Dresdner Straßenbahn – vom Pelzmantel zur Klimaanlage

Dresden. Klimaanlage, Ladesteckdosen für Mobilgeräte, WLAN, große Panoramafenster, moderne LED-Ambientebeleuchtung: Die neuen Stadtbahnwagen der Dresdner Verkehrsbetriebe sind hochmodern. Zudem bieten sie mehr Platz. Deswegen sind auch etwas breiter geraten und das Linien-Netz muss großteils erneuert werden, damit sie dort überhaupt fahren können. Doch dank solider Fahrpreise, treuer Fahrgäste und Fördergelder scheuen die Verkehrsbetriebe keine Kosten.
Der Weg zur klimatisierten Bahn allerdings war weit. In den Anfangsjahren der elektrischen Straßenbahn sorgten Widerstandsheizungen und Kohleöfen während der kalten Jahreszeit im Inneren für etwas Wärme. Schlechter hatten es da die Bahnfahrer, die auf der freien Plattform Wind und Wetter zunächst ungeschützt ausgesetzt waren. Fausthandschuhe, Pelzmantel und Pelzmütze waren unverzichtbar. Für den Pelz mussten sie eine Kaution von 100 Mark hinterlegen. Ab 1899 erhielten die ersten Wagen einen teilweisen Glasvorbau. Den Anfang machten die Wagen der Linie 11. Doch erst nach 1904 begann schrittweise die volle Plattformverglasung.
Am 6. Juli 1893 war in Dresden die erste elektrische Bahn vom Schloßplatz in das 5,4 Kilometer entfernte Blasewitz gerollt. Pferdebahnen waren in der Stadt schon seit 1872 unterwegs. Um 1900 fuhr die Straßenbahn schließlich komplett elektrisch. Fünf Jahre später hatte die Stadt die beiden bis dahin existierenden privaten Straßenbahn-Unternehmen, die Deutsche Straßenbahngesellschaft und die Dresdner Straßenbahngesellschaft, in Eigenregie übernommen, in einer eigenen Werkstatt sollte der Fuhrpark vereinheitlicht und sollten neue Wagen gebaut werden.
Maßstäbe durch den „Großen Hecht“
Einige der damals entwickelten Wagen waren im Sonderverkehr noch im Einsatz, als 1967 die ersten roten Tatra-Bahnen durch die Stadt rollten. Im Jahr 1908 verließ der Wagen 575 als erste Dresdner Neuentwicklung die Hauptwerkstatt in Trachau. Er war mit 18 Quersitzen, drei großen Wagenseitenfenstern und einer verglasten Plattform ausgestattet und sollte als „Dreifenstriger städtischer Triebwagen“ in die Dresdner Straßenbahngeschichte eingehen. Ein schon 1898 von den Firmen Union und Siemens entwickelter Fahrschalter, bei dem mit einem kleinen Hebel die Fahrtrichtung und mit einer Kurbel die Fahrt und Bremsstufen geändert werden konnten, war lange Zeit Standard. Eine weitere Verbesserung und mehr Komfort brachten die MAN-Wagen, von denen die ersten acht 1909 in Dresden zu sehen waren. Acht statt vier Bremsklötze erhöhten die Sicherheit. Diese Wagen bildeten über Jahrzehnte das Rückgrat der Dresdner Straßenbahn.
Völlig neue Maßstäbe setzte der vierachsige „Große Hecht“, den das Unternehmen 1931 in den Verkehr brachte. Der 15 Meter lange Wagen erregte Aufsehen. Seinen Namen verdankte er den stark zugespitzten Front- und Heckteilen, mit denen die Wagen auch in engen Kurven aneinander vorbeifahren konnten. Der Ingenieur Alfred Bockemühl hatte den Hecht zusammen mit dem Sachsenwerk und der Waggonfabrik Niesky entwickelt. Der Fahrer saß in einer beheizbaren, eigenen Kabine und bediente die Bahn per Knopfdruck statt der bis dahin üblichen Kurbel. Der „Hecht“ erwies sich als wandlungsfähig. Die Kabine im vorderen und hinteren Teil des Wagens konnte je nach Fahrtrichtung schnell als zusätzliche Fläche für die Fahrgäste umgebaut werden. Die Stahlrohrsitze waren im Bauhausstil gehalten.
Die "Gotha" kommt
Neu war auch das umschaltbare Fern- und Abblendlicht. Vier Elektromotoren mit je 55 Kilowatt Leistung verliehen dem Wagen eine hohe Anfahrtsbeschleunigung und erlaubten Geschwindigkeiten von mehr als 70 Kilometer je Stunde. Bei Testfahrten auf der Königsbrücker Landstraße sollen sogar 98 Kilometer je Stunde gemessen worden sein. Weil der „Große Hecht“ oft nicht ausgelastet war, wurde 1934 der zweiachsige „Kleine Hecht“ herausgebracht. Der war jedoch keine einfache Verkleinerung des großen Bruders, sondern in vielen Dingen eine Neuentwicklung. Hechtwagen rollten noch bis in die 1970er Jahre durch Dresden.
Ein weiterer Schritt nach vorn waren die Großraum-Gelenkwagen aus Gotha ab Sommer 1962. Sie konnten durch mehr Stehplätze 31 Fahrgäste mehr als der Große Hecht transportieren und hatten bereits Doppelfalttüren. Die Bahnen waren bei Fahrgästen und Bahn-Mitarbeitern beliebt.
Jedoch war bald absehbar, dass die Produktion in Gotha 1967 eingestellt werden sollte, sodass sich die Stadt nach einer neuen Lösung für die Erneuerung der Straßenbahn umsehen musste. Und so kam es schon 1963 zu Testfahrten mit T3-Tatra-Bahnen aus der damaligen Tschechoslowakei. 1967 wurden die Verträge zwischen Strojexport Prag und der Transportmaschinen Export-Import, Deutscher Innen- und Außenhandel, unterzeichnet. Dresden erhielt 145 TD4-Bahnen. Im September 1967 gingen sie in der Elbestadt erstmals auf Fahrt. Sie bestimmten bis 1995 das Stadtbild, eher sie von neuen Stadtbahnwagen aus Bautzen ersetzt wurden.