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Meisterschüler stellen aus: Riesenpflanze trifft Zielfernrohr

Tiere, Technik und die Sehnsucht nach Heimat: Meisterschüler der Dresdner Kunsthochschule zeigen ihre Werke im Oktogon.

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Meisterschülerin Taemen Jung „pflanzte“ eine gigantische Monstera aus Plastikfolie unter die Kuppel des Oktogons der Dresdner HfBK und hält sie mit einem Gebläse am Leben. „How we choose to live“ ist der Titel der Skulptur.
Meisterschülerin Taemen Jung „pflanzte“ eine gigantische Monstera aus Plastikfolie unter die Kuppel des Oktogons der Dresdner HfBK und hält sie mit einem Gebläse am Leben. „How we choose to live“ ist der Titel der Skulptur. © Foto: SZ/Veit Hengst

Von Uwe Salzbrenner

Das Oktogon der Hochschule, den Raum unter der Glaskuppel, füllt zurzeit eine riesige Monstera. Taemen Jung hat die Pflanze mit den charakteristischen Schlitzen in den großen Blättern aus Plastikfolie vergrößert nachgeschneidert und mit einem Gebläse aufgepumpt. Die gebürtige Südkoreanerin stellt so zwei Dinge dar, die zusammenhängen: zum einen sparsamen Besitz, die Erfahrung einer nomadischen Lebensweise. Schon vor dem Studium in Europa ist sie in ihrer Heimat mehrfach umgezogen – ihr Vater war beim Militär. Pflanzen wurden offenkundig mitgenommen. Zum anderen ist da der Wunsch, sich in der Fremde so viel Raum wie möglich anzueignen, um sich irgendwie sesshaft zu fühlen. In früheren Arbeiten mit Luft und Stoff hat Taemen Jung mit dem Nestbau experimentiert. Jetzt wird das Achteck unter der Kuppel zur – durchaus auch ökologisch zu interpretierenden – Nische, von einer einzigen Pflanze ausgefüllt. Sie stößt bereits an ihre Grenzen.

Das Tier klagt an

Im Raum unter der Kuppel führt die Schau von 24 Meisterschülerinnen und Meisterschülern der HfBK Dresden in eins ihrer Themen ein: die Darstellung von Tieren, so wie wir sie sehen wollen. Sie sind zum einen das Wichtigste, der Mensch nur Helfer oder weggeschnitten in den Gemälden von Felina Wießmann und Ruben Müller. In Annika Greschkes Bildern indes klagt das Tier, womöglich wiederum stellvertretend für den Menschen. So wie der Bildhauer Willy Schulz einen Jagdrock entwirft, dessen Camouflage noch das Orange der Signalwesten aufnimmt, und eine Armbrust mit Zielfernrohr, muss man auch an das gejagte Wild denken.

Und Tiere tauchen auf in zwei weiteren „Raumbesetzungen“: Ruth Unger hat an 50 Tagen jeweils eine Maske gefertigt. In einer früheren (Corona-)Serie waren alle entlarvend gleich. Diesmal sind sie bei gleicher Form so unterschiedlich wie möglich, krachbunt und aus verschiedenen Materialien. Manche der wandhoch exponierten Masken sehen wie Tiergesichter aus. Auf einigen sitzen modellierte Nacktschnecken.

Im Video von Mona-Sophia Freudenreich tauchen Höhlenmalereien mit Pferden auf und Wildpferde in der Wüste Gobi. Die Höhlenkunst ist nach ihrer Entdeckung von Pilzbefall bedroht, das Wildpferd fast ausgestorben und jüngst erst neu ausgewildert. Das Beherrschende ist jedoch der begleitende Sound: Der einstige Disco-Hit „I feel Love“ von Donna Summer brummt, stark verlangsamt, durch die Alte Bibliothek.

Hamidreza Yaraghchi aus der Klasse Ralf Kerbach malte dieses Ölbild: "Dream of a butcher", 2022.
Hamidreza Yaraghchi aus der Klasse Ralf Kerbach malte dieses Ölbild: "Dream of a butcher", 2022. © Foto: SZ/Veit Hengst

Unter der Kuppel, neben der Monstera, kann man sich gleichfalls in eine vielfältige Malerei eingestimmt sehen. Was da bei den oben genannten Künstlerinnen und Künstlern als Vereinfachung der Gestalt im Ölgemälde oder penibel ausgeführte Mischtechniken beginnt, setzt sich in den Nebenräumen als fröhliche Abstraktion fort, als Arbeit mit Bitumen, Gallustinte und gefärbten Papierfasern. Die Gemälde von Hamidreza Yaraghchi im Pentagon Ost, mit tropischem Farbüberfluss wohl aus der Übermalung von Fotovorlagen entwickelt, offerieren dagegen Opfer und noch den Schlächter als Geschädigten. Verstärkt wird der Eindruck bedrohten Lebens von der Kunst der Kollegen: den Augenblenden der Krebstherapie nebenan und 15 mit Krankenwagen überzeichneten MRT-Bildern.

Verstärkter Einsatz modernster Technik

Der Beitrag moderner Technik zur Kunst fällt zudem auf, der Einsatz von Film und Klang, die souveräne Verwendung von Schnittprogrammen. Bei Thomas und Julia Schmelzer sieht es so aus, als wäre die Apparatur schon so frei, die Analyse fotografierter oder gefilmter Phänomene und die Offenbarung des eigenen Tuns selbst zu übernehmen. Das heißt auch, die Kunst wird für Betrachter wieder zum Rätsel. Das scheint bei der Installation von Robin Woern ebenso zu sein: Ein Laserstrahl ist nur in den drei Wasserbehältern zu sehen. Woern nutzt hier das Licht, um die Stimme eines Verstorbenen zu übertragen, die man am Ende auch hören kann. Dass in der Luft Laserlicht nicht sichtbar ist, weist auf Lücken in unserer Erinnerung hin.

Die Schau im Oktogon der Hochschule für Bildende Künste Dresden, Georg-Treu-Platz, ist bis zum 14. April zu sehen, mittwochs bis sonntags von 11 bis 18 Uhr.