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Wie Sachsens König in den Krieg zog - oder auch nicht

Friedrich August III. war der letzte König der Sachsen. Er war ein großer Militär, aber nie siegreich. Teil 3 unserer Serie zum 90. Todestag.

Von Peter Ufer
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Friedrich August III. von Sachsen
Friedrich August III. von Sachsen © mauritius images/Art Collectio

Er habe nie auf einen Thron gehört, dieser August. Er sei eine Zumutung gewesen, ein Mann ohne Taktgefühl. So sagen seine Kritiker. Der Bremer Historiker Lothar Machtan meint: „Friedrich August war als König erstarrt und unfähig, sich von alten Herrschaftsformen zu lösen, geschweige denn sie zu erneuern.“ Er fehlt sogar auf dem Fürstenzug auf der Außenseite des Stallhofes vom Dresdner Residenzschloss.

Das Wandbild aus 23.000 Meißner Porzellankacheln entstand von 1904 bis 1907. Während der Arbeiten verstarb König Georg. Der Vater von Friedrich August III. schließt den Fürstenzug, noch als Prinz dargestellt, ab. Der letzte König sollte ergänzt werden, meinte aber, das sei nicht nötig. Dresdner erzählten sich, er habe gesagt: „Ich muss ni an dor Wand klebn.“

"Besser ä König in Reserve, als ä dodor König"

Mit dem Satz „Lieber Skat statt Staat“ soll er gelegentlich seine politischen Ambitionen zusammengefasst haben. Er drängelte sich nicht nach vorn in die Schützengräben. Wenn er schoss, dann auf Wild. Er litt an der Jagdsucht. Den militärischen Pflichten folgte er nur aus Pflichtgefühl. Dabei sollte er ein großer Militär werden, schaffte es bis zum Generalfeldmarschall.

Wilhelm II. hatte ihm 1912 bei einem Manöver nahe Großenhain dazu ernannt. Bereits zu seinem ersten Geburtstag wurde der kleine August zum Chef der Infanteriebrigade „Prinz Maximilian“ berufen. Zum zweiten Geburtstag benannte man das Regiment nach ihm. Jetzt hieß es: 5. Infanterie-Regiment „Prinz Friedrich August“.

Als im Juni 1866 preußische Truppen in Sachsen einmarschierten, flüchtete die Familie mit den Kindern nach Aussig und weiter nach Prag. Sie gingen den Kämpfen lieber aus dem Weg. Das hatte sich der Junge gut gemerkt. „Besser ä König in Reserve, als ä dodor König“, soll er viel später im Ersten Weltkrieg gesagt haben. Die Nachricht von der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien hatte ihn am 28. Juli 1914 während seines Sommerurlaubs in Südtirol erreicht. Unverzüglich reiste er nach Dresden und berief den Ministerrat ein.

Die sächsische Armee wurde als Bestandteil des deutschen Heeres mobilisiert. Friedrich August III. war als Bundesfürst und Soldat dem Kaiser und dessen Politik verpflichtet. Dennoch übernahm er als einziger der vier deutschen Könige nicht den Oberbefehl über seine eigene, etwa 40.000 Mann umfassende Armee. Die überließ er dem sächsischen Kriegsminister Max von Hausen. Als Begründung nannte der König die Unvereinbarkeit seiner Funktionen als Staatsoberhaupt und Armeechef.

In erster Rolle rief er am 2. August seine Untertanen zur Entschlossenheit im bevorstehenden Kampf auf. Am 6. August verabschiedete Friedrich August sein früheres Leibregiment an die französische Front. Nach anfänglichen Erfolgen bis Mitte September erlitten die Soldaten danach hohe Verluste. Mit etwa 12.500 Toten, was gut einem Drittel der ursprünglichen Heeresstärke entsprach, hatte Sachsens Armee die höchste Verlustrate aller Bündnisheere. Friedrich August reagierte, setzte unter anderem die Wehrtauglichkeits- und Einberufungskriterien herab und führte eine vormilitärischen Pflichtausbildung für alle Schüler ab dem 16. Lebensjahr ein. Damit mobilisierte er zusätzlich etwa 1.000.000 Mann. Davon wurden bis Kriegsende etwa 212.000 getötet, 334.000 verwundet und 42.000 gefangen genommen.

Zugleich entstanden auf sächsischem Gebiet Reserve-Lazarette und Pflegeheime für die zahlreichen Verwundeten und Kriegsversehrten, die Friedrich August regelmäßig aufsuchte. Schnell machten Geschichten die Runde, was der König seinen Soldaten im Feldlazarett gesagt habe. Einen Verletzten soll er gefragt haben: „Was ham Se denn?“ Der Kranke antwortete: „Mein Bein wurde amputiert.“ Der König fragte: „Welches Been?“ Der Soldat antwortete: „Das linke.“ Der König: „Na, da könn Se froh sein, dass es ni das rechde is.“ Einen anderen soll der König gefragt haben: „Was is denn mid ihn los?“ Der Kranke sagte: „Ich habe beide Beine verloren.“ Der König fragte: „Was sin Se von Beruf?“ Der Kranke antwortete: „Schreiber.“ König: „Da ham Se Glück, dass Se kee Briefdräger sin.“

Fui Deibel!

Den nächsten fragte der König: „Was sin Sie von Beruf?“ Der Kranke: „Gärtner.“ Der König: „Kindergärdner oder Landschaftsgärdner?“

Einen noch: Der König ging zur Feldküche und sah dort einen Küchenkessel voll dunkler Brühe stehen. „Löffel her“, verlangte er. Doch der Koch wollte ihm keinen Löffel geben: „Majestät, nein, bitte!“ Seine Majestät forderte: „Löffel, hab ich gesagd, das genügd doch wo.“ Er bekam den Löffel, kostete die Brühe und spuckte gehörig. „Fui, Deibel! Das schmeckd ja wie Offwaschwasser! Was soll das denn sein?“ Der Koch: „Aufwaschwasser, Eure Majestät!“

Am 8. November 1918 hatten aufgebrachte Soldaten auf dem Dresdner Altmarkt demonstriert und am Abend im Zirkus Sarrasani den Sieg der Revolution ausgerufen. Friedrich August III. meinte zunächst: „Die dun mir nischd.“ Doch er flüchtete und kehrte erst als Toter zurück.

  • Der Film: „Der letzte König der Sachsen“ zeigt Friedrich August III. in einmaligen historischen Aufnahmen aus dem Archiv von Ernst Hirsch. Erzähler ist Tom Pauls. Gezeigt wird der Film erstmal öffentlich zum 90. Todestag des Königs, am 18. Februar, 17 Uhr, im Dresdner Rundkino. Unser Autor Peter Ufer moderiert dort vorab ein Gespräch mit Tom Pauls und Ernst Hirsch.