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Ist die westliche Demokratie in Gefahr - wie 1933?

Vor 90 Jahren kam das NS-Regime an die Macht. Könnte sich die Zerstörung der Demokratie wiederholen? Das diskutierten Politiker und Wissenschaftler im Dresdner Hygienemuseum.

Von Niels Heudtlaß
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"Möchtegern-Autokraten" wie Donald Trump spalten die Gesellschaft mit Absicht, ist sich Politikwissenschaftlerin Marianne Kneuer sicher.
"Möchtegern-Autokraten" wie Donald Trump spalten die Gesellschaft mit Absicht, ist sich Politikwissenschaftlerin Marianne Kneuer sicher. © Sue Ogrocki/AP/dpa

Hitler kam am 30. Januar 1933 an die Macht, nicht etwa durch einen gewaltsamen Umsturz, sondern durch einen Regierungswechsel. Der Reichspräsident Paul von Hindenburg ernannte ihn zum Kanzler und öffnete den Nationalsozialisten, die lange zu einer Massenbewegung mit 33 Prozent Stimmenanteil geworden waren, Tür und Tor. Innerhalb kurzer Zeit formten die Nationalsozialisten die Weimarer Demokratie zu einer totalitären Diktatur.

90 Jahre sind seitdem vergangen. Das düstere Jubiläum hat das Deutsche Hygiene Museum in Kooperation mit dem Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung (HAIT) am Donnerstag zum Anlass für eine Podiumsdiskussion genommen. Marianne Kneuer, Politikwissenschaftlerin an der TU Dresden, Mike Schmeitzner, Historiker am HAIT und Christian Avenarius (SPD), Leiter der Abteilung Gesellschaftlicher Zusammenhalt des sächsischen Sozialministeriums diskutierten dort die Frage: "Könnte sich die Zerstörung der Demokratie wiederholen?"

Demokratieabbau statt Zerstörung

Einen derartigen Kahlschlag, wie er 1933 in Deutschland stattgefunden hat, kann sich Historiker Schmeitzner nicht vorstellen. Die Demokratie in der Weimarer Republik sei um einiges weniger wehrhaft gewesen, als die heutigen Demokratien und hätte Vorbelastungen gehabt. Als Beispiel nennt er die Partei-Armeen der Nationalsozialisten – wie die SA – und Kommunisten, die die Weimarer Republik in bürgerkriegsähnliche Zustände stürzten. Die demokratischen Organisationen seien zudem weit weniger mächtig als heute gewesen, so Mike Schmeitzner. Dafür stehe zum Beispiel ihre Unfähigkeit, Verbote antisemitische Hetzblätter vor allem in Bayern durchzusetzen. Am Ende sei die Machtübernahme innerhalb eines halben Jahres möglich gewesen, weil die Parlamentspartien außer der SPD allesamt der Entmachtung des Parlaments zugestimmt hätten.

Auch Marianne Kneuer hält eine Zerstörung der Demokratie wie bei Hitlers Machtübernahme und davor heute für unwahrscheinlich. Das heiße aber nicht, dass die Demokratie sicher sei. Vielmehr sei in der heutigen Zeit vor allem ein langsamer Abbau von Demokratie zu beobachten. Dieser Abbau werde von gewählten Volksvertretern vorangetrieben, wie dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump oder Ungarns Staatschef Viktor Orban.

Möchtegern-Autokraten spalten die Gesellschaft

Diese Akteure würden um ihre Macht zu erweitern Verfassungen neu schreiben, Organe neu gründen und juristische Regeln verändern. Dieser Umbau mache die Zerstörung von Demokratie weit schwerer erkennbar. "Politiker wie Donald Trump betreiben eine Zerstörung der Demokratie mit demokratischen Mitteln", so die Politikwissenschaftlerin.

Es gebe allerdings einen wichtigen Unterschied zum NS: Die Zivilgesellschaft sei aktiver. Es gebe die Möglichkeit der Abwahl von "Möchtegern-Autokraten", wie bei Trump geschehen. Wiederhole sich Demokratieabbau zu oft, gingen die Menschen heute auf die Straße. Trotzdem sei eine immer stärker werdende Spaltung wahrnehmbar und gehöre zur Taktik der "Möchtegern-Autokraten". "Eliten spalten durch Polarisierung. Es sollen Teile der Gesellschaft mobilisiert werden wohl wissend, dass es mit anderen Teilen nie gelingen wird.", so Marianne Kneuer

Sollten wir mehr mit Antidemokraten reden?

"Antidemokratische Haltungen sind ein gesamtdeutsches Problem mit spezieller ostdeutscher Perspektive", stellt Avenarius fest. Die AfD habe ein menschenverachtendes Weltbild. Eine Partei mit einem solchen Weltbild erreiche in Sachsen bis zu 30 Prozent der Stimmen. "Das sehe ich als Gefährdung der Demokratie", sagt Avenarius. Er habe sich damals sehr gewundert, wie schnell die AfD im Dresdner Stadtrat sich radikalisiert habe, so der ehemalige Kommunalpolitiker. Das sei vor allem im Zusammenhang mit Pegida deutlich geworden. Wo erst Unvereinbarkeit verkündet wurde, seien AfD-Vertreter bald als Redner auf den Demos aufgetreten.

Ihn habe zu diesem Zeitpunkt vor allem eine Frage umgetrieben: "Bei wem ist es wichtig ihn für die Demokratie zurückzugewinnen und von wem muss man sich abgrenzen?". Dabei sei er zu dem Schluss gekommen, dass Reden immer wichtig sei. Dem stimmt auch Kneuer zu. "Isolierte Demokratiefeinde sind noch gefährlicher."