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Ein Atomkraftwerk für Sachsen?

Klima, Kohle, Kernenergie: Dresdner Direktkandidaten haben beim Wahlforum über Sachsens Zukunft gestritten. Eine alte Idee wurde wiederbelebt.   

Von Melanie Schröder
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Beim Wahlforum diskutierten die Direktkandidaten des Wahlkreises 1: Sarah Buddeberg (v. l.)  (Linke), Christian Hartmann (CDU), Emiliano Chaimite (SPD), Valentin Lippmann (Grüne), Karin Wilke (AfD) und Torsten Günther (FDP).
Beim Wahlforum diskutierten die Direktkandidaten des Wahlkreises 1: Sarah Buddeberg (v. l.) (Linke), Christian Hartmann (CDU), Emiliano Chaimite (SPD), Valentin Lippmann (Grüne), Karin Wilke (AfD) und Torsten Günther (FDP). © Sven Ellger

Die Dresdner wollen reden. Über die Politik im Land. Über Sachsens Zukunft. Im Saal der Hellerauer Werkstätten müssen einige Gäste beim Wahlforum stehen, weil alle Sitzplätze belegt sind. Der Zuspruch für das Dialogformat, das von der Landeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit der Sächsischen Zeitung, der Freien Presse aus Chemnitz und der Leipziger Volkszeitung durchgeführt wird, ist immens.

Besonders an der Debatte mit den Direktkandidaten des Wahlkreises 1, die am Dienstagabend Annette Binninger, Leiterin des Politikressorts der SZ, moderiert hat: Die Zuschauer bestimmen, worüber geredet wird. Dafür kleben sie zu Beginn grüne Punkte auf Thementafeln. In Hellerau dominierte der Komplex Umwelt, Klima und Energie. Vor allem drei Aspekte standen im Fokus: Die Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs, die Frage, was Sachsen für den Klimaschutz tun kann, und die Entscheidung, wie Geld aus der Kohlekommission künftig investiert werden soll. Bis 2038 soll der Freistaat für den Strukturwandel jährlich zwei Milliarden Euro vom Bund erhalten.

Perspektive für die Lausitz - ein Atomkraftwerk für Sachsen?

Valentin Lippmann, seit 2014 parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Landtagsfraktion, träumt von einem neuen Technologie- und Energiestandort Lausitz, Sarah Buddeberg (seit 2014 Linke-Landtagsabgeordnete) pflichtete dem ebenso bei wie Emiliano Chaimite (SPD) bei. Letzterer erklärte, die Menschen in der Region bei diesem Prozess nicht zu vergessen. Über die Köpfe hinweg zu entscheiden, bringe gar nichts, betonte auch Torsten Günther, der erstmals für die FDP antritt. Auf eine funktionierende Forschungsinfrastruktur für die Region pocht zudem Christian Hartmann (CDU). Aus der Reihe fiel AfD-Direktkandidatin Karin Wilke, die seit 2015 im Landtag sitzt: Sie könne sich gut ein Atomkraftwerk in der Lausitz vorstellen, erklärte sie. Das Publikum und das Podium waren davon nicht so begeistert.

Zu viel Häme sollten die anderen Parteien aber nicht über diese Idee gießen. Einige erinnern sich vielleicht noch an den nahezu legendären Vorstoß des ehemaligen CDU-Landtagsabgeordneten Heinz Lehmann im Jahr 2005. Auch er spielte mit der Idee, ein AKW in Sachsen zu bauen. Und zwar in Hirschfelde, an der deutsch-polnischen Grenze. Damals gab es Fukushima noch nicht, doch die damalige CDU-Landtagsfraktion war trotzdem nicht allzu angetan. Der einstige CDU-Fraktionschef Fritz Hähle wiegelte ab, Lehmanns Vorstoß sei nur ein „Gedankenexperiment“. Karin Wilke zeigte sich hingegen an diesem Abend in Hellerau fest entschlossen.

Abgesehen davon wurden aber durchaus Lager erkennbar. SPD, Grüne und Linke stimmten bei Entscheidungsrunden häufig genauso überein wie CDU, FDP und AfD. Etwa bei der Frage: „Muss der Diesel weg?“ Ja, erklärten Lippmann, Buddeberg und Chaimite. Der Rest hielt dagegen. Gleiches Spiel bei der Frage: „Sollte die A4 sechsspurig ausgebaut werden?“ Dafür waren Hartmann, Wilke und Günther zu haben. Die drei Kandidaten wären ebenso wenig bereit, auf Inlandsflüge zum Klimaschutz zu verzichten, die Vertreter von SPD, Grünen und Linken schon.

Streiten über die Mobilität der Zukunft

Beim Thema Mobilität plädierten die FDP-, CDU- und AfD-Kandidaten zudem für eine gleichberechtigte Nutzung aller Verkehrsmittel. Ideen wie eine CO2-Steuer würden vor allem die belasten, die auf das Auto angewiesen seien, erklärte Günther. Dass Mobilität ohne Privatautos nicht funktioniere, bekräftigte auch Wilke. Für die CDU stehe fest, dass der Freistaat ländliche Regionen besser ans Nahverkehrsnetz anbinden muss, weil sich die Verkehrsnutzung ändere. Das betonte Hartmann. Das Auto sei in der jungen Generation längst nicht mehr das Verkehrsmittel Nummer eins.

Eine Mobilitätsgarantie zwischen 5 und 0 Uhr schwebt hingegen Lippmann für die Zukunft vor. Menschen müssten jederzeit Oberzentren im Freistaat erreichen können. Nur ein entsprechendes Angebot würde die Nachfrage beeinflussen. Dass der ÖPNV nicht privatisiert werden darf, war Buddeberg wichtig. Das überraschende Aus der Städtebahn sei für viele Pendler in Sachsen katastrophal gewesen. Solche Entwicklungen könnten politische Entscheider verhindern. Einen freien Nahverkehr oder Kombitickets, die in bestimmten Regionen Bahn- und Busfahren finanziell auch für Geringverdiener möglich und attraktiv machen, führte Chaimite als Kernforderung der SPD aus.

Klimawandel - was Sachsen tun kann 

Aus dem Publikum wurde die Frage gestellt, die einen weiten Teil des Abends einnahm: Was kann Sachsen gegen den Klimawandel tun?  Ob sie an einen vom Menschen beeinflussten Klimawandel glaubt - dazu wollte Wilke nicht eindeutig Stellung beziehen. Sie erklärte jedoch: "Für das Klima ist hauptsächlich die Sonne verantwortlich." Mit Hysterie und Panikmache könne sie nichts anfangen. Auch ihre Partei setze sich zum Beispiel für Aufforstung und Umweltschutz ein. Lippmann warf sie vor, seine Partei, die Grünen, wolle etwa mit der Förderung der Windräder die "Landschaft verspargeln". Der reagierte, derzeit würde nur ein Prozent der zulässigen Flächen in Sachsen für  erneuerbare Energien genutzt. Um 100 Prozent des Bedarfs zu decken, müssten zwei Prozent genutzt werden. "Auch wir wollen Windräder, wo sie niemanden belästigen."

CDU-Kandidat Hartmann mahnte beim Thema, die Wirtschaft in Sachsen nicht zu vergessen. Zudem sei Deutschland mit den Immissionsschutzvorgaben im Industriesektor weltweit ein Vorbild. Mit Bedacht sollten daher in seinen Augen Klimaschutz-Maßnahmen angegangen werden. Unverhältnismäßig erlebte FDP-Mann Günther die Debatte. In anderen Regionen der Erde würden täglich fünf Fußballfelder Regenwald abgeholzt und hier diskutiere man über die Abschaffung von Strohhalmen. An diesem Punkt verließ die Debatte die landespolitische Ebene für Momente. Angeschnitten wurden abschließend Komplexe wie Familie, Pflege und Sicherheit.