SZ + Feuilleton
Merken

Protest bei Jazztagen: Man muss mit jedem reden

Intendant Kilian Forster hat einen Gastredner zu den Jazztagen eingeladen, der nun auf Protest stößt. Was hat Meinungsfreiheit mit Musik zu tun?

 7 Min.
Teilen
Folgen
Kilian Forster zu Hause mit seinen Instrumenten.
Kilian Forster zu Hause mit seinen Instrumenten. © Matthias Rietschel

Alles könnte so schön sein: Kilian Forster hat für die Dresdner Jazztage ein Hygienekonzept ausgeklügelt, das es ihm erlaubt, über 800 Besucher im Ostra-Dome und 600 in den Ostra-Studios zu empfangen. Einen Außenbereich mit Schirmen, Heizern, Grill- und Getränkestand gibt es obendrein und fast 50 Konzerte. Doch der angesetzte Vortrag des Verschwörungstheoretikers Daniele Ganser sorgt dafür, dass jetzt im Netz zum Boykott des Festivals aufgerufen wird.

Herr Forster, die Einladung des umstrittenen Schweizer Historikers Daniele Ganser zu den Jazztagen führte jetzt zu massiven Protesten. Gab es auch interne Diskussionen um Gansers Auftritt?

Natürlich. Wir schätzen seinen Sinn für Frieden. Aber er wurde letztes Jahr schon kritisiert. Das ist wichtig, aber wir haben nichts Antisemitisches oder Diskriminierendes gehört. Deshalb wollten wir es dieses Jahr in einen Kontext mit zwei weiteren Vorträgen, jeweils anschließender Diskussion und Jazzmusik stellen. Dann kam Corona und im Wahnsinnstrubel stand natürlich die Musik im Vordergrund, nicht die Diskussionsreihe.

Hatten Sie damit gerechnet, dass es diesmal solch einen Widerstand bis hin zu Boykott-Aufrufen geben könnte?

Nicht ansatzweise. Der Termin mit ihm steht seit Februar auf der Website der Jazztage, monatelang hat sich keiner dafür interessiert. Jetzt, zwei Wochen vor der Angst, bricht so etwas über uns herein. So eine Kampagne braucht wirklich niemand.

Junge Musiker fordern, dass man uns boykottieren soll, was in Kauf nimmt, dass die Jazztage kaputtgehen. Was wiederum vielen Musikern enorm wichtige Auftrittsmöglichkeiten nehmen würde. Das habe ich nicht nur nicht erwartet, ich habe auch keinerlei Verständnis dafür.

Eine Zusage ist eine Zusage, niemals werde ich diese Veranstaltung absagen, nur, weil manche damit ein Problem haben. Ich düpiere doch auch nicht mehr als tausend Menschen, die bereits eine Karte gekauft haben. Wenn hingegen Sponsoren oder andere Künstler ihre Zusagen zurückziehen, ist das nicht das normale Geschäftsgebaren.

Es sind also tatsächlich bereits Sponsoren abgesprungen?

Ja, das ist leider so. Nach den Aufforderungsmails, die Auftritte von Ganser zu stornieren, wollten wir antworten, bekamen aber mit, dass bei Facebook längst von Boykott die Rede war. Zudem schrieben junge engagierte Musiker Künstler, Jazzverbände und Sponsoren an, sich von uns zu distanzieren. Da war ich fassungslos. Ich fragte Ganser, ob er sich den Kritikern stellen würde. Und er war sofort dabei. Ich lade jetzt also die Boykott-Initiatorin samt eines Experten ihrer Wahl ein, öffentlich mit Ganser über seine Thesen zu diskutieren.

Um welche Sponsoren handelt es sich?

Das will ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, weil wir noch im Gespräch sind und er uns vielleicht doch treu bleibt.

Mit Jazz hat der Vortrag aber sowieso nichts zu tun, oder?

In diesem Fall doch, denn ich will den Diskurs mit Befürwortern und Gegnern von Ganser gemeinsam in einer Sessionband austragen lassen. Außerdem ist Ganser als Autor immerhin auch ein Künstler.

Unter den Musikern gibt es beide Lager?

Natürlich. Einige rieten mir sogar, ich solle klagen. Schließlich versucht da jemand, uns wirtschaftlich zugrunde zu richten.

Haben Sie zumindest ganz kurz daran gedacht, die Auftritte doch abzusagen?

Nein, wirklich nicht. In diesem Fall würden sich doch genauso viele aufregen.

Was macht das mit Ihrem Image?

Es geht über Facebook ja ganz schnell, dass man als Nazi abgestempelt wird. Das ist für mich nichts Neues. Dabei ist mein Ansatz nur der, dass man mit jedem reden muss, um ihn von seinen möglicherweise kruden Ideen abzubringen. Unter den Teppich kehren bringt nichts. Es ist halt meine Art, so gegen Rassismus und Diskriminierung zu kämpfen. Und ehrlich, ich finde es sogar prima, dass sich eine junge Musikerin so engagiert. Ich teile auch ihre Ziele, nur keineswegs ihre Mittel.