Der Influencer unter den Dresdner Straßenbahnfahrern

Dresden. Irgendwas vom Lebenstraum zu erzählen, das wäre Quatsch. Maik Zeuge hat als Kind auch nicht am liebsten mit kleinen Straßenbahnen gespielt oder ist mit seinem Opa den ganzen Sonntag staunend durch die Stadt gefahren. Ehrlich gesagt waren Straßenbahnen für ihn bis vor drei Jahren ein ganz normales Fortbewegungsmittel.
Eines Tages fiel dem heute 43-Jährigen eine Werbung in der Bahn auf: Straßenbahnfahrer gesucht. Spontan fühlte er sich angesprochen und bewarb sich als Quereinsteiger bei den Dresdner Verkehrsbetrieben. Gelernt hatte er eigentlich mal Lagerfachhelfer. Zuletzt war Maik Zeuge für ein Dresdner Sanitätshaus im Außendienst beschäftigt.
Das änderte sich im Sommer 2019 innerhalb weniger Wochen. Nach einer kurzen aber intensiven Ausbildung war sein Platz in der Straßenbahn auf einmal der ganz vorn. "Ich habe sofort gemerkt: Das ist es jetzt. Ich fühle mich angekommen. Das will ich bis zum Schluss machen", sagt er heute. Als seine drei Kinder noch klein waren, wäre das mit den Schichtdiensten nicht vorstellbar gewesen. Inzwischen sind sie aber 14, 15 und 23 und und müssen von Papa nicht mehr aus der Schule abgeholt werden.

"Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich alles fahren will", sagt Maik Zeuge. "Auch nachts." Mit vollem Eifer stürzte er sich in die neue Aufgabe und begann irgendwann damit, sein berufliches Glück in den sozialen Medien zu teilen. Sein naheliegendes Pseudonym: tramdriver_dresden.
Sein erstes Foto bei Instagram, das er am 2. April 2020 postete, zeigt blühende Narzissen in Tolkewitz mit seiner Straßenbahn im Hintergrund. Dazu schrieb er: "Endlich Frühling". Dafür gab es 81 Likes.
Über viele Monate hinweg veröffentlichte Maik Zeuge gelb-schwarze Straßenbahnen aus allen Perspektiven, an allen erdenklichen Ort, zu jeder Tageszeit und bei jedem Wetter. Manchmal postete er auch kurze Videos. Die Zahl seiner Follower stieg zunächst langsam aber stetig.
Der "Tramdriver" wird zur Marke
Vor einem halben Jahr hatte er es immerhin schon auf rund 3.000 Fans gebracht, die ihn über die Fotos und Filmchen bei der Arbeit begleiteten. Was dann passierte, das weiß wohl nur Instagram selbst. Innerhalb kurzer Zeit stieg der Follower-Zahl des Dresdner "Tramdrivers" in unerwartete Höhen. Erst waren es 8.000, dann 15.000 und wenige Tage später fast 20.000 Fans. "Ich kann mir selbst nicht erklären, wie das kommen konnte", sagt Maik Zeuge, der allerdings keineswegs den Eindruck macht, dass ihm der kleine Ruhm unangenehm sei. Zuletzt hat er drei Krawattennadeln in Straßenbahnoptik privat gekauft und unter seinen Anhängern verlost.
Ein zehn Sekunden langes Video, das die Straßenbahnlinie 2 auf der Schweriner Straße zeigt, wurde gerade mehr als 16.000 Mal gelikt. Als Hashtags ergänzte er unter anderem #öpnv, #niederflurwagen und #lieblingslinie. Zeuge vermutet, dass Instagram besonders die kurzen Filme zuletzt häufig ausspielte und ihm somit überregionale Bekanntheit bescherte. Wie ein Profi unterlegt er die Videos immer mit derselben Musik. So wird der "Tramdriver" zur Marke.
Dazu kommt, dass dieser scheinbar immer gute gelaunte Straßenbahnfahrer einfach ein cooler Typ ist, dem man sogar zutraut, einem renitenten Fahrgast mit einem Lächeln dazu zu bringen, seine Maske über die Nase zu ziehen. Probleme habe er während seiner drei Jahre im Dienst noch nie gehabt, auch keine Unfälle.
Auf einigen Bildern zeigt sich Maik Zeuge mit Kollegen, meist aber lässt er die Bahnen für sich selbst sprechen. Immer wieder tauchen auf seinen Bildern auch die alten Tatras auf, was besonders Nostalgiker genauso erfreut, wie Videos der Kirnitzschtalbahn.
Wer es moderner mag, den versorgt er bereits mit Fotos der neuen Dresdner Straßenbahn, die noch gar nicht im Linienverkehr unterwegs ist. Wenn die "Dicke" im Frühjahr zunächst auf der Linie 2 zum Einsatz kommt, dann wird Maik Zeuge zu den ersten Fahrern gehören, die sie steuern dürfen. "Das macht einen schon ein bisschen stolz", sagt er.
Sein Arbeitgeber nimmt Zeuges Entwicklung zum Straßenbahn-Influencer unterdessen äußerst wohlwollend zur Kenntnis. "Den Instagram-Account verfolgen wir im Unternehmen durchaus aktiv", sagt DVB-Sprecher Falk Lösch. "Seine Fotos wirken realistisch und praxisnah. Besser geht es nicht. Kein Wunder also, dass er schon so viele Follower hat."

Lösch betont, dass Zeuge für seinen privaten Account keinerlei Vorschriften bekomme. "Er hat selbst ein gutes Gespür dafür entwickelt, was man öffentlich posten sollte und was vielleicht schützenswerte interne Abläufe im Unternehmen sind."
So ist Maik Zeuge ganz nebenbei zum Werbegesicht der Dresdner Verkehrsbetriebe geworden - und hat eine Menge Spaß dabei. "Ich bekomme so viel positive Nachrichten", sagt er. "Inzwischen werde ich schon in der Stadt gegrüßt und beim Einkaufen angesprochen." Wer weiß, vielleicht muss der "Tramdriver" bald auch Autogrammkarten unterschreiben.