Dresden
Merken

Die Eisenbahn von Dresden nach Leipzig – eine Zeitenwende

Die Bahnverbindung von Dresden nach Leipzig gilt als älteste Ferneisenbahn Deutschlands. Jetzt wird sie für hohe Geschwindigkeiten fit gemacht. Gestartet aber ist sie vor 185 Jahren.

Von Ralf Hübner
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Nachbau der frühen Dampflokomotive „Saxonia“. Etwa 20.000 Eisenbahnfreunde kamen im August 1989 auf den Bahnhof Radebeul-Ost zur Ausstellung historischer Schienenfahrzeuge. Die Veranstaltung bildete zugleich den Abschluss der Veranstaltungen zum Jubiläum
Nachbau der frühen Dampflokomotive „Saxonia“. Etwa 20.000 Eisenbahnfreunde kamen im August 1989 auf den Bahnhof Radebeul-Ost zur Ausstellung historischer Schienenfahrzeuge. Die Veranstaltung bildete zugleich den Abschluss der Veranstaltungen zum Jubiläum © Foto: SZ/Klaus Thiere

Dresden. Von Dresden nach Leipzig in weniger als einer Stunde: Mit Geschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometern je Stunde will die Deutsche Bahn ab 2027 auf der 117 Kilometer langen Trasse unterwegs sein. Deshalb behindern jetzt immer wieder Baustellen den Verkehr. Die Bahnverbindung zwischen den beiden Städten ist jedoch nicht nur die älteste Ferneisenbahn Deutschlands. Ihre Eröffnung vor 185 Jahren am 7. April 1839 markierte eine Zeitenwende. So endet etwa bis heute die Dauerausstellung des Staatlichen Museums für Archäologie in Chemnitz an jenem Datum. Mit der Inbetriebnahme dieser Eisenbahnstrecke sei eine völlig neue Dimension von Raum und Zeit entstanden, begründet das Museum. Die Eisenbahn steht zudem für die Industrialisierung in Sachsen.

"Die bisherigen Dampfwagenfahrten von Dresden nach Oschatz und Riesa hören mit Ende dieser Woche auf", verkündete die Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Compagnie an jenem 7. April im Dresdner Anzeiger. Sonntag und Montag seien Festtagen gewidmet. Vom Dienstag an werde die Bahn für den allgemeinen Verkehr geöffnet. "Es geht von da an täglich um 6 Uhr früh und um 3 Uhr Nachmittag ein Dampfwagen nach Leipzig und zu derselben Stunde von Dresden nach Leipzig." Zuvor war im Dezember 1835 auf einer sechs Kilometer langen Strecke zwischen Nürnberg und Fürth das erste Mal eine Eisenbahn in Deutschland gefahren.

"Saxonia" startet mit Kanonensalut und Unfall

Bevor sich die von zwei Lokomotiven gezogenen 16 Wagen in Bewegung setzten, wurde zur Eröffnung der Strecke ein Kanonensalut abgefeuert. In den Wagen hatten es sich unter anderem Mitglieder der königlichen Familie bequem gemacht. Entlang der Strecke herrschte Volksfeststimmung. Vier Stunden soll der offizielle Eröffnungszug damals von Leipzig aus unterwegs gewesen sein. Die Lokomotiven waren aus englischer Produktion, denn die Chefs der Eisenbahn-Compagnie trauten dem Können deutscher Ingenieure noch wenig.

Die von Johann Andreas Schubert im "Dresdner Aktien-Maschinenbau-Verein" in Übigau gebaute, erste betriebsfähige deutsche und eigens für diese Strecke konstruierte Dampflokomotive "Saxonia" musste hinterherfahren. Schubert selbst soll auf dem Führerstand gestanden haben. Die Fahrt der "Saxonia" war allerdings von einem Unfall überschattet. Eine Weiche war falsch gestellt. Einer nie bewiesenen Legende zufolge sollen Engländer am Werk gewesen sein. Später erwies die "Saxonia" jedoch auf der Strecke ihre Zuverlässigkeit.

Als zwei Tage nach der Eröffnung der Personen- und Güterverkehr offiziell aufgenommen wurde, sah sich die Eisenbahngesellschaft zu einer weiteren Mitteilung genötigt und wies darauf hin, dass alles Reisegepäck, das die Reisenden nicht auf ihrem Sitzplatz mit sich führen könnten, eine Stunde vor Abfahrt mit deutlicher Angabe des Namens des Eigentümers und des Zielbahnhofs abgegeben werden müsse, weil sonst die nötige Ordnung nicht erhalten werden könne. Alles später eingehende Gepäck könne nicht angenommen werden, hieß es. Ab Oktober 1840 war die Strecke durchgängig zweigleisig befahrbar.

Die Initiative für die Leipzig-Dresdner Eisenbahn war von dem Nationalökonomen Friedrich List ausgegangen, einem Schwaben. Er war 1817 mit 28 Jahren in Tübingen zum Professor ernannt worden und nach einer Verurteilung zu Festungshaft 1825 in die USA emigriert.

List hatte als Landtagsabgeordneter das Königshaus und die politischen Verhältnisse kritisiert. 1834 kehrte er zurück und ließ sich als amerikanischer Konsul in Leipzig nieder. Seine Denkschrift über ein sächsisches Eisenbahn-System fand bei den Leipzigern Gehör und schon am 3. April 1834 wurde unter Vorsitz des Kaufmanns Gustav Harkort das "Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Comité" gegründet. Allerdings gab es auch Widerstand. Einige Kaufleute favorisierten eine Verbindung nach Magdeburg. Mediziner wiederum warnten vor den gesundheitlichen Folgen des Bahnfahrens. Handwerker und Gewerbetreibende fürchteten die Konkurrenz, die ihnen durch die Bahnverbindung erwachsen könnte.

Bei der Wahl der Trasse hatte sich der Wasserbaudirektor Carl Theodor Kunz einen Namen gemacht, der später als Oberingenieur die Bauarbeiten leiten sollte. Für die Streckenführungen standen anfangs drei Varianten zur Debatte. Auf Kunz‘ Vorschlag und nach Beratung mit englischen Experten fiel die Entscheidung wegen des flachen Geländes für eine Trasse über Riesa.

Nach dem ersten Spatenstich am 1. März 1836 bei Machern wurde schon am 24. April 1837 der erste, 10,6 Kilometer lange Abschnitt zwischen Leipzig und Althen in Betrieb genommen. Auf Dresdner Seite rollten am 19. Juni 1838 die ersten Züge bis Weintraube bei Kötzschenbroda. Am 1. April 1839 meldete Kunz der Eisenbahn-Compagnie, dass der letzte Abschnitt von Riesa nach Oberau fertig sei.

In Dresden endete die Eisenbahn damals an einem Bahnhof mit zwei großen Gebäuden an der Leipziger Straße, der sich jedoch schnell als zu klein erwies. Deshalb wurde er durch einen Neubau zwischen Leipziger und Großenhainer Straße ersetzt. Nachdem 1901 der Neustädter Bahnhof in Betrieb gegangen war, wurde dort nur noch Eilgut abgefertigt.Für Friedrich List zahlte sich der Bau der Leipzig-Dresdner Eisenbahn nicht aus. Er hatte vergeblich auf leitende Anstellung bei der Eisenbahn-Compagnie und damit auf materielle Sicherheit gehofft. List verließ Sachsen und nahm sich 1846 das Leben. Die Fakultät Verkehrswissenschaften an der TU Dresden trägt seinen Namen.