Feuilleton
Merken

Welche Höhepunkte die Staatsoperette Dresden für die neue Saison plant

Mehr Zorn, Völlerei, Neid! Die Intendantin der Staatsoperette Dresden verspricht eine „Spielzeit der Superlative“ und hofft auf mehr Besucher.

Von Rainer Kasselt
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Image-Motiv für die Operetten-Produktion "Clivia" mit
Solistin Steffi Lehmann und Tänzer Marat Rahm.
Image-Motiv für die Operetten-Produktion "Clivia" mit Solistin Steffi Lehmann und Tänzer Marat Rahm. © Esra Rotthoff/Staatsoperette

Die sieben biblischen Todsünden haben es ins Programm der Staatsoperette Dresden geschafft. „Von Todsünden und Leidenschaften“ heißt das Spielzeitmotto 2023/24. Alle Stücke haben mehr oder weniger mit Hochmut, Habgier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Trägheit zu tun. Doch das Theater will uns nicht bekehren. Intendantin Kathrin Kondaurow setzt auf anregende Unterhaltung mit Tiefgang und verspricht sogar eine „Spielzeit der Superlative“. Warten wir es ab. Fünf Premieren wurden der Presse jetzt vorgestellt.

Im Oktober kommt Stephen Sondheims Musicalthriller „Sweeney Todd“ heraus und will „groteskes Gruselvergnügen mit beißender Gesellschaftskritik“ verbinden. Ein unrechtmäßig verurteilter Barbier beginnt einen Rachefeldzug gegen den Richter, der ihm Frau, Tochter und die Ehre genommen hat. Regie führt Martin G. Berger, der bereits Sondheims „Follies“ in Dresden inszenierte. Im Dezember folgt als Weihnachtsmärchen die Uraufführung des Balletts „Alice im Wunderland“ frei nach dem Kinderbuchklassiker von Lewis Carroll. Ballettdirektor und Choreograf Radek Stopka will ihn als „fantasievolles Tanzmärchen“ in Szene setzen.

Die Musik stammt vom vielseitigen Dresdner Komponisten Sven Helbig. Im April 2024 hebt sich der Vorhang für die Operette „Clivia“ von Nico Dostal. Alles dreht sich um eine Diva, die einen Schein-Ehemann zum Spielpartner wählt und „ein kinoreifes Drama“ auslöst. Nico Dostal trifft den Ton „der swing-inspirierten Unterhaltungsmusik der frühen 1930er-Jahre“, die ihm im NS-Deutschland „eine erfolgreiche Karriere sicherte“, schreibt Dramaturgin Judith Wiemers in der opulenten Spielzeitbroschüre. Der gefragte Peter Lund inszeniert erstmals an der Staatsoperette.

War in der aktuellen Spielzeit ein Hit und kommt in der nächsten Saison wieder: "Pippin" mit Gero Wendorff (l.) in der Titelrolle, Kerry Jean (Prinzipalin) und Sascha Luder.
War in der aktuellen Spielzeit ein Hit und kommt in der nächsten Saison wieder: "Pippin" mit Gero Wendorff (l.) in der Titelrolle, Kerry Jean (Prinzipalin) und Sascha Luder. © Pawel Sosnowski/Staatsoperette

Für die Überraschung des Spielplans sorgt im Juni Puccinis Opernhit „La Bohème“, der noch nie in der Operette gezeigt wurde. Üblicherweise ist das Meisterwerk großen Opernhäusern vorbehalten. An der Semperoper wird es seit Jahr und Tag gespielt. Mit dem berückenden Stück über Pariser Bohemiens erfüllt sich Chefdirigent Johannes Pell in seiner letzten Dresdner Spielzeit einen Herzenswunsch.

Er dirigierte „La Bohème“ bereits dreimal an anderen Theatern, nun studiert er es in deutscher Sprache ein. „Eine große Herausforderung für Ensemble und Orchester“, sagt er, „und eine große Freude.“ Matthias Reichwald vom Dresdner Staatsschauspiel wurde nach der erfolgreichen Revue „Zwei Krawatten“ erneut als Regisseur verpflichtet. Laut Konzept will er die komischen Momente der Oper, das Alltagsleben der Künstler betonen. „Natürlich wird Mimi am Ende auch bei uns sterben“, sagt die Intendantin.

Zum Abschluss der Saison wartet das 700 Zuschauer fassende Haus mit einem großen Doppelabend auf. Das Ballett „Die sieben Todsünden“ mit Musik und Text von Kurt Weill und Bertolt Brecht wird von Jörn-Felix Alt auf die Bühne gestemmt. Die Uraufführung der Stepptanz-Performance „100 Leidenschaften“ mit Musik von Konrad Koselleck ist eine Koproduktion mit der Leipziger Sebastian Weber Dance Company. Dieses Werk entsteht im Auftrag der Staatsoperette.

Mehr Vielfalt im Programm geht kaum

Fünf anspruchsvolle, auch mutige Premieren, mehr Vielfalt geht kaum. Zu den Neueinstudierungen gesellen sich neun Wiederaufnahmen, darunter „Die Fledermaus“, „Pippin“, „Polnische Hochzeit“ und „Im weißen Rössl“. Sonderveranstaltungen wie die Musikfilmreihe im Zentralkino, die Talkshow „Late Night Mitte“ oder das Forum „Früher war alles besser …?“ werden fortgesetzt. Neu ist das Konzert „Schöne Töne“ mit Musiker und Moderator Sven Helbig sowie die Operettenreihe „Heut` Abend lad` ich mir die Liebe ein“ mit Sopranistin Ingeborg Schöpf, die seit 1998 zum Ensemble gehört.

Man wünscht dem Haus ein aufgeschlossenes Publikum und vor allem mehr Besucher. Die Operette hat lediglich „stabil 60 Prozent“ Auslastung, so Kathrin Kondaurow, deren Vertrag bis 2029 verlängert wurde. Sie hofft auf mehr Gruppenreisen, mehr Touristen, mehr Abonnenten ab Herbst.

Merkwürdig: Weder zum Durchschnittsalter des Publikums noch zur Zahl der Abos ist die Chefin aussagefähig. Erfreulich: Die Eintrittspreise werden nicht erhöht. Sozial: Nach Ankündigung von Kultur-Bürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Die Linke) können Dresden-Pass-Besitzer ab neuer Saison entgeltfrei in die Operette, wenn 30 Minuten vor Beginn Plätze frei bleiben. Allerdings: Der Stadtrat muss noch zustimmen.