Dresden. In Zeiten der Pandemie werden viele Freiwillige gebraucht. Ob im Pflegeheim, beim Einkaufen oder bei der Nachhilfe - Ute Meckbach von der Dresdner Ehrenamtsplattform "ehrensache.jetzt" vermittelt Freiwillige an Vereine und Initiativen. Im Interview erklärt sie, wie sich das Ehrenamt durch Corona verändert hat.
Frau Meckbach, hat die Pandemie das Ehrenamt bestärkt?
Die Corona-Zeit hat das Bedürfnis des Menschen zu helfen wieder stark aktiviert. Wir haben aber gemerkt, dass sich das Hilfsangebot parallel zu den Corona-Wellen auf und ab entwickelt hat.
Wie denn?
Zu Beginn der Pandemie gab es mehr Hilfsangebote als Bedarf. Viele hätten gern etwas getan in der Situation, in der wir zum Stillstand genötigt wurden. Aber die Zahlen waren am Anfang nicht so schlimm, da gab es nicht viele Hilfsbedürftige.
Wie war es dann im vergangenen Winter, als die Infektionszahlen in Dresden rasant stiegen?
Da haben viel mehr Menschen Hilfe gebraucht. Manche waren in Quarantäne und konnten nicht einkaufen gehen. Auch Pflegeheime brauchten Unterstützung. Es haben sich aber immer genug Freiwillige bei uns gemeldet. Das war ein gutes Miteinander, selbst an den Weihnachtsfeiertagen haben wir Helfer gefunden.
Und jetzt kurz vor der Omikron-Welle?
Was Omikron anrichten wird, kann ich noch nicht einschätzen. Mein Gefühl ist: Wir sind alle etwas müde geworden. Es melden sich genug Freiwillige, aber nicht mehr so viele wie am Anfang.
Bestimmt haben sich viele Freiwillige für die Pandemie-Hilfe gemeldet.
Von den Vereinen kriegen wir das Feedback, dass sich fast immer mehr Helferinnen und Helfer melden, als sie brauchen. In den zwei Jahren waren bei uns 60 Hilfsgesuche im Handlungsfeld „Corona-Hilfe“ online, 17 davon kamen von Pflegeheimen. Sie wurden 5.000-mal angeklickt. Manche Heime haben zehn und mehr neue Freiwillige über uns gefunden. Einige sind bis heute dabeigeblieben.
Vor kurzem haben Sie mit der Stadt Dresden Bürger aufgerufen, in Pflegeeinrichtungen zu helfen. Sind die Freiwilligen schon im Einsatz?
110 Dresdner und Dresdnerinnen haben sich bei der Stadt registrieren lassen, sind aber noch nicht im Einsatz. Sie werden eingesetzt, wenn die Heime SOS rufen. Wir wissen noch nicht, wie sich Omikron auf die Heime auswirken wird.
Ein Pfleger hat der SZ gegenüber geäußert, dass er den Aufruf als „Aberkennung der Pflege“ wahrnimmt. Er sorgt sich, dass Freiwillige den Pflegenotstand retten sollen.
Das Ehrenamt soll und kann nicht das Hauptamt ersetzen. Wir haben den Aufruf geschaltet, weil es um eine akute Notlage geht. Wir sehen Ehrenamtliche nicht in der Rolle, so große Probleme wie den Pflegenotstand zu lösen. Sie können mit Hilfstätigkeiten das hauptamtliche Personal entlasten, also begleiten, einen Tee bringen, vorlesen oder beim Testen der Besucher helfen.
Wo sehen Sie Grenzen beim Ehrenamt?
Wenn keine Gemeinnützigkeit dahintersteckt und wenn man regelmäßig mehr als fünf Stunden in der Woche arbeiten soll. Da werden wir skeptisch.
Wer sind die Freiwilligen, die sich gemeldet haben?
Alte und Junge, Männer und Frauen. Studierende, Arbeitslose, Künstlerinnen. Es sind alle dabei.
Warum leisten Menschen ehrenamtliche Corona-Hilfe?
Weil es Spaß macht, gebraucht zu werden. Es ist nützlich für die Gesellschaft, man hat etwas zu tun, man hat eine Aufgabe, einen Sinn.
Wie konnten denn die Menschen konkret in der Pandemie durch das Ehrenamt unterstützt werden?
Es gab und gibt neben der Pflegeheimhilfe auch Telefon- und Briefpatenschaften, Besuchsdienste für Senioren, Lernpatenschaften für Kinder. Maskennähprojekte wurden anfangs gestartet. Wir haben auch Laptop- und Druckerspenden von Firmen an Vereine vermittelt, die Nachhilfe für Kinder und Jugendliche anbieten.
Seit März 2020 gab es die Einkaufshilfen – wie wurden sie angenommen?
Im vergangenen Winter wurden wir sehr oft angerufen. Um Weihnachten 2020 rum hatten wir drei bis sechs Anfragen pro Tag. Die Zahl der Anfragen hat ab dem Frühjahr wieder abgenommen. Aktuell melden sich kaum noch Menschen in Quarantäne bei uns. Sie haben sich eingerichtet und selbst Hilfe organisiert.
Die Einkaufshilfe hat sich besonders an ältere Menschen gerichtet.
Aber auch an neue Hinzugezogene. Wir hatten zum Beispiel eine WG mit Studierenden. Sie sind erst neu aus China nach Dresden gekommen und kannten niemanden. Da mussten wir jemanden finden, der einen chinesischen Einkaufszettel lesen kann. Hat geklappt. Wir haben mehrfach Hilfe von Integrationsvereinen bekommen.
Die Einkaufshilfe ist auch ein Zeichen dafür, dass wir als Gesellschaft anonymer geworden sind.
Die Einkaufshilfe war ein schönes und trauriges Zeichen zugleich. Sie bedeutet ja, dass manche Menschen so einsam sind, dass sie keine Nachbarin, keinen Kollegen und keine Verwandten haben, die für sie in der Not da sind.
Haben Sie eine Geschichte, die Sie besonders ergriffen hat?
Da gab es einige. Bei den Nachtcafés für Obdachlose im letzten Winter haben sich über die Plattform 150 Leute gemeldet. Oder beim DRK-Impfzentrum, dort hat man Hilfe für die Dokumentation fürs Robert-Koch-Institut gebraucht. Also eher eintönige Kopier-Aufgaben. Das DRK musste seine Inserate schnell wieder stoppen, weil sich so viele Freiwillige gemeldet hatten.
Hat die Corona-Pandemie auch negative Auswirkungen auf das Ehrenamt?
Viele Vereine konnten ihre ursprünglichen Projekte nicht durchführen. Viele haben die Nase voll vom Digitalen und dem gemeinsamen Turnen vor dem Computer. Sie sehnen sich nach der Gemeinschaft. Man merkt auch, dass sich einige ins Private zurückgezogen haben. Sie wollen keine Feste und Projekte organisieren, die dann doch abgesagt werden. Frischluft-Ehrenämter hatten allerdings einen Aufschwung durch Corona: allein draußen Müllsammeln, auf dem Friedhof aushelfen…
Wenn man selbst ein Ehrenamt machen möchte, was braucht man dafür?
Die Internet-Plattform "Ehrensache jetzt" hat seit Beginn der Corona-Pandemie eine Welle der Hilfsbereitschaft erlebt. Das Portal ist dafür zuständig, zwischen Vereinen, Initiativen und Dresdnern zu vermitteln, die sich gerne ehrenamtlich engagieren möchte - ob Corona-Hilfe, Naturschutz oder Jugendarbeit.