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Kinderarmut in Dresden: "Für Mittagessen, Sportverein und Nachhilfe fehlt oft das Geld"

Fast zehn Prozent der Haushalte mit Kindern in Dresden gelten als armutsgefährdet. Die Sozialarbeiterinnen der Mobilen Arbeit Friedrichstadt beobachten, dass das Geld bei vielen Familien noch knapper wird. Was aus ihrer Sicht helfen würde.

Von Julia Vollmer
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Nicht jede Familie in Dresden kann sich für ihr Kind das Schulessen leisten.
Nicht jede Familie in Dresden kann sich für ihr Kind das Schulessen leisten. © dpa/Jens Kalaene (Symbolfoto)

Dresden. "Egal, was wir an Essen auf den Tisch stellen und sei es trockenes Brot, unsere Kinder und Jugendlichen atmen es quasi in Minuten ein, weil sie Hunger haben", erzählt Xenia Wendang. Sie ist Sozialarbeiterin bei der Mobilen Arbeit Friedrichstadt (MAF) und arbeitet gemeinsam mit ihren Kolleginnen Gerda Gebauer und Larissa Schicke sowie ihren Kollegen Paul List und Gero Hoffmann mit Kindern und Jugendlichen ab sechs Jahren. Armut und finanzielle Sorgen sind vermehrt Themen, die die Mädchen und Jungen beschäftigen, die am Nachmittag zu ihnen in den offenen Treff kommen. Über Spenden von benachbarten Bäckern und Gastronomen würden sie sich daher freuen.

Preise für Essen in der Schule sind stark gestiegen

Das Mittagessen in der Schule ist zuletzt immer teurer geworden, teilweise über fünf Euro kostet die Mahlzeit in Dresden jetzt. Eine Herausforderung für die Eltern, auch weil es im Sozialamt über 7.500 offene Anträge auf Zahlungen aus dem Paket Bildung & Teilhabe gibt, aus dem Familien mit geringem Einkommen Unterstützung für Nachhilfe, Sportvereine sowie Schul- und Kitaessen erhalten.

"Viele unserer Kinder und Jugendlichen würde gern im Sport- oder Tanzverein mitmachen, aber das Geld fehlt oft", sagt Sozialarbeiterin Gerda Gebauer. In vielen Familien fehlt in den Ferien außerdem das Geld für eine Reise oder Unternehmungen. "Wir waren im Sommer mit unseren Kindern und Jugendlichen an der Ostsee und manche von ihnen haben mit elf oder zwölf Jahren das erste Mal das Meer gesehen und sie waren so glücklich", erzählt Xenia Wendang. Auch Nachhilfe, die Schülerinnen und Schülern, die zu ihnen kommen, helfen würde, könnten sich viele Familien nicht leisten.

Helfen Kindern aus armutsgefährdeten Familien: Xenia Wendang und Gerda Gebauer (r.) von der Mobilen Arbeit Friedrichstadt in Dresden.
Helfen Kindern aus armutsgefährdeten Familien: Xenia Wendang und Gerda Gebauer (r.) von der Mobilen Arbeit Friedrichstadt in Dresden. © Marion Doering

Das Team der MAF sieht daher die Debatte um die Kindergrundsicherung, die seit Monaten im Bund geführt wird, als Schritt in die richtige Richtung. Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 aus einem für alle Kinder gleich hohen Kindergarantiebetrag bestehen, der das heutige Kindergeld ablöst - außer dem Namen ändert sich nichts. Hinzu kommt, so der Plan aus dem Familienministerium, ein einkommensabhängiger Kinderzusatzbetrag. Über die Höhe wird gestritten, aber die Antragsformulare sollen deutlich einfach gestaltet werden.

Fast zehn Prozent der Haushalte mit Kindern armutsgefährdet

Der Bedarf in Dresden ist hoch: Laut kommunaler Bürgerumfrage von 2022 gelten in Dresden 9,4 Prozent der Haushalte mit Kindern als armutsgefährdet. Eine Person gilt nach der EU-Definition als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Sachsenweit ist sogar jedes fünfte Kind und jeder dritte junge Erwachsene von Armut bedroht. Dies geht aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung vom Januar hervor.

"Von armutsgefährdeten Kindern kann man auch sprechen, wenn man die SGB-II-Empfänger, also etwa Bürgergeld, betrachtet. Diese bilden jedoch nur einen Teil der Haushalte, die armutsgefährdet sind, ab", so das Dresdner Sozialamt. Betrachtet man diese Bedarfsgemeinschaften mit Kindern, waren es 2022 insgesamt 7.465, 2021 waren es noch 1.420 weniger. Besonders viele Betroffene leben laut der Stadt in Prohlis, Reick, der Südvorstadt-West und in Gorbitz.

Auch die Arbeiterwohlfahrt in Dresden (AWO) befürwortet die Kindergrundsicherung. Es sei wichtig, wirksam gegen Kinderarmut vorzugehen, die Leistungen zu bündeln, die Anträge einfacher zu gestalten und bekannter zu machen. "Je nachdem, wie man sich das Elterngeld aufteilt, haben die Eltern oft auch Anspruch auf Wohngeld, Kinderzuschlag und teilweise Landeserziehungsgeld, viele der Eltern wissen nicht mal um diese Leistungen", beobachtet Sozialarbeiterin Katrin Rosin vom AWO-Familienzentrum in Pieschen. Viele der Eltern, die sie berät, hätten Geldsorgen. Dazu kommt, was die finanzielle Lage oft noch schwieriger macht, ein Anstieg der Nachfragen nach Trennungsberatungen.

Kosten für Bildung stark gestiegen

Der Dresdner Caritas gehen die Pläne zur Kindergrundsicherung nicht weit genug. Bei der derzeitigen Inflation sowie steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten reichten diese Leistungen nicht aus, um gesellschaftliche Teilhabe von Familien mit Kindern zu ermöglichen. "Ziel muss es aber sein, mehr Familien mit Unterstützungsbedarf zu erreichen sowie Kinderarmut wirksam zu bekämpfen", so der Caritas-Direktor im Bistum Dresden-Meißen, Matthias Mitzscherlich.

Die Caritas sieht außerdem bei den Kosten für die Bildung Nachbesserungsbedarf. Mitzscherlich: "Tatsächlich sind die hohen, häufig unkalkulierbaren Kosten für Schulmaterialien aller Art eine der Hauptbelastungen für einkommensarme Familien."