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Der Altan im Großen Schlosshof zeigt sich nun in voller Pracht

Lange diskutiert, intensiv erforscht, eindrucksvoll gemalt: Die Arbeiten an der viergeschossigen Loggia am Hausmannsturm des Dresdner Residenzschlosses sind beendet.

Von Birgit Grimm
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Die Fresken am Altan des Dresdner Schlosses erstrahlen wieder in alter Pracht.
Die Fresken am Altan des Dresdner Schlosses erstrahlen wieder in alter Pracht. © Matthias Schumann

Der Finanzminister wollte ausnahmsweise mal nicht übers Geld reden. Viel lieber erzählte er davon, warum er immer wieder gern in den Großen Schlosshof des Dresdner Residenzschlosses komme: Weil ihn das Bildprogramm am Altan als Kunstwerk begeistere, sagte Hartmut Vorjohann. Kunst und Politik kommen hier aufs Wunderbarste zusammen. Denn der Schlosshof mit seinen Reliefs und Skulpturen, Sgraffiten und Fresken an den vielgestaltigen Fassaden ist ein grandioser Schauplatz sächsischer Geschichte.

Architektur und Kunst erzählen davon, wie im 16. Jahrhundert Politik gemacht wurde, wie Kurfürst Moritz von Sachsen zum evangelischen Glauben fand und mit dem Umbau des Schlosses seine Macht zementierte. Die viergeschossige Loggia an der Rückseite des Hausmannsturms entstand beim Umbau des Schlosses zwischen 1547 und 1556. Heute gilt der Altan als architektonischer und künstlerischer Höhepunkt des Schlosshofs und mit seinen Sgraffiten, Fresken, Reliefs und Skulpturen als eines der bedeutendsten Gesamtkunstwerke der Renaissance nördlich der Alpen.

13 Millionen Euro für den Altan

Die Summe, die der Freistaat in den Schlosshof investierte, sei der Vollständigkeit halber trotzdem genannt: Insgesamt 396 Millionen Euro haben Land und Bund seit 1990 für die Wiederherstellung des Schlosses gezahlt. 13 Million Euro kosteten die Arbeiten am Altan. Gut angelegtes Geld, und der Kostenrahmen soll sogar eingehalten worden sein!

Und so war am Freitag im Großen Schlosshof von einem Meilenstein die Rede, als der Altan – von Gerüsten und Bauplanen befreit – erstmals in voller Schönheit seine Wirkung entfalten konnte. Ein magischer Blickfang. Wenn man den Schlosshof betritt, ist es, als würde ein Vorhang aufgehen. Die Arbeiten daran dauerten freilich länger als nur einen Sommer. Auf heftige Diskussionen – erst über das Ob und dann über das Wie – folgten intensive Forschungen, mit denen sich das siebenköpfige Künstler- und Restauratorenteam zielgerichtet auf die Freskomalerei an den Fassaden vorbereitete.

Motiv von der »Bekehrung des Paulus« aus dem Bildprogramm am Altan im Dresdner Residenzschloss
Motiv von der »Bekehrung des Paulus« aus dem Bildprogramm am Altan im Dresdner Residenzschloss © SZ/Veit Hengst

Mit dem Altan habe man sich im Großen Schlosshof das Spannendste und das Schwierigste bis zuletzt aufgehoben, hieß es. Matthias Zahn, Bauforscher und Restaurator, ist bereits seit 1988 in den Wiederaufbau des Schlosses involviert. Er erzählte davon, wie das Künstlerteam 2011 begann, sich mit den Themen und Motiven der Darstellungen auf den Etagen der Loggia zu befassen: „Die Erarbeitung der Motive begann 2011 und dauerte länger als die Ausführung an der Fassade,“ sagte er.

„Zu malen begannen wir erst 2019.“ Bekannt war den Restauratoren, dass Hans Walther aus Meißen die Relieftafeln mit den Szenen aus dem Buch Josua des Alten Testaments für die Brüstung an der ersten Etage geschaffen hatte. Und sie kannten die Namen der beiden Maler, auf die Kurfürst Moritz vermutlich 1549 auf seiner Reise zum Konzil von Trient aufmerksam geworden war. Die Brüder Gabriel und Benedikt Tola aus Brescia waren Musiker und Künstler in Personalunion, beherrschten freilich auch die Techniken der Sgraffito- und Freskomalerei. „Wir haben uns in Italien auf die Spuren der Brüder Tola begeben“, sagte Matthias Zahn. In der Werkstatt, in der die Brüder Tola einst in Italien gearbeitet hatten, stieß er auf Lattanzio Gambara und dessen Wandbilder in Parma, an denen sie sich schließlich orientierten.

Arbeiten wie die Künstler in der Renaissance

„Wir haben in der Vorbereitungszeit Künstler der Renaissance kennengelernt, die wie die Brüder Tola arbeiteten. Wir haben versucht, ihre Malweise zu verstehen und nachzuvollziehen.“ Denn außer kleinen Entwurfszeichnungen, Kupferstichen und einer Schwarzweiß-Fotografie von Hermann Krone aus dem Jahr 1870 gibt es keine originalen Dokumente, anhand derer die Restauratoren den 1945 zerstörten Altan hätten rekonstruieren können.

Bauforscher und Restaurator Matthias Zahn ist seit Ende der 80er-Jahre in den Wiederaufbau des Dresdner Schlosses involviert. Die Reinszenierung des Bildprogramms am Altan ist nun vollendet.
Bauforscher und Restaurator Matthias Zahn ist seit Ende der 80er-Jahre in den Wiederaufbau des Dresdner Schlosses involviert. Die Reinszenierung des Bildprogramms am Altan ist nun vollendet. © Matthias Schumann

Matthias Zahn spricht deshalb auch von einer Annäherung, von einer Reinszenierung. Er und seine Kolleginnen und Kollegen haben die alte Technik der Freskomalerei erlernt und geübt, bei der auf frisch aufgetragenen Kalkputz gemalt wird, so lange er noch feucht ist. Das führt nur bei bestimmten Außentemperaturen zum gewünschten Ergebnis. Es darf weder zu kalt noch zu trocken sein. Das Restauratorenteam konnte immer nur zeitweilig im Großen Schlosshof arbeiten. Es gab längere Unterbrechungen, in denen jeder und jede an anderen Projekten arbeitete. Aber nach den unfreiwilligen „Arbeitspausen“ fand sich die Truppe immer wieder zusammen und machte da weiter, wo sie zuletzt aufgehört hatte. Das ist ein großes Glück, denn wer weiß, ob neue Kollegen sich in dieser Qualität hätten sich so schnell einarbeiten können. Die Bilder wurden zunächst im Maßstab 1:10 entworfen, dann auf 1:3 vergrößert und schließlich in Originalgröße auf Karton ausgeführt. Die Umrisse der Figuren und Architekturen übertrug man von den Kartons auf Transparentpapier und von da auf den frischen Putz an der Wand hinter der Loggia.

Die Balkons kann man natürlich betreten, die Künstler haben schließlich wochen- und monatelang dort gemalt. Aber ob es im Rahmen geführter Schlossrundgänge einmal auch den Besucherinnen und Besuchern erlaubt sein wird, die Freskomalerei aus nächster Nähe zu betrachten, ist noch nicht entschieden. Überhaupt wird der Große Schlosshof leider auch im nächsten Sommer noch Baustelle sein. So muss zum Beispiel der Bodenbelag historisch getreu gefertigt und verlegt werden. Wird das 2025 geschehen? Oder gar erst 2026? Dazu konnte und wollte sich Sachsens Finanzminister am Freitag nicht festlegen. Denn dann hätte er ja doch noch übers Geld reden müssen.