Zoff nach Dresdner Baubürgermeister-Wahl

Dresden. Es war nicht knapp und trotzdem kann die Wahl von Stephan Kühn zum neuen Dresdner Baubürgermeister als Desaster bezeichnet werden. Neun sicher geglaubte Stimmen fehlten.
Im Bündnis, das nun in Verhandlungen für den Haushalt, der als Finanzplan die wichtigste Entscheidung für die kommenden Jahre ist, geht, herrscht gegenseitiges Misstrauen.
Grüne, CDU, Linke und SPD hatten bereits im März unter sich vereinbart, wer welchen Bürgermeisterposten besetzen darf. Demnach hatten die Grünen das Vorschlagsrecht für den Baubürgermeister und haben sich bereits früh für Kühn entschieden.
Am Donnerstag waren 43 Stadträte aus diesem Bündnis zur Wahl anwesend. Kühn erhielt 34 Stimmen. Dadurch klappte es gerade so im ersten Wahlgang für ihn. Eine Stimme weniger und er hätte die Mehrheit der 67 anwesenden Stimmberechtigten verpasst.
Bei den Grünen liegen die Nerven blank
Auch wenn im schlimmsten Fall fast sicher ein Sieg im zweiten Wahlgang herausgekommen wäre - da reicht eine einfache Mehrheit - liegen bei den Grünen die Nerven blank. Bereits bevor die Wahl dran war, bezeichnete es Grünen-Stadtrat Michael Schmelich bei Twitter als "grobes Foulspiel" und behauptete, die Fraktionschefs von Die Linke, André Schollbach, und CDU, Peter Krüger seien "ziemliche beste Freunde" und würden die Wahl bewusst herauszögern.
Als nach der Wahl klar wurde, dass neun Stimmen aus dem Bündnis fehlen, legte Grünen-Stadtrat Johannes Lichdi auf dem selben Kanal los. Er behauptet: "Offensichtlich hat sich vor allem Die Linke nicht an die unterschriebene Vereinbarung gehalten." Weiter geht es mit: "Der letzte Zipfel Vertrauen ist weg - die alte Erfahrung bewahrheitet sich, Schollbach, Kießling und Co sind nicht handschlagsfest." Er fordert Konsequenzen, sonst würden sich die Grünen "zum Bettvorleger degradieren".
Welche neun Stadträte nicht Kühn, sondern Gegenkandidat und Piraten-Stadtrat Martin Schulte-Wissermann, ihre Stimme gaben, lässt sich nicht beweisen. Denn die Wahl ist geheim.
Linke-Fraktionschef André Schollbach hatte am Tag vor der Wahl erklärt, Die Linke werde Kühn wählen. Zuvor hatte er sich noch zurückhaltend geäußert. "Ich habe meiner Fraktion empfohlen, Herrn Kühn zu wählen. Darauf hat sie sich einvernehmlich verständigt." Zu den Unterstellungen sagt er: "Es trifft nicht zu, dass derjenige, der am lautesten schreit, auch Recht hat."
"Fakt ist: Es gab ein Foul"
Allerdings behaupten auch alle anderen aus dem Bündnis, Kühn gewählt zu haben. "Wir haben uns dazu in der Fraktion ausgetauscht", so CDU-Fraktionschef Krüger. "Herr Kühn hat sich vorgestellt und uns überzeugt. Es gab eine interne Abstimmung und die war eindeutig." Deshalb gehe er davon aus, dass alle CDU-Stadträte Kühn gewählt haben.
Auch die SPD-Fraktion habe Kühn überzeugt, sagt Fraktionschefin Dana Frohwieser. "Also haben wir keinen Grund, die Vereinbarung mit Grünen, Linken und CDU für eine stabile Aufstellung in der Stadt infrage zu stellen. Bei freien und geheimen Wahlen ist es im politischen Raum bestenfalls müßig, zu spekulieren und darauf Vorwürfe aufzubauen, wer wie gewählt hat."
Als Foul empfindet auch Grünen-Fraktionschefin Christiane Filius-Jehne die Wahl. "Fakt ist: Es gab ein Foul, wir haben blaue Flecken und wissen nicht, wer getreten hat." Sie wolle sich an Spekulationen nicht beteiligen, weil es nicht zu beweisen sei, wer Kühn nicht gewählt hat. "Aber neun von 43 Anwesenden haben sich nicht an die Vereinbarung gehalten, das ist klar", stellt Filius-Jehne fest. "Damit ist das Vertrauen angeknackst. Zumal es vorher keinerlei Signal gab, dass jemand ein Problem mit dem Vorschlag hat." Dass möglicherweise auch Grünen-Stadträte Kühn nicht gewählt haben, schließt Filius-Jehne aus. "Wir haben Stephan bei unserer Klausur einmütig zum Kandidaten gekürt."
Sie werde die Sache nun zunächst "sacken lassen". "Danach werden wir eh viel im Gespräch miteinander sein". Denn die Haushaltsverhandlungen stehen an. "Vorher werden wir uns aber alle tief in die Augen blicken müssen und klären, wie sehr man sich vertrauen kann." Schließlich seinen die vier Fraktionen aufeinander angewiesen, um einen Haushalt zu beschließen.
"Gewählt ist gewählt"
Dieses Problem sieht auch CDU-Fraktionschef Krüger. "Es verwundert mich, wie zerrissen dieser Block aus Grünen, Linken und SPD ist. Mit Blick auf den Haushalt macht mir das große Sorgen."
"Das Wahlergebnis zeigt, wie fragil das rotgrünrotschwarze Bündnis in Wahrheit ist", so FDP-Fraktionschef Holger Zastrow. "Bei der erstbesten Gelegenheit werden alte Rechnungen beglichen und die Mütchen gekühlt. Offenbar ist das gegenseitige Vertrauen nicht allzu groß und reicht nur, um die eigenen Pfründe zu sichern." Das wundere ihn nicht bei einem Bündnis, in dem "nichts zusammengehört und nichts zusammenpasst".
Filius-Jehne betont aber auch, dass es bei den Grünen kein Bangen gegeben habe, die Wahl zu verlieren. "Gewählt ist gewählt."