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Das erste Requiem mit dem neuen Kreuzkantor Martin Lehmann

Das Publikum in der Kreuzkirche hörte und schaute genau hin, wie der Mann am Pult der Kruzianer zu einer aufwühlenden Interpretation fand.

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Der seit Ende August amtierende Kreuzkantor Martin Lehmann.
Der seit Ende August amtierende Kreuzkantor Martin Lehmann. © www.loesel-photographie.de

Von Jens Daniel Schubert

Johannes Brahms’ „Ein Deutsches Requiem“ am Volkstrauertag in der Kreuzkirche ist Teil der langen Tradition, die der neue Kreuzkantor zu pflegen angetreten ist. Auch das gemeinsame Singen des Kreuzchores mit Vocal Concert Dresden und natürlich die Zusammenarbeit mit der Dresdner Philharmonie wird fortgesetzt. Neben der Erwartung, am Volkstrauertag Trost zugesprochen zu bekommen, mag auch mancher genau hingehört und -gesehen haben, wie „der Neue“ – seit August im Amt – die große, chorsinfonische Seite seines Amtes annimmt. Der Mann am Pult wird es gewusst, aber nicht deswegen zur aufwühlenden Interpretation gefunden haben.

Auch für Martin Lehmann ist das Werk ein religiöses, in seiner Form ein Gebet, vielleicht ein Gottesdienst. Doch deutlich stärker nimmt er sich der großen Emotionalität, der romantischen Ausdeutung und der kontrastreichen Spannung der Texte an, da darf im besten Sinne auch die Oper grüßen.

Die Kruzianer sind der populärste Chor in Dresden.
Die Kruzianer sind der populärste Chor in Dresden. © dpa/Robert Michael

Von Beginn an gestaltet er mit klarer, genauer Zeichengebung, präzise führt er Orchester und Chor, der beide Ensembles zu einer homogen klingenden, gut artikulierenden und dynamisch genau differenzierenden Einheit verband.

Tröstliche Botschaft für alle

Lehmann gestaltet mit den Künstlern auch Wiederholungen immer ein wenig neu, hat Mut, den Trauermarsch gegen geradezu fröhliche Episoden zu setzen und in gehöriger Breite die wichtigen Sätze quasi fettgedruckt und unterstrichen zu präsentieren.

Die beiden Solisten kamen von der Semperoper und konnten so hervorragend Lehmanns Interpretation mittragen. Christoph Pohl treibt mit seinem „Herr lehre mich doch …“ die Erkenntnis voran, dass das Leben ein Ziel braucht, wenn das Ende tröstlich sein soll. Kraftvoll sind seine Worte, die der Chor reflektiert. Die sich daran anschließenden „lieblichen Wohnungen“ weiß Lehmann mit der Entfaltung aller rhythmischen und harmonischen Finessen zu illustrieren. Was dann folgte, war ein Gänsehautmoment. Nikola Hillebrand, junge Sopranistin im Opernensemble, erblüht über dem Chor mit ihrer Zuversicht „Ich will Euch wiedersehen …“Mit großer Wucht breitet sich danach die apokalyptische Vision vom jüngsten Tag aus. Doch es ist die im Ende enthaltene Hoffnung vom Sieg des Guten und des Lebenden, die da geradezu triumphal den Raum erfüllt.

Ganz zurückgenommen, wieder auf Anfang, dann der Schlusschor. Die aufwühlende Auseinandersetzung von Gut und Böse ist nur eine Facette der tröstlichen Botschaft dieser Musik. Der Kreuzchor, Vocal Concert Dresden und die Philharmonie unter Martin Lehmann legen es ihren Hörern nahe: Die Toten können selig sein, von ihrer Mühe ruhen, während ihre Werke, das, was sie in ihrem Leben geschafft haben, weiter wirken. So wie es hier klingt, kann man es verstehen, selbst wenn man die christliche Botschaft von Jesu Auferstehung nicht teilt.