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Ein Augenblick ändert das ganze Leben

Eine Autofahrerin fährt in Nossen eine Fußgängerin um. Die wird schwer verletzt. Niemand hat etwas gesehen.

Von Jürgen Müller
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Hier am Markt in Nossen ereignete sich vor knapp vier Jahren ein Unfall, bei dem eine Frau schwer verletzt wurde. Jetzt landete der Fall vor Gericht.
Hier am Markt in Nossen ereignete sich vor knapp vier Jahren ein Unfall, bei dem eine Frau schwer verletzt wurde. Jetzt landete der Fall vor Gericht. © Claudia Hübschmann

Nossen. So schnell kann´s gehen: Nur eine Sekunde Unaufmerksamkeit kostet eine heute 60-jährige Nossenerin ihre Gesundheit. Bei einem Unfall am Marktplatz wird sie schwer verletzt, erleidet zwei Unterschenkelbrüche, davon einen offenen, und Bänderrisse. Eine damals 25-jährige Autofahrerin hatte sie umgefahren. Jetzt, fast vier Jahre nach dem Unfall, landet die Sache vor dem Amtsgericht Meißen. Körperverletzung wird der Autofahrerin aus Siebenlehn vorgeworfen. „Ich habe die Frau nicht gesehen“, beteuert diese. Wegen der tief stehenden Sonne an jenem Maitag gegen 17 Uhr habe sie die Sonnenbrille aufgesetzt und die Sonnenblende heruntergeklappt. Erst habe sie mit dem Auto gestanden und sich umgeschaut. Die Straße sei frei gewesen. Kaum sei sie losgefahren, habe es schon gekracht. Die Fußgängerin habe es sehr eilig gehabt, sagt sie, obwohl sie diese doch gar nicht gesehen haben will. Nach dem Unfall habe sie sich entschuldigt und den Mann der Verletzten angerufen.

Die Geschädigte schildert die Situation etwas anders. Sie selbst habe ihren Mann angerufen. Ja, die Autofahrerin habe sich entschuldigt. Aber dann habe sie erst mal eine geraucht. Sie ist ohnehin nicht gut zu sprechen auf die junge Frau. Die hatte sie zwar besucht, aber erst eineinhalb Jahre nach dem Unfall. „Das war viel zu spät. Ich hätte erwartet, dass sie sich bereits im Krankenhaus blicken lässt“, sagt die Nossenerin. Die Blumen, welche die Angeklagte mitbrachte, nahm sie nicht an. Sie leidet noch heute unter den Folgen des Unfalls. Ihr wurden an den Knöcheln Metallplatten eingesetzt, die sie aber im Oktober vorigen Jahres wieder entfernen ließ, weil sie die Schmerzen nicht mehr aushielt. Seitdem gehe es ihr zwar besser. Die Ärzte hätten ihr aber gesagt, dass sie nie wieder schmerzfrei sein werde. Vor allem bei Wetterumschwüngen spüre sie das.

Auch die Geschädigte hat das Auto nicht gesehen. Sie habe sich zweimal umgeschaut, ob die Straße frei ist, sei dann losgelaufen. Der Unfall sei mitten auf der Straße passiert. Die beiden Frauen streiten sich auch zivilrechtlich. Die Versicherung der Autofahrerin hat die Hälfte der Kosten ersetzt. Das heißt, der Fußgängerin wird eine Mitschuld an dem Unfall gegeben. Sie will außerdem noch Schmerzensgeld erstreiten. Dieses Verfahren läuft noch.

Obwohl der Markt in Nossen an diesem Tag sehr belebt ist, gibt es keine direkten Zeugen, die den Unfall beobachtet haben. Die Ersthelfer sind erst durch die Schmerzensschreie der Frau aufmerksam geworden. Weil sie nicht aufstehen konnte, hatte sie sich an den Straßenrand gerobbt.

Die Richterin spricht von einem Augenblicksversagen der Angeklagten. Ein solcher Unfall könne jedem passieren. Die Geschädigte habe ein Leben lang unter den Folgen zu leiden. Sie stellt das Verfahren wegen geringer Schuld gegen eine Geldauflage von 1 000 Euro ein. Das entspricht in etwa dem Monatsgehalt der Angeklagten. Zahlt sie diese Summe innerhalb von sechs Monaten, wird das Verfahren endgültig eingestellt. Bei einer Verurteilung wäre wohl eine Geldstrafe in ähnlicher Höhe herausgekommen. Allerdings hätte die Angeklagte auch mit einem Fahrverbot rechnen müssen. Das bleibt ihr nun erspart.