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Deutschlehrer für geflüchtete Ukrainer in Dresden: "Sprache ist nicht ihre einzige Sorge"

Vor allem Älteren fällt es schwer, eine neue Sprache zu lernen. Beim ASB in Dresden bemühen sich Senioren aus der Ukraine trotzdem darum - mit Reinhards Hilfe.

Von Nadja Laske
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Alex (l.) senkt den Altersdurchschnitt im Seniorenkurs. Doch das Angebot ihres Lehrers Reinhard nimmt er ebenso dankbar an wie Svitlana.
Alex (l.) senkt den Altersdurchschnitt im Seniorenkurs. Doch das Angebot ihres Lehrers Reinhard nimmt er ebenso dankbar an wie Svitlana. © Sven Ellger

Dresden. Sie würde es anders ausdrücken als die Kinder. Schließlich ist Svitlana eine ältere Dame. Sie schätzt feine Sprache, kann jedoch gut verstehen, was die Schüler über ihren Lehrer Reinhard sagen: Streng, aber cool sei der. Früher hat er als Helfer im Hort die Kleinen bei den Hausaufgaben unterstützt. Heute unterrichtet er Senioren, die wie Svitlana aus der Ukraine nach Dresden gekommen sind.

Als er das Hortzimmer gegen den Klubraum im ASB Begegnungszentrum "Luise" in Löbtau eingetauscht hat, war er also schon geübt darin, Anleitung im Unterrichtsfach Deutsch zu geben. Genau solch einen Mitarbeiter hatte Hanna Wagner, Leiterin der Einrichtung, gesucht und war im Internet einen eher unkonventionellen Weg gegangen.

"Ich bin viel auf Ebay-Kleinanzeigen unterwegs", erzählt Reinhard. Häufig habe er da Möbel und Hausrat für Geflüchtete gefunden, denen er dabei half, Fuß im neuen Leben zu fassen. Dieses Mal aber hatte er nicht in der Einrichtungsrubrik, sondern unter "Nachbarschaftshilfe" gesucht - und fand Hanna Wagners Eintrag.

Die war von Kollegen eines anderen Trägers gebeten worden, auch ukrainische Senioren in ihr Begegnungszentrum einzuladen. "Aber die Verständigung war extrem schwierig. Ohne Deutschkenntnisse konnte das nicht funktionieren." Die Zeit drängte, da erschien ihr das Kleinanzeigen-Portal als der kürzeste Weg, einen Lehrer zu finden.

Nun sitzen jede Woche Svitlana und andere ältere Teilnehmer an Reinhards Tisch. Aber auch Alex ist dabei. Als 41-Jähriger senkt er den Altersdurchschnitt und den Lernfortschritt gleichermaßen an. Je älter, desto schwerer fällt das Lernen. Das ist normal - und eine große Herausforderung für beide Seiten: Schüler und Lehrer.

Alex und Svitlana verpassen keine Unterrichtsstunde und versäumen nie ihre Hausaufgabe. Als Vater einer großen Familie hätte Alex eigentlich auch ohne Deutschkurs jede Menge zu tun. Doch zusätzlich zu seinem offiziellen Sprachkurs kommt er einmal die Woche in Reinhards Kurs. "Weil ich noch mehr lernen will", begründet er. So bald wie möglich will er fit für eine Arbeitsstelle sein, vielleicht als Schweißer, wie in seiner Heimatstadt Odessa.

"Meine beiden Söhne sind an der Front"

Svitlana kam schon bald nach dem russischen Angriff auf die Ukraine aus Mykolaiv nach Deutschland und lebt nun seit einem Jahr hier. "Meine beiden Söhne sind an der Front", sagt sie und überlächelt höflich ihren Schmerz. Beim Deutschlernen sind ihre Gedanken auf neue Wörter, die Grammatik und wenigstens vorübergehend fort von ihrer Sorge gelenkt. Auch deshalb vertieft sie sich so sehr in den Unterrichtsstoff, dass kaum mehr Zeit für ihre Hobbys Stricken und Astrologie bleibt.

Doch nicht nur Vokabeln, Satzbau und Fälle stehen auf dem Programm. Reinhard versucht, seine Kursteilnehmer ganz praktisch ins deutsche Leben mitzunehmen. Nachdem er im Kurs die Hausaufgaben besprochen hat, erklärt er den politischen Aufbau der Bundesrepublik und das medizinische System. Weniger bürokratisch geht es zu, wenn er zum gemeinsamen Einkaufen und Kochen oder zu Museumsbesuchen einlädt.

"Das alles kann dabei helfen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen", sagt er. Schließlich haben sie Sorgen und Nöte, brauchen vielfältig Unterstützung. Wer sich wie Svitlana um seine Kinder ängstigt, kämpft mit mehr als nur mit deutschen Vokabeln. Wer für eine ganze Familie ein neues Leben aufbauen muss, braucht Kräfte, die weit über die Sprachkenntnis hinausgehen.

"Ich bin Rentner mit einem kleinen Budget", sagt Reinhard, der in seinem Leben nicht nur Glück erlebt hat. Chemiefacharbeiter ist er gewesen, später Buchbinder, hat beim Bau gearbeitet und sich als Rentner nie wirklich zur Ruhe gesetzt. Kochkurse, Schachkurse, Sprachkurse - immer suchte er sich Aufgaben, die ihm und anderen Freude brachten. Meistens ehrenamtlich. Mit seinem Geld komme er klar, sagt er, Wohlstand sei halt nicht alles. Der Umgang mit seinen Kursteilnehmern relativiere vieles. Nützlich zu sein, das ist Reinhard wichtig. "Denn auch Helfen kann unheimlich glücklich machen."

ASB Begegnungszentrum "Luise", Braunsdorfer Straße 13, Deutschkurs für Senioren, jeden Donnerstag, 16.30 Uhr bis 17.30 Uhr, und viele weitere Angebote, Anmeldung per Telefon: 4241734, Teilnahme 2 Euro pro Stunde.

www.asb-dresden-kamenz-de