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Alkoholverbot am Dresdner Assi-Eck: Kritische Stimmen mehren sich

Dresden will in der Neustadt ein Alkoholkonsumverbot einführen. Bei einer Einwohnerversammlung prallen die Meinungen am Dienstagabend aufeinander.

Von Julia Vollmer
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Polizisten auf Patrouille am Assi-Eck. Immer wieder gibt es auf der Kreuzung in der Dresdner Neustadt Ärger.
Polizisten auf Patrouille am Assi-Eck. Immer wieder gibt es auf der Kreuzung in der Dresdner Neustadt Ärger. © Archiv/Benno Löffler

Dresden. Freunde treffen, Spaß haben: Der überwiegende Teil der Menschen in den Straßen der Dresdner Neustadt will einfach nur die milden Sommernächte genießen. Doch andere beschweren sich über Lärm, Müll und Scherben. Schwerpunkt ist die Kreuzung Louisenstraße/Görlitzer Straße/Rothenburger Straße - im Volksmund "Assi-Eck" genannt. Immer wieder hat es in den letzten Jahren Ärger zwischen Anwohnern und Feiernden gegeben.

In der Aula des Romain-Rolland-Gymnasiums ist es nun am Dienstagabend zur Aussprache gekommen. In der Einwohnerversammlung, zu der der Stadtbezirksbeirat Neustadt eingeladen hatte, ging es auch um das geplante Alkoholkonsum- und Alkoholverkaufsverbot im Umfeld der Problem-Kreuzung.

In diesem Beitrag erfahren Sie:

  • welche Pläne das Rathaus verfolgt
  • was die Anwohner zum geplanten Alkoholverbot sagen
  • wie der Kriminalpräventive Rat die Lage an der Kreuzung einschätzt
  • wer große Bedenken gegen das Alkoholverbot hegt und warum

Was schlägt das Rathaus vor?

Die Stadt plant sowohl ein Konsumverbot als auch ein Verbot des Mitbringens von Alkohol am "Assi-Eck". Gelten soll das Verbot am Eck von 20 Uhr bis 6 Uhr in der Nacht zum Samstag sowie in der Nacht zum Sonntag. Der zeitliche Beginn um 20 Uhr beruhe auf dem Umstand, dass die Wirkung des Alkohols erst zeitversetzt eintrete und hier der Schutz für die Nachtzeit ab 22 Uhr angestrebt werde, so die Verwaltung. Außerdem soll das Verbot am Abend vor einem Feiertag gelten.

Zusätzlich zum Alkoholkonsumverbot an der auch als "Schiefe Ecke" bekannten Kreuzung soll es zusätzlich ein generelles Alkoholabgabeverbot für den fußläufigen Umkreis der Kreuzung geben. Dazu gehören laut Stadt auch der Alaunpark und der Martin-Luther-Platz. Das heißt, dort darf kein Alkohol mehr aus Lokalen und Spätshops "nach draußen" verkauft werden. Gelten soll das Verbot am Eck ebenfalls von 20 Uhr bis 6 Uhr am Freitag und Samstag sowie vor Feiertagen.

Was sagen die Anwohner zu den Plänen?

Die Bürgerinitiative aus der Kunsthofpassage hat mit rund 300 Anwohnern eine Umfrage durchgeführt. "Dort gaben über 80 Prozent der Menschen an, sich von dem Müll und den Glasscherben belastet zu fühlen, und über 70 Prozent fühlen sich von den vielen Menschen an der schiefen Ecke gestört", sagte eine Vertreterin der Initiative am Dienstag.

Ein älterer Mann, der eigenen Angaben zufolge schon lange in der Neustadt wohnt, sagte, dass es tatsächlich lauter geworden sei und mehr Müll herumliege.

Ein Anwohner kritisierte die fortschreitende Gentrifizierung in der Neustadt und wünschte sich eine freiere Neustadt.

SPD-Stadtrat und Anwohner Vincent Drews wünschte sich vor den harten Maßnahmen erst einmal Ideen, wo sich denn Menschen treffen könnten, die abends gern draußen ein Bier trinken wollen. "Sonst sehen wir uns in zwei Jahren hier wieder und sprechen über den Martin-Luther-Platz, wohin die Menschen dann verdrängt wurden."

Welche Eindrücke hat die Stadt?

"Es ist wie am Ballermann." So eröffnete Johannes Schulz vom Kriminalpräventiven Rat die Versammlung am Dienstag mit Eindrücken von Anwohnern. Er spricht von einer großen "Beschwerdelage" am Eck und hunderten Menschen, die sich bis 4 oder 5 Uhr an der Kreuzung versammelten. "Es gibt einen sehr großen Anteil von alkoholisierten Menschen an den Straftaten, die an der Ecke begangen werden", so Schulz weiter.

Er betonte aber auch, dass die Stadt neben dem Alkoholkonsumverbot auch auf Prävention setzen will und schon auf Maßnahmen wie das Kommunikationsteam der Nachtschlichter gesetzt hat. Trotzdem gebe es viele Beschwerden und eine hohe Kriminalitätsrate. Schulz kündigte eine hohe Präsenz der Polizei und des Ordnungsamtes am Eck in diesem Sommer an. Außerdem sollen die Nachtschlichter ihre Arbeit fortsetzen. Geplant ist ebenfalls, den Scheunevorplatz zu bespielen.

Welche Bedenken gibt es?

Die Streetworkerin Heidi Hemmann von Safe-DD betonte im Vorfeld, dass bei den Maßnahmen am Eck auch die Folgen eines Alkoholkonsumverbots und eines Alkoholverkaufsverbots mit bedacht werden müssen. Sie macht mit ihrem Team in der Neu- und Altstadt suchtspezifische Straßensozialarbeit. "Ein Alkoholverbot wird zu einer Verdrängung der Menschen und zu einer Verlagerung an andere Orte führen", so die Sozialarbeiterin. Für sie und ihr Team seien die Menschen, die Hilfe benötigen, dann schwerer greifbar. "Außerdem würde ein Verkaufsverbot zu einem Verlust an Einnahmen bei den Pfandsammlern führen, die diese dringend brauchen", so Hemmann.

Die Neustadtpiraten lehnen das Alkoholverbot ab. Jan Kossick, Stadtbezirksbeirat in der Neustadt für die Piraten, moniert: "Das Maßnahmenpaket aus Nachtschlichtern, Klubkultursommer, Nette Toilette, Geisterkampagne sowie regelmäßiger Polizeikontrollen ist kaum evaluiert. Dieses jetzt als gescheitert zu erklären und eine Polizeiverordnung – sozusagen das letzte Mittel – durchzudrücken, ist unverständlich und ein unüberlegter und dramatischer Schnellschuss." Es werde zu Verdrängungseffekten kommen, ist sich Kossick sicher. Er zählt den Martin-Luther-Platz, Scheune-Vorplatz und Alaunpark auf.

"Die letzte Neustadtprohibition führte nur zu einem Sterben von Spätshops, den Alkoholkonsum hat das Verkaufsverbot kaum beeinflusst", so Martin Schulte-Wissermann, Stadtrat und OB-Kandidat für die Piraten.