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Wagenknecht-Stadtratskandidat: "Frieden können wir auch von Dresden aus beeinflussen"

Seine Kindheit war prägend für ihn, sagt Jan Matheas. Weshalb der promovierte Bauingenieur für das Bündnis Sahra Wagenknecht kandidiert und was er in Dresden erreichen möchte.

Von Andreas Weller
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Jan Matheas kandidiert für die Wagenknecht-Partei in Dresden für den Stadtrat.
Jan Matheas kandidiert für die Wagenknecht-Partei in Dresden für den Stadtrat. © Sven Ellger

Dresden. Jan Matheas wählt seine Worte mit Bedacht, er lehrt an der TU Dresden, seine Fachgebiete: Mechanik und Statik. Jetzt möchte er ehrenamtlich in die Politik, in den Stadtrat von Dresden, der am Sonntag neu gewählt wird.

Matheas möchte unter anderem im Bildungssystem etwas verändern, weil er als Dozent viele Studierende betreut und weiß, wo Probleme bestehen. Sein großes Thema ist allerdings Frieden, der überall für das Bündnis der ehemaligen Linken Wagenknecht (BSW) den Wahlkampf bestimmt.

Als Kind Altpapier und Flaschen gesammelt

Der heute 50-Jährige ist in Dresden-Leuben aufgewachsen. "In einem typischen WBS70-Wohngebiet", erzählt Matheas. "Meine Kindheit war prägend für meine Einstellung zur Gesellschaft. In Leuben hatte ich die ersten Kontakte zu Menschen aus dem Ausland." Das waren vor allem Vertragsarbeiter und deren Familien aus Vietnam und Mosambik.

"Ich war neugierig und habe damals getan, was fast alle Kinder getan haben: Altpapier und Flaschen sammeln. So bin ich bis in die Wohnungen der Menschen gekommen. Das waren freundschaftliche und fröhliche Begegnungen. Jetzt, im Blick zurück, kann ich nur sagen: Es gab keinerlei Konflikte."

Zudem sei er mit seinen Eltern viel gereist, unter anderem nach Moskau. "So habe ich mich zu einem friedliebenden Menschen entwickelt, der technisch interessiert ist", sagt der ehemalige Kreuzschüler.

Auch mit seiner Frau reist Matheas bis heute viel, sie waren bereits in den USA, Australien, Neuseeland, haben eine Fahrradtour auf Kuba gemacht und waren mehrfach auf der ukrainischen Halbinsel Krim. Sie haben zwei gemeinsame Kinder.

Jan Matheas erklärt, wie er zu BSW gekommen ist und weshalb er die Linke zuletzt nur noch "mit Unbehagen" gewählt hat.
Jan Matheas erklärt, wie er zu BSW gekommen ist und weshalb er die Linke zuletzt nur noch "mit Unbehagen" gewählt hat. © Sven Ellger

"Die AfD ist für mich kein Kooperationspartner"

Der Krieg in der Ukraine ist mit ein Grund, weshalb der Wissenschaftler in die Politik möchte. "Ich will die Kontakte zur Partnerstadt St. Petersburg wieder mehr aufleben lassen und auch Kontakte nach Moskau. Die Konflikte zwischen Russland und der Ukraine beschäftigen mich, ich wollte wissen, wie die gesellschaftliche Situation ist und habe dazu auch Vorträge an der TU gehalten."

Das habe dazu geführt, dass Matheas in politischen Auseinandersetzungen immer versuche, die andere Seite zu verstehen. "Ich möchte allen zuhören und mit allen sprechen. Aber die AfD ist für mich kein Kooperationspartner, solange völkisch-national die Grundlage ihrer politischen Entscheidungen ist."

Auch wenn ihm klar ist, dass Dresden keinen direkten Einfluss auf den Ukrainekrieg hat, sagt Matheas: "Frieden können wir auch von Dresden aus beeinflussen. Eben, indem wir die Kontakte pflegen, zuhören, versuchen zu verstehen. Wenn wir Frieden wollen, brauchen wir Verständnis für die Menschen. Nur so ist die Situation lösbar. Es ist nicht die erste völkerrechtswidrige Handlung, aber als die USA Kriege begonnen haben, wurden die Kontakte nicht sofort abgebrochen."

Linke "mit Unbehagen" gewählt

Im Stadtrat sehe er die Möglichkeit, politisch aktiv zu werden - wenn er gewählt wird. Dass er sich für die Partei Bündnis Sahra Wagenknecht entschieden habe, sei wohlüberlegt. "Ich habe Reden von Frau Wagenknecht verfolgt und als es um die Gründung der Partei ging, habe ich festgestellt, ich finde viele meiner Positionen und Gedanken wieder. Vorher habe ich immer die Linke gewählt, aber zuletzt nur noch mit Unbehagen, weil sie in der Frage nach Krieg und Frieden verweichlicht ist und beispielsweise Waffenlieferungen an die Ukraine zustimmt."

Also habe er sich in Diskussionsrunden vor der Gründung eingebracht. Es seien für ihn angenehme Gespräche gewesen, also habe er seine Kontaktdaten hinterlegt und wurde in Dresden zu Unterstützertreffen eingeladen. "Als es dann um die Kandidaturen für den Stadtrat ging, habe ich meine Bereitschaft erklärt." Weil dies ehrenamtlich ist und nicht wie im Landtag Berufspolitik. "Ich möchte berufstätig bleiben", stellt er klar.

Ziel: Microsoft ausbremsen

Zudem habe Matheas mit Unverständnis verfolgt, dass auf Bundesebene ein Vertrag über Lernmittel an Schulen mit dem Software-Giganten Microsoft geschlossen wurde. "Ich beschäftige mich auch beruflich mit der digitalen Fertigung von Lernmitteln, so eine Abhängigkeit von einem großen Konzern birgt Gefahren. Deshalb ist eines meiner wesentlichen politischen Ziele die Entflechtung von öffentlichem Interesse und Konzernmacht. Dresden hat beispielsweise eine hohe Dichte an Forschungseinrichtungen, die auch in der Lage wären, eine Kooperation mit Bildungseinrichtungen einzugehen. Das Recht entsprechend zu ändern, dass Großkonzerne herausgehalten werden, da ist BSW auf EU-Ebene dran. Im Stadtrat können wir darauf achten, dass Anreize und Erleichterungen für mittelständische Unternehmen geschaffen werden."

"AfD-Wähler können nicht alle völkisch-national sein"

Es gehe BSW in Dresden darum, dass Menschen, die wenig Einkommen haben, nicht benachteiligt, Forschungseinrichtungen und die Wirtschaft gefördert werden. "Bei der Ansiedlung von TSMC dürfen die kleinen Unternehmen nicht vergessen werden", so Matheas. "Im Verkehr müssen alle Teilnehmer ohne Frust aufeinander gleichberechtigt nebeneinander vorankommen. Niemand darf gegen andere ausgespielt werden."

BSW sei auch für eine Begrenzung bei der Zuwanderung, vor allem was Geflüchtete anbetrifft. "Jeder, der in seinem Heimatland bedroht ist, soll Zuflucht erhalten, aber Personen, deren Asylantrag abgelehnt ist, sollen nicht bleiben. Mit unserer Politik wollen wir auch einige AfD-Wähler ansprechen. Aktuell laufen 30 bis 35 Prozent der AfD hinterher. Die AfD-Wähler können nicht alle völkisch-national denken. Extremes Gedankengut liegt uns fern, wir wollen Völkerverständigung und Austausch."