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"Das Gewicht der Ameisen" am TJG Dresden: Auf die Barrikaden

Die Inszenierung "Das Gewicht der Ameisen" am Dresdner Theater Junge Generation gibt Einblick in die Sorgen einer ganzen Generation.

Von Fionn Klose
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Jeanne (Ronja Rath) will ihre Schule und die Welt verändern. Doch sie wird mit vielen Herausforderungen konfrontiert.
Jeanne (Ronja Rath) will ihre Schule und die Welt verändern. Doch sie wird mit vielen Herausforderungen konfrontiert. © Klaus Gigga

"Unsere Schule verdient eine Kackmedaille!" Jeanne, die Punkerin, mit geflickten Hosen und blau gefärbten Haaren, ist wütend. Auf die Schule und ihren Schulleiter, das Bildungssystem, auf autoritäre Staaten, auf Großkonzerne, für die nur der Profit zählt. Sie ist wütend auf den Klimawandel, auf Werbung auf dem Schulklo, die alle mit Schönheitstipps belästigt. All das kritisiert sie, möchte sie verändern. Kämpferisch, auf den Barrikaden.

Aber das ist nicht so einfach. Denn Jeannes Umfeld ist das alles gleichgültig. Niemand will sich mit den Problemen auf der Welt und in der Schule auseinandersetzen. Mit Olivier lernt sie jemanden kennen, der mit Optimismus und Empathie an die Probleme herangeht. Beide entdecken trotz ihrer Gegensätzlichkeiten, dass sie gleich über die Welt und die Schule, wie sie ist und wie sie eigentlich sein müsste, denken. Sie bilden eine Allianz: Ihr Ziel: Sie wollen Schülersprecher werden und so bestehende Verhältnisse verändern. Doch ihr Konkurrent Maik, ein Populist, macht ihnen mit dem Versprechen "Pizza für alle" einen Strich durch die Rechnung. Also muss ein neuer Plan her.

Das Stück „Das Gewicht der Ameisen“ des kanadischen Theaterautors David Paquet, inszeniert von der Regisseurin Julia Sontag zeigt, welche Herausforderungen auf Jugendliche treffen, die sich politisieren, engagieren wollen. Die aber Steine in den Weg gelegt bekommen, weil deren Mitmenschen scheinbar alles komplett egal ist. Hauptsache es gibt Pizza für alle. Zum Beispiel Oliviers naive Mutter, gespielt von Ulrike Sperberg, die auf die Frage, was ihr Rezept fürs Glücklichsein ist, antwortet: "Ich stelle mir nur die Fragen, die ich auch beantworten kann." Kein Blick über den Tellerrand. Keine großen Fragen auf die sie keine Antwort weiß, die in erster Linie aber auch keiner Antwort bedürfen. Es reicht auch, wenn man sich erstmal Gedanken über sie macht. Und kann dennoch glücklich sein.

Das Stück „Das Gewicht der Ameisen“ des kanadischen Theaterautors David Paquet wurde von der Regisseurin Julia Sontag für das Theater Junge Generation in Dresden inszeniert. Es zeigt, auf welche Herausforderungen Jugendliche treffen, die sich politisieren und engagieren wollen. Die aber Steine in den Weg gelegt bekommen, weil deren Mitmenschen scheinbar alles komplett egal ist – Hauptsache, es gibt Pizza für alle.

Da ist zum Beispiel Oliviers naive Mutter, gespielt von Ulrike Sperberg, die auf die Frage, was ihr Rezept fürs Glücklichsein ist, antwortet: „Ich stelle mir nur die Fragen, die ich auch beantworten kann.“ Kein Blick über den Tellerrand. Keine großen Fragen – und auch keine Antworten.

"Unser Haus brennt"

Jeanne und Olivier leben in einer Welt, die scheinbar keine Probleme hat, weil niemand außer ihnen beiden diese anspricht. Alle scheinen die Augen vor den Fakten zu verschließen, die aber alle betreffen. „Unser Haus brennt“, sagen beide. Und der Brand muss gelöscht werden.

Aber Jeanne und Olivier stehen allein auf weiter Flur. Das gibt ihnen nur noch mehr Energie für ihren Kampf. Jeanne, herausragend rebellisch gespielt von Ronja Rath, und Olivier, dem Mirko Näger-Guckeisen durchaus nerdige, aber auch kraftvolle und tiefsinnige Attitüden verleiht, tragen diese Energie gemeinsam über das gesamte Stück perfekt. Gerade mit Olivier können sich junge Menschen (die Inszenierung richtet sich an junge Zuschauer ab12 Jahren), die sich am Anfang ihrer Politisierung befinden, gut identifizieren, da er, anders als die radikale Jeanne, erst herausfinden muss, welche Form des Aktivismus für ihn richtig ist.

Sie nehmen das Publikum mit auf eine Suche nach dem richtigen politischen Engagement in einer Welt, die brennt. Die vor Missständen, Konflikten und Kriegen nur so überquillt. Die Ignoranz von Oliviers und Jeannes Mitmenschen wird in der Inszenierung wunderbar zugespitzt, dass sie manchmal sogar für viele Lacher im Publikum sorgt. Vor allem Simon Käser sorgt mit seiner Darstellung des sarkastischen und höhnischen Schulleiters für viele lustige und höchst emotionale Momente auf der Bühne.

Diese Inszenierung muss man gesehen haben. Weil sie Einblick gibt in die Situation und Sorgen vieler Jugendlicher, die in diesen Zeiten etwas bewegen, den Planeten retten wollen, die aber an ihrem Umfeld abprallen. Das Stück schafft Verständnis für sie. Und das ist, gerade jetzt, wichtiger denn je.


"Das Gewicht der Ameisen" am TJG: Wieder am 20.2., 16 Uhr, 23. und 24.2., je 18 Uhr, 27. und 28.2., je 10 Uhr. Karten: 0351 32042777