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Gerichtsprozess in Dresden: "Sie dürfen im Bahnhof nicht wohnen!"

Ein heranwachsender Flüchtling beschäftigt schon wieder Polizei und Justiz in Dresden. Schon mehrfach ist er auf Polizisten losgegangen. Vor Gericht ist ihm alles egal.

Von Alexander Schneider
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Hier fühlte sich der Angeklagte Sana F. wohler als in einer Unterkunft in Ostsachsen.
Hier fühlte sich der Angeklagte Sana F. wohler als in einer Unterkunft in Ostsachsen. © Archiv/Rene Meinig

Dresden. Wenn jemand als zwölfjähriger Analphabet sein Elternhaus in Gambia verlässt und nach einigen Jahren auf der Flucht Deutschland erreicht hat, ist er Entbehrungen vermutlich gewohnt. Eine Gefängniszelle mag angesichts dieser Erfahrungen ihren Schrecken verlieren. Sana F. sitzt bereits zum zweiten Mal für mehrere Monate in Untersuchungshaft. Der 20-Jährige, das ist offensichtlich, hat auch psychische Probleme.

Im September vergangenen Jahres hat die Bundespolizei den Mann festgenommen, weil er drei Tage in Folge am Dresdner Hauptbahnhof auffällig geworden war. Zunächst soll er eine Flasche Apfelschorle im Lidl gestohlen, dann auch Polizisten mehrfach beleidigt, bedroht und auch angegriffen haben. Seitdem sitzt der Verdächtigte wieder in U-Haft – und ist auch dort weiter auffällig. Angeblich verlässt er seinen Haftraum in der Jugendstrafanstalt Regis-Breitingen nicht einmal zum Essen. Selbst für das Gespräch mit seinem Verteidiger soll er sich geweigert haben, seine Zelle zu verlassen.

Der Angeklagte erschien barfuß in Badelatschen zu seinem Prozess am Amtsgericht Dresden.
Der Angeklagte erschien barfuß in Badelatschen zu seinem Prozess am Amtsgericht Dresden. © SZ/Alexander Schneider

Auch zu seinem aktuellen Prozess am Amtsgericht Dresden hatte er es vorgezogen, im Gefängnis zu bleiben. Justizbedienstete brachten den an Händen und Füßen gefesselten Heranwachsenden mehr als zwei Stunden verspätet – F. war barfuß in seinen Badelatschen.

"Mein Mandant fühlt sich von der Polizei verfolgt"

Zu den Vorwürfen war von ihm nicht viel zu erfahren. "Mein Mandant fühlt sich von der Polizei verfolgt und zu Unrecht aus dem Bahnhof vertrieben", sagte Verteidiger Peter Hollstein. Drohungen wie "I kill you" seien letztlich nichts weiter als "reflexartige Worthülsen aus dem Rapper-Milieu". F. selbst sagte, wo er auch sei, er werde überall verfolgt. Er habe im Bahnhof bleiben wollen. Dazu die Vorsitzende Richterin deutlich: "Sie dürfen im Bahnhof nicht wohnen!"

Das sei ihm egal, entgegnete F. Auch sonst schien ihm einiges egal zu sein. Er quatschte immer wieder in Zeugenvernehmungen, beleidigte sogar die Richterin. Der Prozess wird fortgesetzt, auch ein psychiatrischer Gutachter soll noch an die Reihe kommen.

Als 18-Jähriger hatte F. in einer Dresdner Jugendeinrichtung verrückt gespielt, den Heimleiter bedroht und angegriffen. Er saß zehn Monate in Haft und in einer psychiatrischen Einrichtung. In seinem Prozess am Landgericht Dresden, angeklagt wegen versuchten Totschlags, wurde er zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, die er da bereits verbüßt hatte. Er kam auf freien Fuß, wurde in Ostsachen untergebracht und erhielt einen Betreuer. Das ging offenbar nicht lange gut und F. "zog" in den Hauptbahnhof.