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Mitten in der historischen Altstadt: Großputz in Dresdens ältestem Kanal

Ein Super-Saugfahrzeug holt Dutzende Kubikmeter Sand, Geröll und Schlamm aus Dresdens ältestem Kanal. Wie das ganz schonend gelingt.

Von Peter Hilbert
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Frank Seidel hält den Schlauch, mit dem Schlamm und Geröll aus Dresdens ältestem Kanal an der Schinkelwache abgesaugt werden. Sein Kollege Mario Hahn schiebt als Sicherheitsposten den Schlauch nach und hilft seinem Kollegen, mit dem er sich abwechselt.
Frank Seidel hält den Schlauch, mit dem Schlamm und Geröll aus Dresdens ältestem Kanal an der Schinkelwache abgesaugt werden. Sein Kollege Mario Hahn schiebt als Sicherheitsposten den Schlauch nach und hilft seinem Kollegen, mit dem er sich abwechselt. © Peter Hilbert

Dresden. Der Theaterplatz und die benachbarte Sophienstraße sind mit Zwinger, Semperoper, Hofkirche und Residenzschloss von beeindruckenden Bauwerken umgeben. Darunter prägen Anlagen die Unterwelt, die von der langen Baugeschichte der einstigen Residenzstadt zeugen. So wird dort durch Dresdens ältestes noch genutztes Kanalnetz Regenwasser abgeleitet. Die 1,40 Meter hohen Hauptröhren, die nach neuesten Erkenntnissen in den 1670er-Jahren gebaut wurden, waren einst mit den Kanälen im heutigen Zwingerhof verbunden.

Maschinist Maik Leonhardt arbeitet mit dem Hochleistungs-Saug- und dem Begleitfahrzeug inmitten der barocken Altstadtkulisse. An der Schinkelwache haben er und seine Kollegen den fast 500 Jahre alten Kanal gereinigt.
Maschinist Maik Leonhardt arbeitet mit dem Hochleistungs-Saug- und dem Begleitfahrzeug inmitten der barocken Altstadtkulisse. An der Schinkelwache haben er und seine Kollegen den fast 500 Jahre alten Kanal gereinigt. © Peter Hilbert

Direkt daneben mündet eine Röhre an der Schinkelwache in Dresdens ältesten Kanal ein, durch den noch Regenwasser fließt. Dort steht an diesem Vormittag Maschinist Maik Leonhardt von der Kesselsdorfer Firma Berndt Rohr- und Kanalservice neben seinem Hochleistungssaugfahrzeug und einem weiteren Begleitfahrzeug mit Schläuchen, Werkzeug und weiterem Zubehör. "Das Ambiente vor diesem geschichtsträchtigen Hintergrund ist für uns schon etwas Besonderes", sagt der 30-jährige Fachmann. Während er oben die Technik bedient, sind seine beiden Kollegen Frank Seidel und Mario Hahn vier Meter tiefer in der uralten Röhre im Einsatz. Denn sie wird von Sand, Geröll und Schlamm befreit. Aufgrund der Bedeutung des Bauwerks ist auch Geschäftsführer Mathias Berndt mit vor Ort.

In einem Buch über das Residenzschloss war Kanalnetzchef Frank Männig von der Stadtentwässerung im vergangenen Jahr auf den alten Kanal gestoßen. Das Sandsteinbauwerk ist 1,84 Meter hoch und 70 Zentimeter breit. Wahrscheinlich ist es zu Beginn des Schlossumbaus unter Kurfürst Moritz ab 1548 entstanden. Der uralte Kanal verläuft von der Sophienstraße schräg unter dem Fußweg und der südlichen Ecke der Schinkelwache hindurch und hat drei Abzweige in Richtung Schloss.

Im April wurde diese Röhre hinab in Dresdens ältesten noch genutzten Kanal fertiggestellt. Dort geht es vier Meter tief hinab.
Im April wurde diese Röhre hinab in Dresdens ältesten noch genutzten Kanal fertiggestellt. Dort geht es vier Meter tief hinab. © Peter Hilbert

Mitte Mai hatte die Reinigung begonnen. Möglich ist das jetzt, da die Stadtentwässerung mit einem neuen Schacht neben der Schinkelwache einen direkten Zugang geschaffen hat. Und nun folgt der Großputz. "Unser Hochleistungs-Saugfahrzeug funktioniert wie ein überdimensionierter Staubsauger", erklärt Firmenchef Berndt. Eine große Vakuumpumpe bewegt stündlich rund 10.000 Kubikmeter Luft, die im Kanal Dreck, Geröll und Schlamm über den großen Schlauch in den acht Kubikmeter fassenden Kessel saugen.

Im Seitenkanal in Richtung Schloss muss Frank Seidel eine Hacke einsetzen, um die harte Dreckschicht zu lösen.
Im Seitenkanal in Richtung Schloss muss Frank Seidel eine Hacke einsetzen, um die harte Dreckschicht zu lösen. © Peter Hilbert

Keine einfache Aufgabe. Schließlich wird die kompakte Schmutzschicht in der etwa 60 Meter langen, leicht geneigten Röhre vom Schacht in Richtung Hauptkanal unter der Sophienstraße immer stärker. "War sie am Anfang noch 20 Zentimeter stark, so ist sie am Ende bis zu 40 Zentimeter hoch", berichtet Firmenchef Berndt. Schon am ersten Tag war der Kessel des Saugfahrzeugs voll, sodass die ersten acht Kubikmeter zur Deponie gebracht wurden. Aufgrund der historischen Bedeutung der Röhre werde hier nicht mit einem Hochdruck-Saug- und Spülfahrzeug gereinigt, sondern sehr schonend vorgegangen.

Im Untergrund sorgen die Techniker für Nachschub. Während Frank Seidel vorn den Schlauch hält, teilweise mit Hacke, Spaten oder Schaufel den Schmutz löst, sichert ihn sein Kollege Mario Hahn und schiebt den Schlauch nach. Ab und zu wechseln sie sich ab. Für den Fall der Fälle haben sie auch ein Gaswarngerät am Mann und per Sprechfunk ständige Verbindung zu Maschinist Leonhardt in der Oberwelt. Der steht mit einem Seil am Dreibock bereit, falls im Notfall ein Kollege nach oben geholt werden müsste. Doch das ist nicht notwendig.

Geschafft: Das Kesselsdorfer Team der Kanalfirma Berndt hat an der Schinkelwache eine besondere Aufgabe gelöst, von vorn.: Mario Hahn, Frank Seidel, Mathias Berndt und Maik Leonhardt.
Geschafft: Das Kesselsdorfer Team der Kanalfirma Berndt hat an der Schinkelwache eine besondere Aufgabe gelöst, von vorn.: Mario Hahn, Frank Seidel, Mathias Berndt und Maik Leonhardt. © Peter Hilbert

Am Ende hat das Saugfahrzeug rund 40 Kubikmeter Schmutz nach oben geholt. Am Donnerstag konnte Vollzug gemeldet werden. "Das war für uns ein ungewöhnlicher Einsatz inmitten solch bedeutender Gebäude wie dem Residenzschloss und dem Zwinger", resümiert Firmenchef Berndt. "Selbst unter der Erde gibt es noch uralte Gemäuer, von denen wir jetzt eins ordentlich reinigen konnten", sagt er mit Blick auf Dresdens ältesten Kanal.