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Unverpackt-Läden in Dresden: Keine Lust mehr auf lose Lebensmittel?

Das umweltfreundliche Geschäft mit unverpackten Waren kriselt. Dresdner Betreiber sind ratlos - und entwickeln neue Ideen.

Von Nora Domschke
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Mitten im ersten Lockdown haben Kevin Brüser (r.) und Thomas Felsch 2020 Dresdens vierten Unverpacktladen eröffnet. Das Geschäft entwickelt sich nicht so wie erhofft.
Mitten im ersten Lockdown haben Kevin Brüser (r.) und Thomas Felsch 2020 Dresdens vierten Unverpacktladen eröffnet. Das Geschäft entwickelt sich nicht so wie erhofft. © Marion Doering

Dresden. Als Kevin Brüser und Thomas Felsch im Mai 2020 ihren Unverpacktladen 2Gut eröffneten, war die Euphorie groß. Einen beruflichen Neustart mitten im Corona-Lockdown? Kann das gutgehen? Darüber wollten die beiden Dresdner damals nicht nachdenken. Das Geschäft mit losen Produkten, die sich der Kunde in seine mitgebrachten Behälter abfüllt, lief deutschlandweit bestens.

Umweltschutz, Müllvermeidung, Nachhaltigkeit - jeden Freitag trug die Fridays-for-future-Bewegung diese Schlagworte auf die Straßen, hinein in das Bewusstsein vieler Menschen, die mit einem Einkauf im Unverpacktladen ihren Beitrag leisten wollten.

Vielerorts schossen die Geschäfte mit verpackungs- und plastikfreien Produkten aus dem Boden. 2018 wurde in Nürnberg sogar ein Unverpackt-Verband gegründet, aus den damals 22 Unverpackt-Läden sind deutschlandweit inzwischen 471 geworden.

Das 2Gut ist 2020 bereits der vierte Laden dieser Art in Dresden, ein weiterer soll in der Pirnaer Vorstadt entstehen. Neben dem 2Gut in Löbtau setzen das Lose in der Äußeren Neustadt, das Binnes unverpackt in Striesen und das Quäntchen in Pieschen auf dieses Konzept.

Genauso viele Angebote gibt es in Leipzig, Chemnitz kann inzwischen drei Unverpacktläden vorweisen. In Sachsen gibt es derzeit 16 Unverpackt-Läden, elf weitere Läden sind in Planung. Ob diese tatsächlich eröffnen, bleibt allerdings abzuwarten. Denn der Aufwärtstrend scheint vorerst gebrochen, viele der Geschäfte stecken in der Krise, denn die Kundschaft fehlt.

Einkaufsverhalten hat sich geändert

Über das Warum zerbrechen sich auch die Dresdner Betreiber die Köpfe. "Wir sind relativ ratlos", sagt Marlene Saecker, die seit einem Jahr im Lose arbeitet. Gründerin Berit Heller war 2015 Sachsens und Dresdens Unverpackt-Pionierin, sie brachte den Trend in die Äußere Neustadt, vergrößerte sich Ende 2019 sogar noch einmal mit einem neuen Laden, weil der Kundenstamm stetig wuchs. Mit der Pandemie kamen strenge Beschränkungen im Handel, mit der Pflicht zu Mundschutz und Abstandsregeln blieben immer mehr Kunden aus - und sind bis heute nicht zurückgekehrt.

Betroffen ist davon längst nicht nur die Branche in Dresden. Deutschlandweit haben Unverpacktläden große Probleme, auch jene, die schon seit vielen Jahren am Markt sind und bislang auf einen festen Kundenstamm zählen konnten. "Die Lage ist ernst", sagt Shabnam Beus, Sprecherin des Verbandes der Unverpacktläden.

Zwar will sie nicht von einer allgemeinen Krise sprechen, denn sie bekomme ja nur Rückmeldungen von Läden mit Umsatzeinbrüchen, nicht von jenen, wo die Geschäfte gut laufen. Dennoch weiß sie von ersten Schließungen und von Läden, die sich noch gerade so über Wasser halten.

Auch der Verband macht sich Gedanken, wo die genauen Gründe für die nachlassende Nachfrage liegen. Finanzielle Engpässe bei den Familien sieht Shabnam Beus nicht als Hauptursache für den Rückgang. "Wir sehen ja, wie groß die Nachfrage bei Bioprodukten ist. Und diese sind in der Regel teurer."

Aber das Einkaufsverhalten vieler Menschen habe sich in der Coronazeit geändert, immer mehr Familien lassen sich ihre Einkäufe inzwischen nach Hause liefern. Einen Service, den große Ketten anbieten können, nicht aber die kleinen Unverpacktläden.

Thomas Felsch und Mietkoch René Gumnior haben mit einem Foodtruck ein weiteres Standbein für den Unverpacktladen in Löbtau geschaffen. "Das Essen wird sehr gut angenommen", sagen sie.
Thomas Felsch und Mietkoch René Gumnior haben mit einem Foodtruck ein weiteres Standbein für den Unverpacktladen in Löbtau geschaffen. "Das Essen wird sehr gut angenommen", sagen sie. © Sven Ellger

Eine entscheidende Rolle scheint der Faktor Zeit zu spielen. Zum einen hat nicht jeder einen Unverpacktladen direkt vor der Haustür, zum anderen ist der Einkauf mit eigenen Behältern aufwendiger, denn daheim will gut vorgeplant sein, was im Laden in welche Dose oder Flasche abgefüllt werden soll.

Gestresste Eltern im Homeoffice, die sich im Lockdown neben ihrer Arbeit auch noch um die schulische Bildung ihres Nachwuchses kümmern mussten, hätten sich womöglich dann doch für den einfacheren Einkauf im Supermarkt entschieden, so die Sprecherin des Unverpacktverbandes.

Dazu kommt, dass Supermärkte und Discounter das Thema Nachhaltigkeit zunehmend für sich entdecken und so neben allerlei Bioprodukten nun auch mit losen Waren und Pfandbehältern um Kunden werben. Diese immer stärker werdende Konkurrenz der großen Ketten auf diesem Gebiet stelle die Branche vor eine große Herausforderung.

Neue Standbeine sind gefragt

Neue Ideen sind deshalb gefragt. So haben sich Thomas Felsch und Kevin Brüser vom 2Gut überlegt, wie sie trotz ihres geschlossenen Bistros nicht auf die Einnahmen ihrer Mittagsgerichte verzichten müssen. Mithilfe einer Crowdfundingaktion im Internet sammelten sie 40.000 Euro, schafften sich einen mobilen Imbisswagen an und stellten zwei Mietköche ein.

Dienstags bis freitags verkaufen die ihre Speisen, zubereitet mit Bioprodukten aus dem Laden, aus dem Foodtruck heraus, der in der Schillingstraße geparkt ist. Mit dem Gefährt verköstigten Felsch und Brüser inzwischen auch schon Gäste der Museumsnacht oder eines Streetfoodfestivals. Das Bistro, das nun wieder geöffnet ist, kann zudem für Feiern aller Art gebucht werden, außerdem sind kleine Konzerte geplant.

Wie die Betreiber vom 2Gut in Löbtau hofft auch Marlene Saecker vom Lose-Laden in der Neustadt darauf, dass sich in den kommenden Wochen der Fokus der Dresdner weg von der Corona-Pandemie und wieder mehr auf die Belange der Umwelt richtet. Auch das Team des Lose-Ladens habe verschiedene Aktionen gestartet, um mehr Kundschaft vom Konzept des plastikfreien Einkaufs zu überzeugen. "Wir haben uns viel Mühe gegeben, doch nach dem Sommerloch kam das Winterloch", sagt Marlene Saecker.

Verbandssprecherin Shabnam Beus ist sich sicher, dass nur ein "schneller und krasser Umschwung im Einkaufsverhalten" verhindern kann, dass weitere Unverpacktläden schließen müssen. Kevin Brüser betont, wie wichtig das letztlich auch für die Umwelt sei. "Plastikmüll und wie er vermieden werden kann ist nach wie vor eines der drängendsten Themen unserer Zeit", findet er.