SZ + Sachsen
Merken

Grünes Gewölbe: Der überraschende "Deal" gefällt nicht jedem

Kaum war die Verständigung im Prozess um den Diebstahl von Sachsens Diamanten bekannt, gab es Kritik. Doch das Ergebnis ist auch ein unerwarteter Erfolg.

Von Alexander Schneider
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Der Druck der Ermittlungen und die hohe Strafandrohung haben offenbar gewirkt. Kurz vor dem geplanten Ende der Beweisaufnahme gaben die Angeklagten Teile der Beute zurück.
Der Druck der Ermittlungen und die hohe Strafandrohung haben offenbar gewirkt. Kurz vor dem geplanten Ende der Beweisaufnahme gaben die Angeklagten Teile der Beute zurück. © dpa/Sebastian Kahnert

Der Prozess um den Diebstahl des "sächsischen Staatsschatzes", den Diamanten August des Starken, ist gespickt an Ereignissen und Entwicklungen, die kaum ein Beobachter für möglich gehalten hatte. Seit einem Jahr verhandelt das Landgericht Dresden gegen sechs Angehörige der Berliner Remmo-Familie. Letzte Höhepunkte waren die Rückgabe eines Großteils der Beute und die Zustimmung von vier Angeklagten zu einer Verfahrensverständigung.

In knappen Worten lautet sie: mildere Strafen gegen umfassende Geständnisse unter besonderer Berücksichtigung der Herausgabe der Beute. Konkret stellte die Jugendkammer den zur Tatzeit – der Einbruch fand am 25. November 2019 statt – drei erwachsenen Angeklagten einen Strafrahmen von fünf Jahren und neun Monaten bis zu sechs Jahren und neun Monaten in Aussicht. Die 23-jährigen Zwillinge erwarten etwas geringere Haftstrafen nach dem Jugendstrafrecht. Der sechste Angeklagte kann wegen eines Alibis auf Freispruch hoffen.

Der Deal war kaum geschlossen, schon hagelte es Kritik von außen. Die Rückgabe von 18 der 21 Exponate aus dem Grünen Gewölbe sei das Mindeste, was man erwarten könne, hieß es. Nicht nur in sozialen Medien werden weit härtere Urteile gefordert. Doch Strafen von deutlich über zehn Jahren standen wohl nie zur Debatte. Vom jetzt angebotenen Strafrahmen lässt sich ableiten, dass die Männer ohne Kooperation mit mindestens zwei bis vier Jahren Haft mehr rechnen mussten.

Die Soko war auf der richtigen Spur

Dresdner Ermittler berichten, ihnen sei kein Urteil bekannt, in dem Mitglieder des arabischstämmigen Clans gestanden oder gar einem Deal zugestimmt hätten. Auch im letzten großen Verfahren um den Diebstahl der 100-Kilo-Goldmünze "Big Maple Leaf" aus dem Bode Museum in Berlin schwiegen die Angeklagten, darunter zwei Männer, die nun auch vor dem Landgericht Dresden stehen.

In der Dresdner Verhandlung hatte der mit 29 Jahren älteste Angeklagte bereits im März eingeräumt, dass der Einbruch ins Grüne Gewölbe auf das Konto der Familie gehe. Auch das war eine Überraschung für die Ermittler: Es war gewissermaßen die erste Zustimmung der "Gegenseite", die Soko war auf der richtigen Spur.

Die Bereitschaft zur Verständigung kam offenbar erst, als die Angeklagten erkennen mussten, dass ihnen tatsächlich viele Jahre im Gefängnis drohen. Neben bandenmäßigem Einbruchdiebstahls wird ihnen Brandstiftung in besonders schwerem Fall vorgeworfen, weil sie ihren Flucht-Audi in der Tiefgarage einer Dresdner Wohnanlage angezündet und dabei Menschenleben gefährdet hatten, zwei Mieter wurden verletzt. Der Strafrahmen dafür beträgt fünf bis 15 Jahre Haft, für schweren Einbruch dagegen "nur" ein bis zehn Jahre.

Ende November teilte der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel mit, er brauche keine Zeugen mehr. Den Anwälten räumte er für letzte Anträge eine Frist bis zum 6. Dezember ein. Schon am 1. Dezember rief Verteidiger Kai Kempgens bei der Staatsanwaltschaft an, sagte, er nehme deren Gesprächsangebot, das er im August 2022 dankend abgelehnt hatte, an. Er sei mit seinem Kollegen Oliver Freitag bereits auf dem Weg nach Dresden. Es eilte.

Einigung über den Strafrahmen

In der folgenden Besprechung stellte Kempgens die Rückführung eines Großteils der Beute in Aussicht, auch wenn die Angeklagten "keine Verfügungsgewalt" über den Schmuck hätten. Man einigte sich auf einen Strafrahmen, der knapp über der Mindeststrafe von fünf Jahren begann. Die Kammer setzte nun den Rahmen höher an, was am Zustand der Beute lag und daran, dass die Angeklagten teilweise erheblich vorbestraft sind. Eine Restauratorin hatte zuvor zahlreiche Beschädigungen der ausgehändigten Steine dargestellt.

Dennoch: Es liegt wohl an dem großen Druck durch die Ermittlungen, dass die Angeklagten "in Vorleistung" den Schmuck herausgaben und kooperieren wollen. "In 100 Jahren wird man sich in Dresden noch an dem Schmuck erfreuen, wenn niemand mehr über den Einbruch spricht", beschreibt ein Richter, der mit dem Verfahren nichts zu tun hat, den Vorteil dieses Deals. Verständigungen und Wiedergutmachung sind integrale Elemente in Strafverfahren. So gesehen ist der "Deal" nicht nur für die Ermittler ein Erfolg, sondern auch eine Leistung der Verteidiger – wie auch immer sie das mit dem Schmuck gemacht haben.

Wie lange der Prozess noch dauert, wird davon abhängen, wie sich die Angeklagten äußern und ob auch der 23-Jährige, der dem Deal noch nicht zustimmte, kooperiert. Wenn es gut läuft, dürften die fünf Sitzungstage bis zum 7. Februar ausreichen.