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Dresdner Straßensozialarbeiter: "Wir stoßen immer wieder auf Menschen mit finanziellen Nöten"

Der Bedarf von jungen Menschen und Familien an Unterstützung in Dresden wächst. An diesem Donnerstag machten Träger der sozialen Arbeit darauf aufmerksam. Sie kämpfen für eine weitere Finanzierung.

Von Julia Vollmer
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Die beiden Streetworker der Diakonie Dresden, Sascha König und Alexa Stolze, helfen jungen Menschen in der Neustadt.
Die beiden Streetworker der Diakonie Dresden, Sascha König und Alexa Stolze, helfen jungen Menschen in der Neustadt. © Matthias Rietschel

Dresden. Wohnungslosigkeit, Suchterkrankungen und Leistungsdruck in der Schule. Das sind nur drei der Themen, mit denen viele junge Menschen in Dresden kämpfen. Und mit ihnen ihre Familien. Hilfe bekommen sie dabei von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern aus der Jugendhilfe, Familienhilfe und Gleichstellungsarbeit.

Um auf ihre Arbeit und den stetig wachsenden Bedarf an Hilfe und Unterstützung aufmerksam zu machen, haben dutzende freie Träger für den Donnerstag zu einer Kundgebung am Dr.-Külz-Ring aufgerufen, unter ihnen Outlaw, die Treberhilfe, der Gerede e. V., der Ausländerrat und viele weitere.

Die Forderung: Finanzierung der Projekte und Unterstützung für die Zielgruppen sichern.

"Das große Thema, was wir sehen, wenn wir mit jungen Menschen arbeiten, ist Konsum"

Eines dieser Projekte, das sich um Jugendliche und junge Erwachsene in der Neustadt kümmert, ist die Mobile Jugendarbeit Neustadt der Diakonie Dresden. Zielgruppe hier sind die 14- bis einschließlich 26-Jährigen. "Das große Thema, was wir sehen, wenn wir mit jungen Menschen arbeiten, ist das Thema Konsum. Sowohl von Alkohol als auch Mischkonsum mit anderen Substanzen", erzählt Streetworker Sascha König. Dazu kommen Perspektivlosigkeit und Zukunftsangst.

Wichtig ist es, so beobachten es Sascha König, seine Kollegin Alexa Stolze und ihr Team, dass sie für die jungen Menschen da sind und sie ihnen Unterstützung anbieten. "Wir machen intensive Einzelarbeit, sind auf Streetworkrunden unterwegs und stoßen dabei in Gesprächen immer wieder auf Probleme wie finanzielle Nöte und Wohnungslosigkeit", sagt König. Dabei sei es besonders nötig, eine Beziehung zu den Menschen aufzubauen. Das dauere oft Jahre. Wichtig ist den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, dass die Nutzer freiwillig zu ihnen kommen.

Zuletzt waren im Kiez auch immer neue Überfälle von Jugendlichen auf Jugendliche ein großes Thema. "Hier haben wir geraten, sich Hilfe zu suchen und nicht mehr alleine, sondern eher in Gruppen unterwegs zu sein." Eine große Erleichterung.

"Ein großes Thema sind darüber hinaus immer wieder die fehlenden Freiflächen und Treffpunkte für junge Menschen. An vielen Orten, etwa im Alaunpark oder am "Assi-Eck", hätten die Jugendlichen das Gefühl, sie stören. Jedoch mangele es an alternativen Treffpunkten.

Etwa 300 Jugendliche und junge Menschen kennt und begleitet die Mobile Jugendarbeit Neustadt. Sie setzen auf niedrigschwellige Angebote wie ein Graffiti-Projekt, gemeinsames Kochen und auch den Band-Proberaum, den sie jungen Nachwuchsmusikern zur Verfügung stellen. "Wir wollen diese Angebote machen und dabei mit den jungen Menschen ins Gespräch kommen. Dabei öffnen sich viele Menschen auch leichter und erzählen dann von ihrer aktuellen Lebenssituation", erzählt König. "Dann können wir auch unterstützen, bei Anträgen fürs Jobcenter oder für das Sozialamt oder dabei eine Wohnung zu bekommen."

Der knappe und fehlende Wohnraum bereitet Sascha König große Sorgen. Wie viele andere Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter beobachtet er, dass es immer schwieriger wird, Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, wieder in eine Wohnung zu vermitteln. Sie sind in der Neustadt und am Jägerpark unterwegs. Im Rucksack haben sie Tee im Winter oder Eistee als Erfrischung im Sommer dabei, Snacks sowie Infoflyer zu verschiedenen Thematiken.

Neben den Suchterkrankungen ist auch das Thema Leistungsdruck in der Schule eine Problematik, die junge Menschen immer stärker beschäftigt. So können manche an Angeboten der Jugendarbeit nicht teilnehmen, da sie so viel für nächste Klassenarbeiten zu tun haben.

Forderung der Träger: Personalkosten sichern

Um darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig Projekte wie diese sind, versammelten sich die Träger vor der Altmarktgalerie und hatten Forderungen an die Verwaltung und die Stadträte im Gepäck. Denn im Herbst wird der neue Doppelhaushalt verhandelt. Die Stadt wollte sich auf Anfrage zu den möglichen Budgets für den sozialen Bereich nicht äußern. Robert Seliger vom Stadtjugendring und Christian Schäfer-Hock vom Ausländerrat forderten stellvertretend für alle unter anderem eine bessere Planungssicherheit über den Zweijahres-Rhythmus, der aktuell an den Doppelhaushalt geknüpft ist , hinaus. "Fördermittelbescheide müssen rechtzeitig versendet werden, damit Miet- und Personalverträge abgeschlossen werden können, und wir brauchen ausreichend Personal und Sachmittel, um den Beratungsbedarf decken können", sagen sie. Alexander Bahr vom Gerede e.V. sagte: „Wir stehen als Projekte heute wieder einmal hier, weil wir das Damoklesschwert der Finanzkürzungen über unseren Köpfen deutlich spüren: es kostet Arbeitszeit und es kostet Kraft, immer wieder für das doch Offensichtliche kämpfen zu müssen.“

Kinderbeauftragte Anke Lietzmann erklärte sich solidarisch mit den Trägern. "Kinder und Jugendliche in der Stadt brauchen die Angebote und die Hilfe der Sozialarbeitenden", sagt sie.

Grünen-Stadträtin Tina Siebeneicher sagt:“Ob Kindertreff, Jugendclub oder Fußball-Fansozialarbeit - Dresden hat viele Angebote für junge Menschen, die auch in Zukunft solide finanziert werden müssen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt mit Politik und Verwaltung darüber ins Gespräch zu kommen.“ Ähnlich sieht das auch Linken-Stadträtin Pia Barkow: ."Begegnungsstätten für Senioren, Jugendtreffs oder Vereinsarbeit für Frauen und all die weiteren sozialen Einrichtungen sind wichtig.“ Sie blickt sorgenvoll in die Zukunft. „Es droht eine Politik der sozialen Kälte, die Vertreter von CDU und AfD auf Bundesebene schon kräftig befeuern.“