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Neu im Kino: Olaf Schubert sucht bei den Stones seinen wahren Vater

„Olaf Jagger“ ist eine fiktionale Dokumentation, die unterhaltsam die Frage klärt, ob Mike Jagger einen Spross im Osten zeugte.

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Erstaunliche Ähnlichkeiten: Olaf Schubert und Mick Jagger. Freilich an der Art des Gesangs mit Mikro hat der Dresdner Comedian noch Reserven.
Erstaunliche Ähnlichkeiten: Olaf Schubert und Mick Jagger. Freilich an der Art des Gesangs mit Mikro hat der Dresdner Comedian noch Reserven. © Neue Visionen Filmverleih

Von Andreas Körner

Als Fan oder auch Nicht-Fan geht man längst mit Erwartungen in eine Olaf-Schubert-Begegnung hinein, und wenn es ganz gut läuft, ist man sogar bereit, die eigenen Erwartungen unterlaufen zu lassen. Das ist gut so. Denn für „Olaf Jagger“ wurden viele richtige Entscheidungen getroffen. Das Werk hat witzige Einfälle und eine flotte Umsetzung zu bieten, zerstreut also auf gar nicht mal so alberne Weise, wie vielleicht gedacht.

Die Chance auf Groupies wächst

Das steht schon mal fest: Mit dem Ausmisten im väterlichen Hauskeller und der anschließenden Suche nach bislang verborgenen Familiengeheimnissen kommt Comedian, Autor und Musiker Olaf Schubert wesentlich besser zurecht als mit der Liebe. Ergo ist die fiktionale Dokumentation „Olaf Jagger“ von heute wirklich gelungener als die einfältige Komödie „Schubert In Love“ von 2016.

Dass sich der Dresdner Künstler in den Zwischenjahren weiter zu etablieren wusste, auch durch fest gebuchte Fernsehaktivitäten jenseits des mitteldeutschen Heimatsenders für betagte Bürger, wird Heike Finks launischem Film vor allem weiter westlich des rautig gezogenen Pullunder-Äquators von Nutzen sein. Es ist natürlich eine Formatfrage, denn umjubelte Bühnen- und Bildschirmkomödianten haben es im hiesigen Spielfilmkino traditionell eher schwer. Die rühmlichen Ausnahmen bleiben Helge Schneider und noch immer Loriot, dessen „Große Trickfilmrevue“ übrigens am 20. April in 180 Kinos deutschlandweit neu aufgelegt wird.

Freut sich auf Groupies: Olaf Jagger.
Freut sich auf Groupies: Olaf Jagger. © Neue Visionen Filmverleih

Olaf Schubert kümmert sich mit Herz und Seele um seinen verwitweten Vater Rolf (Franz-Jürgen Zigelski). Daran, dass er ihn Vater und sich Sohn nennen darf, musste Olaf bislang nicht zweifeln. Als sich in besagtem Rumpelkeller jedoch seltsame Zeichen in Form von alten Orwo-Magnetbändern finden lassen, gerät Schuberts Welt in heftige Turbulenzen.

Was ist wohl dran am bis heute verschwiegenen Westbesuch seiner Mutter Anne-Marie im Jahre 1965, also vier Jahre, nachdem jemand im Osten vorhatte, eine Mauer zu errichten, und dies auch durchzusetzen wusste? Was stimmt an dieser Reise aus Anlass des ersten Rolling-Stones-Konzerts in Deutschland, genauer in Münster? Was am intimen Termin der im Radio tätigen Mutti mit Mick Jagger, und was steckt hinter der rein rechnerischen Konstellation, wonach Olaf neun Monate später geboren wurde?

Die Privatfahndung, begleitet von einem kleinen Kamerateam, beginnt in Dresden, wo die Neugestaltung eines Fischteichs warten muss, bis Klarheit über Größeres herrscht. Olaf Schubert wird zu Mr. Marple in eigener Mission.

Was eineinhalb Stunden lang folgt, ist die so lust- wie reizvolle Kombination aus echten Zeitzeugen zum Teil an falschen Orten, originalen Beweisstücken und nachgestellten Archivbildern, Improvisation und Plan B, Rock ’n’ Roll, Reisen über Land bis nach Frankreich zum „Bäcker von Jagger“ und schließlich nach London zu Menschen, die Erbfolgen regeln könnten, wenn sie denn würden wollen dürfen. Feine Irritationen werden wie Sand ins Getriebe geworfen, wortfeile Gags sind geschickt platziert, das Tempo ist größtenteils straff bis auf jenen Moment, da man in der Berliner Stasiunterlagenzentrale förmlich mit Schubert leidet, als bei Sichtung von Mutters Akte klar und klarer wird, dass zumindest die Option auf den Namen Olaf Jagger besteht.

Besuch beim Oktoberklub der FDJ

Was sich anfangs etwas zäh anfühlt, weil sich Toni Krahl von Ex-City vor allem um eigene retrospektive Befindlichkeiten kümmert, wird schon mit dem König von Sag-mir-wo-du-Stehst, Vorname Hartmut, grandios situationskomisch. Man hat das Gefühl, bei ihm im Souterrain trifft sich der lebendige Rest des Oktoberklubs noch regelmäßig zum Proben und Schwärmen über verdampfte Zeiten.

Als Königs großes Labern beginnt, spult Regisseurin Heike Fink einfach vor. Trefflich! Auch der Spaziergang mit Ex-DT-64-Moderatorin Christine Dähn über – O-Ton Olaf S. – „ungepflegtes“ Radiogelände, wo der geneigte Kenner doch weiß, dass das Rundfunk-Backgestein in der Berliner Nalepastraße eher sorgsam umhegt wird, ist herrlich heiter.

Weiter geht es nach Dortmund ins Archiv für populäre Musik und ins Stadtmuseum Münster, wo allein die Fakten zählen sollen. Sabine Heinrich holt einen zunehmend fiebrigen Olaf zum Interview zu WDR 2, im Stones Pavillon Bautzen wird es „um ein Haar“ heikel, ältere Damen erinnern sich an das jugendliche Backstage-Kribbeln von einst, und beim Kaffee im Grünen mit Muttis Freundin Hanna wird dem Olaf ganz flau im Magenraum. Ein Sexual-Psychologe wird hinzugezogen, eine Familienrichterin, Flake von Rammstein, muss helfen, denn er hat es ja wirklich zu etwas gebracht. Sein Feeling B zu DDR-Zeiten führte ihn nach dem Wenden bis nach Glastonbury und hin zur Telefonnummer von Mick Jagger (leider ist nur der AB dran), wobei auch alte Aufnahmen von Olafs schlagzeugendem Treiben eine ganz eigene Art Dekadenz reanimieren.

Zwischendrin baut „Olaf Jagger“ ziemlich geschickt Schuberts echten Proben- und Touralltag ein, der ihn im Düsseldorf der Neuzeit fast mit dem neuen Papi zusammenbringt, nach dem erwartbaren Fehlschlag dennoch zufrieden ein Wannenbad nehmen und die Chance auf Groupies vor dem Auge des Betrachters wachsen lässt.

Olaf und Mike nackt nebeneinander - auf Fotos

Und dann, als Olaf Schubert ein eigenes Foto – es zeigt ihn fesch mit entblößtem Oberkörper – neben das von Jagger setzt, will man mit ihm zusammen ganz fest an nicht nur gewisse Ähnlichkeiten glauben.

Warum aber hat Olaf im französischen Pocé-sur-Cisse, als er ziemlich unverfroren Jaggers mutmaßliches Château de Fourchette entert, die Fernsteuerung einer Drohne in der Hand? Die Antwort darauf gibt es vermutlich erst in den „Nicht verwendeten Szenen“ der Heimkino-Edition von „Olaf Jagger“. Bis dahin gilt im Gestühl deutscher Spielstätten mit Vorhang: „It’s only Olaf Schubert (but I like it).“

  • Der Film läuft in Dresden: PK Ost, Schauburg, Zentralkino, Rundkino sowie in Bautzen, Döbeln, Görlitz und Zittau