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Für Andy Warhol war jeder ein Superstar

Pop-Art-Künstler Andy Warhol liebte Konsumgüter und Berühmtheiten. Das zeigt sich in seiner Kunst, die jetzt in der Dresdner Zeitenströmung ausgestellt ist.

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Andy Warhol wurde einst auch dafür berühmt, dass er alles schön fand - außer Marilyn Monroe auch Suppendosen und Colaflaschen.
Andy Warhol wurde einst auch dafür berühmt, dass er alles schön fand - außer Marilyn Monroe auch Suppendosen und Colaflaschen. © warhol foundation

Von Uwe Salzbrenner

Andy Warhols Porträtserien von Campbells-Suppendosen - und die schlampigeren und schöneren von Marylin Monroe - sind heute weltberühmt. Freilich kommt er als junger und preisgekrönter Werbezeichner fast zu spät, als Ende der 1950er in den USA die „Pop Art“ erstmals auffällt – mit Jasper Johns Bildern von Zielscheiben und der amerikanischen Flagge, mit den auf die bemalte Leinwand geklebten Gegenständen bei Robert Rauschenberg.

Alltagsdinge, billige Materialien, all das gehört jetzt zum Realismus, der das Publikum provoziert und anlockt. Die erste Silbe des Begriffs Pop Art meint damals den Knall, einen Kracher, so wie beim Popcorn. Warhol, angeregt vom Erfolg dieser Kunst, sucht nach Bildmotiven. Wiederholt Werbung mithilfe eines Projektors, malt Dollarscheine und Coca-Cola-Flaschen in Serie; schließlich vorbildgetreu die Suppendosen, in allen 32 Variationen. Sein Vorteil, unverhofft: Er kann sich als Arbeitersohn und Nachkomme tschechoslowakischer Einwanderer für die Symbole des Kapitalismus tatsächlich begeistern.

Technik ersetzt Stil

Im August 1962 entdeckt Warhol den Siebdruck für sich, einst Beschriftungstechnik des Militärs. So kann er alle Dinge, Personen oder Katastrophen, von denen er Fotos hat, auf Acryl-Grundierungen drucken. So kann er jedes Motiv wiederholen, damit es wie Fließbandarbeit aussieht. Technik ersetzt ihm den Stil. Mit der Vervielfältigung wird die Kunst zudem erschwinglich. Und sie sieht genauso aus, wie das, was einen umgibt, was man anbetet oder kaufen kann. Mehr Bestätigung geht nicht. Pop Art, jedenfalls die von Warhol, nennt man nun „populär“. Und der damals 34-Jährige hat Gespür für Ruhm: Nach Marylin Monroes Selbstmord nimmt er ein altes Pressefoto von ihr, schneidet die untere Hälfte ab. Druckt dann das Motiv auf grellfarbige Gründe, die nicht exakt zur Vorlage passen. Die Fehler sind nötig, um das Bild elektrisierend erscheinen zu lassen. Warhol wird den Trick später vielfach wiederholen.

Und, nicht zu vergessen: Warhol ist der einzige der Pop-Art-Künstler, den man im schon allerersten Artikel mit Foto vorstellt. Seine Werkstatt, die „Factory“, deren erste er sich in New York einer alten Feuerwache einrichtet, ist bald Treffpunkt der Szene. Er gründet eine Rockband, dreht Filme, nimmt Gespräche auf, die er publiziert. Seine Veranstaltungen haben Zulauf. Warhol zieht mit Freunden durch die Stadt, geht zu Vernissagen und Partys der Neureichen — man kennt das Gesicht, die Sonnenbrille, die hellen, gescheitelten Haare. Er ist ein Selbstdarsteller, der selbst wenig redet und alles schön findet. Dafür ist er bald berühmt. Als ein Attentat der Feministin Valerie Solanas auf ihn 1968 scheitert, unterbricht man für die Nachricht Rundfunk- und Fernsehsendungen. Das wiederholt sich zu seinem Tod im Jahre 1987.Die Warhol-Ausstellung, die jetzt in der Zeitenströmung Dresden als erste Station einer Deutschland-Tour gezeigt wird, bietet einen guten Einblick in die Kunst-Zusammenhänge. Es gibt vier originale Marylins und ein paar echte Suppendosen, einen signierten und nummerierten Siebdruck von „Mao Yellow“ aus dem Jahre 1972. Es gibt auch „Jackie“ signiert, Warhols Bild der Witwe John F. Kennedys, dazu die elfteilige Serie „Flash“ zur Ermordung des US-amerikanischen Präsidenten. Diese Blätter stammen wie die großen Siebdruck-Porträts von Prominenten aus Privatsammlungen in Italien und der Schweiz.

All die Marilyns und Maos

Schön das Bild des Malerkollegen Enzo Cucchi, 1978 auf zwei Bögen Papier gedruckt. Interessant der „Lenin“ mit verrutschter Hemdbrust vom Todesjahr — wollte da Warhol noch einmal elegant gestalten? Darüber hinaus findet man eine Zahl von Marylins und Maos aus Editionen, die nicht vom Künstler autorisiert worden sind, ebenso für den Massenverkauf vervielfältigte Blumen, Suppendosen und Kühe. Mehr noch: Warhol-Motive sind auf die meisten Wände gedruckt, Campbells-Dosen in Ölfassgröße aufgestellt. Krasser als durch Übermaß lässt sich Warhols früher Anspruch, für jeden Haushalt zu produzieren, nicht ins Bild setzen.

Ein wenig verwundert freilich, wie stur die Schau auf verschiedenen „Pop-Art-Identitäten“ beharrt. Hat nicht Warhol nicht alle seine Motive „Superstar“ genannt, ganz gleich ob Dose, Colaflasche oder Marylin? Entspricht die Darstellung von Personen nicht fast immer jener der Medien? Die Ausnahme ist Warhols Serie von Drag Queens, von Homosexuellen in Frauenkleidern. Deren Inszenierung ist selbstgewählt. Warhol persönlich veränderte sich ein Leben lang kaum. Fotos von Berühmtheiten sammelt er schon als Kind.

Warhol ließ seine Bilder von seiner Mutter signieren

Ebenso früh hört er darauf, was Freunde ihm raten. Den Trick, Einzelobjekte als Symbol zu nehmen, übernimmt er von seinem Lehrer im Design-Studium. Er lässt seine Bilder von seiner Mutter signieren; später unterschreibt er wie sie. Alle seine Katzen heißen Sam. Als man nach Warhols Tod die Wohnung ausräumt, sieht man: Er hat alles Mögliche gekauft, ob kostbar oder nicht, und alles in Mengen.

Die Ausstellung "Andy Warhol - Pop Art Identities" ist bis zum 12. Juni in der Zeitenströmung Dresden, Königsbrücker Str. 96 zu sehen. Geöffnet dienstags, mittwochs und sonntags 10 bis 18 Uhr, donnerstags, freitags und sonnabends von 10 bis 20 Uhr.