gleich vier Tischen wird gegessen, getrunken, gelacht.

In anderen Stadtteilen sieht es ähnlich aus. Die ganze Dresdner Gastro-Szene ächzt unter den Corona-Auflagen. Axel Klein, der Chef des sächsischen Branchenverbands Dehoga, bestätigt diesen Eindruck. "Viele haben derzeit geschlossen", sagt er.

Die Dehoga hat kürzlich 281 Mitglieder in Sachsen zu ihrer wirtschaftlichen Situation befragt, darunter auch Betreiber von Hotels und Pensionen, vor allem aber Gastronomen. 30 Prozent hätten ihre Häuser vorübergehend dicht gemacht. Nach Angaben von Klein lässt sich dieser Befund auf Dresden übertragen. Demnach wäre in der Stadt jedes dritte Haus zu. Aus der Umfrage geht auch hervor, dass fast 90 Prozent aller Teilnehmer über gesunkene Gästezahlen klagen. Jeder Zweite spricht von Konflikten mit Kunden - laut Klein auch eine Folge der 2G-plus-Regelung, die oft zu Verwirrung und Frust führt.

2G-plus gilt seit dem 14. Januar in sächsischen Gaststätten. Rein darf jetzt nur, wer zweimal geimpft und dazu getestet ist, wobei es Ausnahmen gibt. So macht eine Booster-Impfung den Test überflüssig. Was sagen Gäste und Lokalbesitzer nach knapp zwei Wochen 2G-plus in Dresden?

"Ich bin kein Impfgegner"

Daniel Lamprecht steht vor einem Restaurant in der Neustadt und studiert die Speisekarte. Soll er die Tofuspieße nehmen? Er ist noch unsicher. Klar ist aber, dass er nicht im Restaurant essen wird. "Das wäre natürlich angenehmer", sagt er. Lamprecht ist ungeimpft. Zwar habe ihm seine Ärztin bestätigt, dass er nach einer Covid-Erkrankung noch immer Antikörper im Blut habe. Doch das nützt ihm nichts. Genesene müssen ihren Status mit einem PCR-Test oder einer ärztlichen Bescheinigung nachweisen. Beides fehlt Lamprecht.

"Ich bin kein Impfgegner", sagt Lamprecht und rückt die Maske zurecht. Er habe einen tagesaktuellen Test dabei - für den Friseur, die Straßenbahn, die Arbeit. Und auch fürs Restaurant sollte ein Test eigentlich reichen, meint er. Schließlich könnten selbst Menschen mit Booster das Virus übertragen. Da sei ein frischer Test doch viel aussagekräftiger. Dennoch denkt Lamprecht ernsthaft darüber nach, ob er sich doch impfen lassen soll. Er arbeitet als Seelsorger im Krankenhaus, wo bald die Impfpflicht gilt. "Ich ziehe es in Erwägung", sagt er.

Im Tapas Barcelona sitzt Frank Sadler und bestellt einen Grillteller. Das Lokal in der Weißen Gasse hat am Freitagmittag seit längerer Zeit wieder geöffnet. "Ich freue mich darüber", sagt er. "Natürlich wäre es besser, wenn es hier voller wäre." Außer Sadler sind noch drei weitere Gäste im Raum, außerdem Kellner, ansonsten: Leere. Doch die 2G-plus-Regel hält Sadler für richtig: Gäste, die außer Haus essen oder jedes Mal einen Test organisieren müssen, ließen sich so vielleicht zur Impfung motivieren.

"Partys finden da nicht statt"

Thomas Widmann, der Betreiber des Tapas Barcelona, ist einerseits froh, dass es endlich wieder losgeht: "Es tut richtig, richtig gut". Er werde auch seine anderen sieben Lokale in der Stadt bald wieder öffnen - aber eher "aus Verzweiflung", wie er sagt. "Nur Zuhause herumsitzen geht nicht."

Wirtschaftlich betrachtet könnte die Eröffnung zu diesem Zeitpunkt ein Fehler sein, sagt Widmann, die Weiße Gasse sei noch immer viel zu leer. "Das ist beängstigend." Andererseits wolle er den Betrieb wieder hochfahren, um Personal zu halten. "Wir haben viele Leute verloren." Zudem erreichten ihn im Freitag mehrere Krankmeldungen. "Mal gucken, ob wir's schaffen."

Dass ausgerechnet Gaststätten immer wieder im Fokus der Corona-Politik stehen, kann Widmann nicht nachvollziehen. In Großraumbüros würden zum Lüften die Fenster geöffnet, sagt er. In seinen Lokalen gebe es dagegen Anlagen, die den Sauerstoff im Raum bis zu vier Mal pro Stunde komplett austauschen. "In der Küche sogar zehn Mal pro Stunde." Das sei schon vor Corona gesetzlicher Standard gewesen. Zudem würden die Gäste bei ihm lediglich essen und dann wieder verschwinden. "Partys finden da nicht statt", sagt Widmann.

"Es ist ein Trauerspiel"

Ähnlich geht es Ute Stöhr, Geschäftsführerin des Schießhauses. Das Restaurant nahe des Zwingers gehört zwar zu den Dresdner Lokalen, in denen sich Gäste vor dem Essen kostenlos testen lassen können. Aber bislang nutzt kaum jemand den Service: "99 Prozent der Gäste bringen einen Test mit", sagt Ute Stöhr.

Corona-Tests waren im Schießhaus schon vor 2G-plus möglich. "Wir sind ein eingetragenes Zentrum", sagt Stöhr. Sie ließ ihr Personal von einem Arzt schulen, nachdem die Pandemie zu Schließungen in der Gastronomie geführt hatte. Etwa die Hälfte der 32 Mitarbeiter ist nun fürs Testen zuständig. Dadurch ließen sich die wirtschaftlichen Verluste nicht komplett ausgleichen. "Aber es nimmt ein bisschen den Druck."

Auch im Schießhaus herrsche zur Mittagszeit Flaute, erzählt sie. Und abends? "Es ist ein Trauerspiel." Zumindest dürften Gaststätten jetzt bis 22 statt nur bis 20 Uhr öffnen. "Das ist okay. Dann können die Leute wenigstens in Ruhe essen", sagt sie.

Finanziell stehe der Betrieb jedoch vor Problemen. Die Personalkosten seien gestiegen, die staatliche Unterstützung habe nachgelassen, und vielen Kunden sei ein Restaurantbesuch zu kompliziert. Damit hätten in Dresden alle Gastronomen zu kämpfen. "2G-plus ist ein Gastro-Vernichter", sagt Stöhr.