Von Sebastian Thiele
Endlich heißt es wieder: Vorhang auf! Noch nie sprach man diese Phrase so erleichtert aus. Nach einer gefühlten Ewigkeit werden die Bühnen wieder bespielt: Natürlich nur mit Mundnasenschutz, strenger Publikumsverknappung und allen Verordnungen. Aber „the dog days are over“ singen die Darsteller des Schauspielstudios. Mit zwei miteinander verzahnten Geschichten aus der Stückfolge „Suburban Motel“ eröffneten sie am Freitag die neue Spielzeit im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden.
Intellektuell geht es nicht zu, aber lustig bis tragisch. In der einen Geschichte kämpfen Elias Baumann und Richard Feist talentiert als die schmierigen Kontrahenten Michael und Dave. Selbstsüchtig und frauenverachtend reißen sie sich um Lorrie, gespielt von Kriemhild Hamann, die sich naiv zum Pornodreh überreden lässt. Einfache Typen, derbe Komik und unverblümter Fatalismus. Das ist in der anderen Story nicht anders. Zwei Loserfiguren, überzeugend gespielt von Marin Blülle und Anton Löwe, sind tolpatschige Kleinkriminelle, auf die am Ende nur der erlösende Kugelhagel wartet. Nur fallen einem angesichts der beiden und ihrer konzentriert agierenden Chefin Shirley (Isabella Krieger) einfach zu viele Filmvorbilder ein.

Mit seinen tragikomischen Milieustudien wurde der kanadische Autor George F. Walker bekannt. Doch die Verwandtschaft zu Quentin Tarantino, die das Programmheft verspricht, ist Erbschleicherei. Da fehlen erzählerische Überraschungen oder exzessive Action. Alle Szenen spielen in einem von Sabrina Rox symmetrisch konzipierten Motelzimmer. Links wie rechts haben brav Badewanne mit Duschvorhang plus Klo ihren Platz und im Zentrum thront das Bett. Dahinter leuchten je nach Bedarf Live-Film-Sequenzen des Bühnengeschehens oder Standbilder von Motelbude bis Sternenhimmel.
Wild schmeißt sich das Ensemble in die Rollen. Heiter, aber nicht sonderlich kreativ kostümiert hat sie Steffi Rehberg: Jogginghose hier, Lederjäckchen da und, na klar, eine Fellmütze ist immer lustig. Aber wirklich geschickt tobt und prügelt man auf Abstand. Professionell durchkomponiert hat Regisseur Philipp Lux das Ganze: Songs im Chor rhythmisieren den Abend, und wer besonders gut trällern kann, wie Marlene Reiter oder Leo Goldberg, der darf auch allein ans Mikro.

Der Musiker Vredeber Albrecht studierte eine abwechslungsreiche Palette ein. Auch sehenswerte Regie-Einfälle gibt es: So steckt Elias Baumann lange in einem Rollkoffer, denn er ist eingesperrt im „Kofferraum“. Oder Annie Nowak springt gefesselt in gewaltigen Schlusssprüngen quer vor der Bühne entlang. Aber die ganze Zeit über reibt man sich die Schläfen und fragt sich: Zu welcher Verarbeitungsleistung will mich diese Inszenierung einladen? Gibt es keine Probleme zu verhandeln?
Hier geht es um fast nichts. Und falls nebenbei auch Sozialdilemma Thema ist, so berührt das nicht. Okay, man sieht junge, gut geführte Darsteller, die einen Schauspielstudio-Jahrgang mit Potenzial zeigen. Aber allen Akteuren wünschte man einen relevanteren Stoff. Künstliche B-Movie-Figuren ohne Entwicklung können erheitern. Um sie allerdings ins Zuschauerhirn zu massieren, müssten die Abziehbilder wenigstens in einem trashigen Zaubertrankkessel lebendig werden. Na, vielleicht braucht das jetzt ein theaterausgehungertes Publikum nicht, denn Hauptsache, es wird gespielt. Wenn auch eine B-Komödie.
Suburban Motel im Kleinen Haus des Staatsschauspiel Dresden