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SZ + Dresden

190 neue Wohnungen in zwölf Jahren für die Dresdner Friedrichstadt

Erst voller Industriebrachen und Ruinen, heute das am stärksten wachsende Viertel der Stadt - inzwischen leben vor allem junge Leute gern in der Dresdner Friedrichstadt. Einer hat das Potenzial zeitig erkannt.

Von Kay Haufe
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Kennt die Friedrichstadt noch im Zustand von vor  zwölf Jahren:  Wolfgang Thiele vor dem Neubau Friedrichstraße 15 - 19.
Kennt die Friedrichstadt noch im Zustand von vor zwölf Jahren: Wolfgang Thiele vor dem Neubau Friedrichstraße 15 - 19. © Sven Ellger

Dresden. Es sind die letzten Arbeiten, die Fliesenleger, Elektriker und andere Bauleute am Neubau Friedrichstraße 15 - 19 erledigen. Am 1. Juli sollen die Mieter in die 35 Wohnungen einziehen können. Für Wolfgang Thiele von der BIAG Gruppe ist es - fast - der Abschluss seines zwölfjährigen Engagements für die Friedrichstadt. 190 Wohnungen hat die Gruppe dann innerhalb von zwölf Jahren im 13.000 Quadratmeter großen Areal zwischen Friedrich- und Seminarstraße errichtet und über 42 Millionen Euro investiert. Damit gehört sie zu den größten privaten Wohnungsneubau-Bestandshaltern in Dresden in den vergangenen Jahren.

Thiele erinnert sich noch gut daran, wie es hier aussah, als die BIAG die Fläche 2010 erworben hat. "Es war eine heruntergekommen Industriebrache mit drei ruinösen Gebäuden, ein Teil des Bodens war durch die frühere Reinigung Purotex kontaminiert." Schnell sei ihm damals klar geworden, dass sich das Viertel so nah an der Innenstadt und mit guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr zum Wohnen eignet und nicht etwa nur für Gewerbe und Büros, wie es die Pläne vorheriger Eigentümer vorsahen.

Miethöhen in Dresden-Friedrichstadt sind angestiegen

"Wir haben gemeinsam mit dem Stadtplanungsamt und dem Architekturbüro WTR vor über zehn Jahren ein städtebauliches Konzept entwickelt, das jetzt mit der Fertigstellung des Wohnbauvorhabens Friedrichstraße 15 - 19 fast seinen Abschluss findet", sagt Thiele. Fast, schränkt er ein, weil er eigentlich hinter dem jetzigen Neubau ein weiteres Wohnhaus mit 24 Wohnungen bauen wollte. Dafür sind die Anbindung an die Tiefgarage, die Fernwärme und die gesamte technische Infrastruktur mit dem Gebäude Friedrichstraße 15 - 19 bereits mitgebaut worden. "Doch die Stadt Dresden möchte entgegen ihrer ursprünglichen Absicht diese Teilfläche, die von ihr saniert wurde, vorerst im Bestand behalten", sagt Thiele. Er hofft, dass man darüber noch einmal ins Gespräch kommen kann, denn die komplette Planungsleistung für den Neubau ist erstellt.

Blick aus dem Neubau auf die sogenannte "Grüne Mitte" der Friedrichstadt im Hof zwischen Weißeritzstraße, Friedrichstraße und Seminarstraße. Dort, wo eigentlich eine Anlieferzone für Lkw entstehen sollte, spielen jetzt Kinder.
Blick aus dem Neubau auf die sogenannte "Grüne Mitte" der Friedrichstadt im Hof zwischen Weißeritzstraße, Friedrichstraße und Seminarstraße. Dort, wo eigentlich eine Anlieferzone für Lkw entstehen sollte, spielen jetzt Kinder. © Sven Ellger

Weil Thiele die beiden Gebäude eigentlich gemeinsam bauen wollte, hat sich das Bauvorhaben an der Friedrichstraße verzögert, und damit sind auch die Kosten gestiegen. "Während wir auf eine Entscheidung der Stadt gewartet haben, sind die Baupreise explodiert. In den vergangenen fünf Jahren haben sie sich fast verdoppelt." Das hat Auswirkungen auf die Mieten im Neubau, die bei 12,50 Euro pro Quadratmeter beginnen. Zum Vergleich: Für die über 150 Wohnungen, die die BIAG vorher neu gebaut und in zwei Altbauten saniert hat, liegen die Mietpreise zwischen 8,50 bis zehn Euro pro Quadratmeter.

Krise im Wohnungsbau

"Mir erscheinen die jetzigen Mieten als die absolute Obergrenze für die Friedrichstadt", sagt Thiele. Um allerdings kostendeckend zu bauen, wären eigentlich rund 17 Euro pro Quadratmeter erforderlich. "Das ist für viele Mieter nicht bezahlbar." Also musste die BIAG Geld zuschießen.

Aktuell gebe es eine Krise im Wohnungsbau, dieser leide unter enormen Baukosten und steigenden Zinsen. Mit seiner Meinung steht Thiele nicht allein da. Die Dresdner Stadtgestalter, ein Zusammenschluss von 13 regionalen Bauträgern, hatte schon im Januar gewarnt, dass aufgrund der Entwicklung keine Wohnungen mehr gebaut werden können, weil sie kein Mieter oder Käufer bezahlen könne. "Ich sehe die Notwendigkeit besserer öffentlicher Förderung für preiswertere Mietwohnungen, wenn wir uns nicht weiter in Richtung Wohnungsnotstand bewegen wollen", sagt Thiele.

Dank des Energiestandards KfW 55 sollen die künftigen Mieter in der Friedrichstraße aber Nebenkosten sparen. Alle Wohnungen verfügen über Fußbodenheizung, dreifach verglaste Isolierglasfenster, Außenrollos, Balkon und Bäder en Suite. Heizung und Warmwasser erfolgt über Fernwärme, die Dächer sind begrünt, das Niederschlagswasser versickert auf dem Grundstück. Für alle Stellplätze wurde die Infrastruktur für E-Mobilität geschaffen. "Wir hätten gern auch Fotovoltaik installiert, wenn die technischen Komponenten zu vernünftigen Preisen und innerhalb der Bauzeit verfügbar gewesen wären", sagt Thiele. Zwei große Maisonette-Wohnungen, eine Vier-Raum-Wohnung und wenige Ein- und Drei-Raumwohnungen seien noch verfügbar.

Bewohnerzahl um knapp 70 Prozent gestiegen

Die BIAG ist bei Weitem nicht der einzige Investor in der Friedrichstadt. Seit 2002 sind im Viertel 350 neue Wohnungen entstanden, 500 wurden saniert. Mit rund 6.000 Einwohnern hat sich die Bevölkerung fast verdoppelt. Und es folgen weitere Bauprojekte, unter anderem rund 300 Wohnungen im Ostravorwerk, 130 Wohnungen im Quartier Lyra an der Ecke Schäfer- und Berliner Straße sowie knapp 60 Sozialwohnungen in der Institutsgasse. Auch die Ecke Friedrichstraße/Vorwerkstraße soll mit Wohnhäusern bebaut werden. Dahinter will das Städtische Klinikum neue Gebäude bauen. An der Schäferstraße ist zudem ein Parkhaus geplant.

Zuletzt sind etliche Grünflächen dazugekommen, immer mehr Spielplätze orientieren sich am Bedarf der neuen Bewohner, denn die Friedrichstadt wird jünger. Vor allem Familien haben das Viertel für sich entdeckt - nicht zuletzt deshalb, weil Bauland und Wohnungsmieten in den vergangenen Jahren noch vergleichsweise erschwinglich waren. In den vergangenen 20 Jahren ist die Bewohnerzahl in der Friedrichstadt um knapp 70 Prozent gewachsen.

Der zunächst miserable Zustand des Viertels wurde vor allem nach der Flut 2002 noch deutlicher, sodass der Stadtrat 2003 beschloss, die Friedrichstadt als Letztes von elf Sanierungsgebieten mit öffentlichen Mitteln voranzubringen. Seitdem sind 12,5 Millionen Euro investiert worden, davon kamen sieben Millionen aus den Fördertöpfen des Bundes und des Freistaates.

Allerdings hat der Wandel der Friedrichstadt auch zur Folge, dass sich Bewohner die Mieten nicht mehr leisten können und wegziehen müssen. Sozialarbeiter registrieren diesen Wandel bereits. (mit SZ/noa)