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Zerstörtes Denkmal: Dresden trauert um das bronzene Mädchen

Nachdem eine Figur auf dem Heidefriedhof zerstört wurde, erhält die Künstlerin Anrufe von Dresdnern, die sich betroffen zeigen. In dem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Von Juliane Just
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Die Bronzefigur "Trauerndes Mädchen im Tränenmeer" von Małgorzata Chodakowska wurde mutwillig zerstört.
Die Bronzefigur "Trauerndes Mädchen im Tränenmeer" von Małgorzata Chodakowska wurde mutwillig zerstört. © Sven Ellger

Dresden. Zart streicht sie ihr über das bronzene Haar. Vor drei Tagen hat die Bildhauerin Małgorzata Chodakowska erfahren, dass ihre Skulptur "Trauerndes Mädchen im Tränenmeer" beschädigt wurde. Das Denkmal für die Opfer des 13. Februar stand auf dem Dresdner Heidefriedhof. "Ich kann es einfach nicht verstehen", sagt Chodakowska und schüttelt den Kopf. Sie streicht an den Beinen des Mädchens entlang, bis zu der Stelle, wo nur noch Stümpfe sind.

An den Füßen trennten die Täter die Bronzefigur ab und stießen sie um. Seit drei Tagen ist die etwa 100 Kilogramm schwere Skulptur nun in der Kunstgießerei von Thomas Ihle, wo sie repariert wird. Auf einem großen Kissen liegt das Mädchen, die Arme weiterhin voreinander verschränkt. Sie blickt nach unten, scheinbar auf den Punkt, wo einst ihre Füße waren. Doch die müssen erst wieder angeschweißt werden, dafür sind mehrere erfahrene Metallbildner notwendig.

"Die Reparatur ist sehr aufwendig", sagt die Bildhauerin, deren Atelier sich in Pillnitz befindet. Die Polizei gibt den Sachschaden mit 5.000 Euro an, doch die Arbeitszeit ist immens. Auch an dem Steinpodest, das noch auf dem Friedhof steht, sind Reparaturen nötig. Aufträge, die auf dem Tisch liegen, müssen nun warten.

Denn eines hat sich Małgorzata Chodakowska vorgenommen: Die Figur soll bis zum 13. Februar, zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens, wieder an ihrem rechtmäßigen Platz stehen. Wann und wie genau das ablaufen soll, müsse aber erst noch geplant werden. Eines steht für die 55-Jährige jedoch fest: "Die Skulptur ist so symbolträchtig, sie sollte auch symbolträchtig zurückkehren."

Dresdner wollen für Denkmal spenden

Die Symbolkraft ist es auch, die ihr an der ganzen Sache Bauchschmerzen bereitet. Inzwischen ermitteln die Staatsanwaltschaft und eine Sonderkommission des Landeskriminalamtes, da eine politische Tat nicht ausgeschlossen werden kann. Ein im Internet veröffentlichtes Bekennerschreiben fließt laut einer Mitteilung des Landeskriminalamtes in die Ermittlung mit ein. Außerdem werden Zeugen gesucht, die zwischen dem Nachmittag des 28. Januar und den Morgenstunden des 31. Januar etwas beobachtet haben. Diese können sich beim LKA Sachsen unter der Nummer 0800/8552055 oder bei jeder Polizeidienststelle melden.

Der politische Hintergrund der Tat schockiert die Bildhauerin. Nie habe sie sich in die Politik eingemischt, gleich gar nicht mit ihrer Kunst. "Die Bombardierung hat ganz vielen Menschen sehr viel Leid angetan, das bis heute nachwirkt. Für viele war das, was die Alliierten da getan haben, ein Racheakt", sagt Chodakowska. Es sei nicht zu fassen, dass derartige politische Ansichten sich auf die Kunst ausweiten.

Seit der Vorfall publik geworden ist, steht ihr Telefon nicht mehr still. "Ich habe irrsinnig viele Anrufe und Mails erhalten. Viele Menschen sind traurig und wollen spenden", erzählt die Bildhauerin. Sie sei sehr gerührt, wie die Dresdner reagieren und das Denkmal sehr wertschätzen. "Die Menschen verstehen diese sinnlose Zerstörung nicht - genau so wie ich", sagt sie.

Das Denkmal für die Opfer des 13. Februar 1945 auf dem Heidefriedhof besteht nun nur noch aus einem großen, schwarzen Becken. Die Bronzefigur wurde abtransportiert und wird in einer Gießerwerkstatt repariert.
Das Denkmal für die Opfer des 13. Februar 1945 auf dem Heidefriedhof besteht nun nur noch aus einem großen, schwarzen Becken. Die Bronzefigur wurde abtransportiert und wird in einer Gießerwerkstatt repariert. © Archivfoto: Tino Plunert
Von der Mädchen-Figur sind auf dem Heidefriedhof nur noch die beiden Verankerungen zu sehen.
Von der Mädchen-Figur sind auf dem Heidefriedhof nur noch die beiden Verankerungen zu sehen. © Tino Plunert
So sah die Skulptur "Trauerndes Mädchen im Tränenmeer" vor der Zerstörung aus.
So sah die Skulptur "Trauerndes Mädchen im Tränenmeer" vor der Zerstörung aus. © Lothar Sprenger

Es ist das erste Mal, dass eines ihrer Kunstwerke mutwillig beschädigt wurde. Ihre Skulpturen und Brunnen aus Bronze stehen inzwischen in der ganzen Welt - in China, in Russland, in den USA. Vor zwölf Jahren hat sie ein halbes Jahr am "Trauernde Mädchen im Tränenmeer" gearbeitet. Sie arbeitete das Kreuz als Symbol mit ein, indem das Mädchen die Arme vor ihrem Brustkorb verschränkt.

Zu den Füßen der Figur befindet sich eine große schwarze Schale, die sich bei Regen mit Wasser füllt. Wasser war für sie das Symbol für die Tränen, die vergossen wurden, aber auch für das Löschen des brennenden Dresdens. Gleichzeitig stehe es auch für neues Leben.

"Es sind eigentlich so schöne Themen", sagt Chodakowska und blickt auf die zerstörte Figur hinab. Dass sie als gebürtige Polin ein Denkmal für die Opfer des 13. Februar 1945 errichten durfte, sei, als "habe man sich verziehen". Doch vielleicht sind die Narben tiefer, als sie Bildhauerin dachte.