Wo die neuen Straßenbahnen zuerst fahren werden

Dresden. Es reicht noch nicht und es wird voraussichtlich auch dann nicht reichen, wenn Ende 2023 alle 30 neuen Straßenbahnen ausgeliefert sind, die die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) bestellt haben. Auch dann wird es noch Strecken geben, auf denen sie nicht oder nur eingeschränkt fahren können. Sie dürfen sich dort nicht begegnen, denn auf solchen Strecken passen sie nicht aneinander vorbei. Womöglich reicht der Platz auch nicht für eine aktuelle, schmalere Straßenbahn und eine der neuen, 2,65 Meter breiten Straßenbahnen.
Knackpunkte in mehreren Stadtteilen
"Ja, das komplette Netz ist noch nicht befahrbar, wir haben da nie einen Hehl draus gemacht", sagt DVB-Sprecher Falk Lösch. Knackpunkte sind derzeit unter anderem noch die Bürgerstraße in Pieschen, ein Stück Leipziger Straße kurz vor der Stadtgrenze zu Radebeul, die Verbindung über den Bischofsweg und die Rothenburger Straße in der Äußeren Neustadt, ein Teil der Hamburger Straße und die Paradiesstraße hinauf nach Räcknitz.
Für diese Strecken gibt es aktuell noch nicht einmal Umbauplanungen. Ähnlich kritisch: Die Bautzner Landstraße in Bühlau (Linie 11), die Königsbrücker Straße in der Neustadt und die Königsbrücker Landstraße in Klotzsche (Linie 7), die Verbindungen von der Johannstadt zum Schillerplatz (Linien 6 und 12) und von Alttolkewitz nach Laubegast (Linien 4 und 6).
Das sind einige von mehr als einem halben Dutzend Strecken, auf denen die breiten Straßenbahnen derzeit nicht aneinander vorbeifahren könnten. Doch für diese Abschnitte laufen entweder Planungen oder an ihnen wird bereits gebaut. Beispiele: Gebaut wir auf der Großenhainer Straße (für die Linie 3) und der Steinbacher Straße (für die Linie 2), geplant werden die Verbindungen nach Laubegast und durch die Neustadt - Letztere inzwischen seit fast 30 Jahren.
Linie 2 ist zuerst bereit
Wenn die jetzt bestellten 30 Straßenbahnen da sind, können sie trotzdem fahren, ist sich Falk Lösch sicher. "Wir haben die Wagen nicht beschafft, um sie auf den Hof zu stellen." Er kennt Argumente wie den Hinweis, die DVB sollten doch erst einmal das Netz ausbauen, bevor sie neue Bahnen bestellen. Doch ein Wechsel von Straßenbahnen-Generationen, Mitte der 90er-Jahre von den Tatras zu den ersten Niederflurbahnen und später von deren erster zur zweiten Generation, sei "immer ein Herantasten" gewesen. Auch damals hätten die Bahnen nicht sofort überall fahren können.

Die neuen Straßenbahnen sollen zuerst auf der Strecke der Linie 2 zwischen Kleinzschachwitz und Gorbitz eingesetzt werden. Zwar ist das nicht die Linie mit den meisten Fahrgästen - das ist die "7" - aber die Linie 2 ist diejenige, die einst als Pilotlinie bezeichnet wurde. Mit dem Abschluss der Bauarbeiten an der Steinbacher Straße wird die komplette 18,1 Kilometer lange Strecke den richtigen Gleisabstand für die breiten Stadtbahnen haben. Etwa ein Dutzend Straßenbahnen werden dort pro Tag gebraucht, sagt Lösch. Das heißt, fast die Hälfte der neuen Bahnen muss in Dresden angekommen sein, bevor die nächste Linie damit im Regelverkehr befahren werden kann.
Noch Bauarbeiten für die Linie 3
Das soll dann die "3" zwischen Wilder Mann und Coschütz sein. Für sie wird aktuell die Großenhainer Straße umgebaut. Die Arbeiten am ersten Bauabschnitt rund um die Haltestelle Liststraße laufen. Bis 2023 ist dann auch der zweite Bauabschnitt mit dem Großenhainer Platz in der Mitte und der Brückendurchfahrt am Neustädter Bahnhof erneuert, ist Lösch überzeugt. Dann fehlt nur noch das Stück, das etwa vom Pestalozziplatz bis zum Trachenberger Platz reicht. "Bauen und fahren", ist dort die Devise. Das heißt, die Straßenbahnen bekommen ein provisorisches Gleis, auf dem sie im Einrichtungsverkehr fahren können, während die regulären Schienen erneuert werden.
Probleme auf Umleitungsstrecken
Doch auch wenn die kompletten Stammstrecken der Linien 2 und 3 passend sind für die neuen Straßenbahnen, könnte es Situationen geben, in denen es für die Züge nicht weitergeht. Denn dafür müssten auch alle Ausweichstrecken passend sein. Sind sie aber nicht. Beispiel Münchner Straße: Dort fährt die Linie 3. Bei einem Zwischenfall auf dem Abschnitt vom Nürnberger Platz bis zum Münchner Platz fehlt eine wirklich geeignete Ausweichmöglichkeit. Zwar könnten die Bahnen theoretisch zum Nürnberger Ei umgeleitet werden, doch die Schienen bis dorthin haben noch das alte Abstandsmaß und die Endhaltestelle könnte problematisch für die breiten Bahnen sein.
Ein ähnliches Beispiel ist die Güntzstraße. Zwar fahren dort weder die "2" noch die "3", und ab wann die dort übliche Linie 13 mit neuen Stadtbahnwagen unterwegs sein wird, ist noch völlig offen. Die Güntzstraße gehört aber zum sogenannten 26er Ring, der einschließlich aller Abschnitte innerhalb dieses Kreises um das Stadtzentrum komplett befahrbar ist für die breiten Straßenbahnen. Nur eben die Güntzstraße zwischen Straßburger Platz und Güntzplatz noch nicht. Lösch meint, falls sie als Ausweichstrecke zum Beispiel für eine kurzfristige Umleitung gebraucht würde, könnte man immer dann eine Richtung sperren, wenn eine dicke Bahn durchgeschleust werden muss.
Termin für neue Stadtbahn steht fest
Überhaupt ist der Sprecher der Verkehrsbetriebe überzeugt, dass die Mitarbeiter der DVB-Leitstelle in Trachenberge im Falle eines Falles eine Lösung finden werden. "Die Kollegen sind da sehr erfinderisch und haben immer das Bestreben, eine Blockade so schnell wie möglich zu beheben. Sie haben ja den Kunden im Hinterkopf, der weiter will."
Dresdner Straßenbahngeschichte
Dieses Lösungs-Bestreben müssen sie im Zusammenhang mit den "Dicken" noch nicht zeigen, wenn im Spätsommer die erste neue Bahn kommt. Sie soll laut SZ-Informationen Anfang Oktober in Gorbitz der Öffentlichkeit präsentiert werden. Spätestens aber dann, wenn mehrere solche Straßenbahnen im Linienverkehr unterwegs sind, muss die Leitstelle im Notfall Improvisationstalent zeigen. Also vielleicht ab Mitte oder Ende 2022.