Dresden. Was war das doch ein herrliches Winterwetter an diesem Wochenende! Selten war es so ein Vergnügen, durch die sonst doch eher eintönige Dresdner Heide zu stapfen. Auf kleinen, abgelegenen Wegen enfloh ich dem Menschenandrang der breiten Forstwege und verlor mich im Winterwunderwald - genauso aber auch die Zeit aus dem Blick.
Es war schon weit nach Mittag und ich hatte Hunger. Bis zum Gasthaus Heidemühle war es noch ein ganzes Stück - und würde ich da überhaupt etwas zu essen kriegen?
Ein Blick auf die Internetseite machte mir keine Hoffnungen. Ich nahm trotzdem die Richtung auf. Bald kamen mir Menschen mit dampfenden Bechern und Ketchup-verschmierten Fingern entgegen. Hier war ich richtig!
Erzgebirgische Lángos, Quarkkrapfen, gebrannte Mandeln, Crêpes... Mit so einem Angebot hatte ich mitten im Wald nicht gerechnet.
Die Schlange war lang, Abstände wurden bestmöglich eingehalten. Genug Zeit, um das kulinarische Angebot ausgiebig zu studieren. Plötzlich war ich an der Reihe. "Eine Bratwurst mit Ketchup, bitte!" - Ich hatte mal wieder den sichersten Weg genommen.

Bratwurst habe ich schon an den unmöglichsten Orten gegessen. Zum Beispiel auf dem Gipfel des Großen Winterbergs in der Sächsischen Schweiz, wo der Gastwirt jeden eintreffenden Winterwanderer fragte: "Hätten Sie gedacht, dass es hier oben Bratwurst gibt?"
Mittlerweise muss ich sagen: Ich hätte es mir denken können. Denn fast jedes geschlossene Gasthaus in abgelegeneren Gebieten hat inzwischen einen Bratwurststand vor der Tür stehen.
Sogar das Carolaschlösschen im Großen Garten bietet neben Entenbrust mit Rotkraut und veganem Vollkorn-Erbsen-Burger auch Bratwurst an.
Wird es deshalb zu einem Wettkampf um die beste Bratwurst kommen? Werden die Preise steigen und bald "Bratwurstersatz an Tofu-Vanille-Creme" und "Saucisse à la sauce moutarde" angeboten?
Nein, bisher schmeckte jede Bratwurst gleich. Bratwurst ist Bratwurst, die etwas verkohlten Exemplare mal ausgenommen. Auch beim Johannstädter Fährgarten liegt der hundsgewöhnliche Bratwurststand nur ein paar Schritte hinter den Schildern für "Ente im Brotlaib" und "Duck-Burger".
Was zieht uns also immer wieder hin zu dieser Pressfleischröhre mit oller Schrippe? Ich glaube: Es ist das Gefühl des Zusammenhalts, das im Fleisch steckt.
Ein Kulturgut, für das wir weltweit verschrien sind, das uns aber gerade dadurch Identität verleiht. Gerade in der jetzigen Zeit ohne Theater-, Konzert- oder Restaurantbesuche macht uns die Bratwurst vor, was es heißt, bissfest zu bleiben. Vielleicht schaffen wir das ja auch, ohne dabei zu verkohlen.
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