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Dresden: Ärger um Abschiebung

Eine 15-Jährige sollte nach Georgien abgeschoben werden. Daran gibt es heftige Kritik von der Kinderbeauftragten.

Von Julia Vollmer & Andreas Weller
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So wie die Männer auf diesem Symbolbild sollte auch das Mädchen abgeschoben werden.
So wie die Männer auf diesem Symbolbild sollte auch das Mädchen abgeschoben werden. © Michael Kappeler/dpa

Dresden. Die gescheiterte Abschiebung eines 15-jährigen Mädchens nach Georgien sorgt aktuell für eine Debatte in Dresden. Politiker und die Kinderbeauftragte der Stadt, Anke Lietzmann, sehen in dem Vorgehen der Behörden den Verdacht auf Kindeswohlgefährdung.

Laut Flüchtlingsrat standen in der Nacht vom 9. auf den 10. November gegen 3 Uhr vor einer von Sozialarbeitern betreuten Wohngemeinschaft für Jugendliche plötzlich Polizisten und wollten hinein, um die 15-Jährige zu ihrer Abschiebung abzuholen.

Hinweise des anwesenden Personals, dass sich die Polizei nicht so einfach mitten in der Nacht Zugang zu einer Einrichtung der Jugendhilfe verschaffen dürfe und die Bitte darum, wenigstens zu warten, bis der telefonisch informierte Einrichtungsleiter vor Ort sei, seien ignoriert worden, so der Flüchtlingsrat und die Polizisten seien in die Wohnräume gekommen.

Schließlich sei der Einsatz abgebrochen worden, da das Mädchen nicht da war und auch die Mutter , die woanders wohnt, nicht angetroffen wurde. Der Flüchtlingsrat kritisiert: "Einrichtungen der Jugendhilfe wie die hier betroffene als Angebot des Betreuten Wohnens sind besonders sensible Orte, die besonderen Schutzes bedürfen", so Mark Gärtner. Dort könne nicht einfach die Polizei eindringen. Der Flüchtlingsrat sieht eine Kindeswohlgefährdung, da das Mädchen nicht ohne Grund aus ihrer Familie genommen wurde und damit zu rechnen sei, dass in Georgien es wieder zu brenzligen Situation mit den Eltern kommen könnte.

Anke Lietzmann, Kinderbeauftragte des Rathauses ist sauer. "Was bezweckt man damit, ein 15-jähriges, psychisch instabiles junges Mädchen 3 Uhr nachts mit Polizeigewalt aus einer jugendhilflichen Einrichtung zu holen? Aus einer Einrichtung, in die sie gebrachte wurde, um ihr Wohl und ihre Sicherheit zu gewährleisten." Der Schaden, der durch solches Agieren sowohl bei der 15-Jährigen als auch bei den übrigen Insassen der Einrichtung angerichtet wurde, sei immens. "Ein solches Agieren läuft völlig konträr zum Auftrag, den die jugendhilfliche Einrichtung im Auftrag der Kommune für die Heranwachsenden übernommen hat. Hier hat der Staat an Eltern statt die Verantwortung für die Minderjährigen übernommen." Das gelte auch für minderjährige Geflüchtete.

Grünen-Fraktionschefin Tina Siebeneicher sieht das ähnlich. "Die versuchte Abschiebung einer Jugendlichen aus einer Dresdner Jugendhilfe-WG ist inakzeptabel. Die Beschlüsse des Jugendhilfeausschuss und darauf aufbauenden „Empfehlungen zur Sicherstellung des Kindeswohls bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“ des Dresdner Jugendamtes wurden missachtet." Das Jugendamt sei einzubeziehen, wenn Minderjährige zu ihrem Schutz Inobhut genommen sind. Albrechr Pallas, Dresdens SPD-Chef und Innenpolitiker sagt: "Abschiebungen müssen, wenn sie überhaupt notwendig sind, so human wie möglich durchgeführt werden. Deshalb haben wir uns im Koalitionsvertrag Sachsen darauf geeinigt, möglichst auf nächtliche Abholung und Familientrennung zu verzichten und einen Leitfaden für Abschiebungen zu erstellen." Der soll bis Jahresende vom Innenministerium fertiggestellt werden. Eine Jugendliche in schwierigen Umständen womöglich zu traumatisieren, sei höchst bedenklich. "Deshalb habe ich dazu eine Anfrage an das Innenministerium gestellt, ob das so wirklich nötig war", so Pallas.

Die CDU bewertet es etwas anders. In diesem Fall sei es zwar nicht glücklich gelaufen, so der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion Rico Anton. "Aber wo soll die Polizei das Mädchen denn sonst suchen?" Aus der Schule dürfe sie nicht geholt werden, eine gemeinsame Wohnung mit der Mutter gibt es nicht.

"Da es sich offenbar um ein gemeinsames Abschiebeverfahren handelt, müssen beide ja irgendwie zusammengeführt werden." Es sei auch keine Böswilligkeit, dass Polizeibeamte nachts ausreisepflichtige und damit abgelehnte Asylbewerber abholen. "Gerichte geben vor, dass die Zeit zwischen der Abholung und dem Flug nicht zu lange sein darf, daher ergeben sich diese Zeiten", so Anton. "Das Ausreisegewahrsam ist keine Alternative für eine 15-Jährige. Die Behörden haben hier korrekt gehandelt und es handelt sich in dieser Konstellation um einen seltenen Fall." Anton betont, die bessere Lösung sei eine freiwillige Ausreise. "Hier hängt das Schicksal der Tochter am Verhalten der Mutter."

Die Landesdirektion bestätigt auf SZ-Anfrage, die versuchte und dann abgebrochene Abschiebung, weil das Mädchen nicht da war. Als Grund nannte Sprecher Holm Felber, dass der Asylantrag von Mutter und Tochter vor fast drei Jahren abgelehnt worden war. "Beide sind nach Bestätigung der Ablehnung in zwei gerichtlichen Instanzen vollziehbar ausreisepflichtig. Ein erneut gestellter Asylantrag wurde abermals abgelehnt und die Ablehnung erneut gerichtlich bestätigt." Felber bestätigt auch, dass es bereits im September einen ähnlichen Einsatz in der Jugend-WG gab. Nun werde der Vorgang geprüft. Wie es für das Mädchen weitergeht, bleibt unklar. "Konkrete Aussagen zu geplanten Rückführungsmaßnahmen werden grundsätzlich nicht erteilt", so Felber.

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