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Driggr-Warnung auf Sächsisch: Achtung, in diesem Text geht es um Milben

Unsere Sprache verändert sich gerade rasant. Unser Autor Peter Ufer spießt in seiner Kolumne "Wortbruch" Vokabeln auf. Heute: "triggern".

Von Peter Ufer
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Nicht nur Milben lösen bei manchen Menschen Allergien aus.
Nicht nur Milben lösen bei manchen Menschen Allergien aus. © sächsische.de

Die folgenden Zeilen muss ich sensibel formulieren. Denn das Wort „triggern“ kann für Menschen emotional wirken. Daher sollte ich zu Beginn sicherstellen, dass dieser Text niemanden verletzt. Mit dieser Warnung sind wir mittendrin im Trigger-Universum. Denn es breitet sich zunehmend die Frage aus: Was macht das mit dir?

Diese Frage triggert mich, sie regt mich auf. Triggern ist ein Anglizismus, kommt vom englischen Verb to trigger und bedeutet auf Deutsch ganz allgemein das Auslösen einer Reaktion durch ein Ereignis oder ein Signal. Das Was-macht-das-mit-Dir ist für mich so ein Signal.

Wer am Driggr sitzt, also am Drücker, besitzt Macht

Ursprünglich war ein Trigger, niederländisch ein Trecker, eine Vorrichtung, ein Abzug, um durch einen Druck einen Mechanismus in Gang zu setzen. Im Englischen bedeutete einst Triggerfinger Zeigefinger, der zum Abziehen des Abzugs einer Waffe verwendet wurde. Sächsisch könnte man sagen: ä Driggr. Wenn einer am Driggr sitzt, also am Drücker, dann besitzt er Macht, und das hat Folgen.

Doch Trigger kommen nicht nur in der Waffentechnik vor, sondern ebenso in der Elektrotechnik, wo sie einen Schaltvorgang aktivieren. Physiotherapeuten nutzen Triggerpunkte, um Schmerzen zu beseitigen. In der Humanmedizin bedeutet triggern, dass ein Symptom hervorgerufen werden kann.

Ein Seelenschock macht Angst und wird deshalb therapiert

In der Humanmedizin bedeutet triggern, dass ein Symptom hervorgerufen werden kann. In der Psychiatrie ist ein Trigger ein Schlüsselreiz, der einen erinnerungsbestimmten Gefühlsausbruch auslöst. Dies kann durch Gerüche, Orte, Worte, Gesten oder optische Eindrücke geschehen. Solch ein Seelenschock macht Angst und wird deshalb therapiert.

Inzwischen wanderte der Terminus über den deutschen Jugendslang in die mediale sowie politische Sprache und wird umgangssprachlich gern genutzt, wenn jemand meint, dass ihn etwas nervt, stört, bedrängt, aufregt oder provoziert.

Widersprüche lösen keine allergischen Reaktionen aus

Anstatt selbst die Verantwortung für die möglicherweise unzumutbare Reaktion auf einen Trigger zu übernehmen, kann so die Schuld an den Auslöser abgegeben werden. Um es erst gar nicht zu Konflikten kommen zu lassen, werden vermeintliche Trigger sogar eliminiert.

Meines Erachtens aber wäre es viel sinnvoller, zu fragen: Was machst du damit? Denn vermeintliche Störfaktoren oder Widersprüche in einer Gesellschaft lösen keine allergischen Reaktionen aus wie Hausstaubmilben Schnupfen, sondern damit sollte sich der Einzelne auseinandersetzen – ganz aktiv. Noch Fragen?