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Ein Atom-Endlager in der Oberlausitz?

Seit Jahren wird spekuliert, ob im Lausitzer Granit Atommüll gelagert werden kann. Nun erhält die Debatte neue Brisanz.

Von Marleen Hollenbach
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Wohin mit dem radioaktiven Abfall? Deutschland sucht ein Endlager für die Rückstände aus Kernkraftwerken. Bis 2031 will der Bund einen geeigneten Standort gefunden haben. Auch die Region um Kamenz und Bautzen wird dabei in Betracht gezogen.
Wohin mit dem radioaktiven Abfall? Deutschland sucht ein Endlager für die Rückstände aus Kernkraftwerken. Bis 2031 will der Bund einen geeigneten Standort gefunden haben. Auch die Region um Kamenz und Bautzen wird dabei in Betracht gezogen. © dpa

Bautzen. Die Atomkraft hat ausgedient. Zumindest in Deutschland. In vier Jahren soll das letzte Kernkraftwerk vom Netz gehen. Übrig bleibt ein großer Berg an radioaktiv verseuchtem Müll. Und die Frage: Wohin damit? Fieberhaft sucht Deutschland nach einem Aufbewahrungsort. Einen, an dem der Abfall unterirdisch gelagert werden kann. Laut dem sogenannten Standortauswahlgesetz kommen Steinsalz, Tongestein und Kristallingestein wie Granit dafür infrage. Rein formell wäre damit auch in der Oberlausitz ein Endlager denkbar.

In den vergangenen Jahren rückte der Lausitzer Granit im Gebiet zwischen Kamenz, Radeberg Bautzen und Löbau immer mal wieder als möglicher Standort zur Entsorgung des Atommülls in den Fokus. Und das Thema ist noch lange nicht vom Tisch. Alexander Ahrens (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Bautzen, ist sich sicher: „Aufgrund ihrer Granitvorkommen ist die gesamte Südhälfte der Oberlausitz in einem Topf, in dem niemand sein möchte.“

Daten auswerten

Deutlich vorsichtigere Äußerungen kommen aus dem sächsischen Umweltministerium. Aktuell sei die Lausitz nicht Gegenstand einer Diskussion um ein mögliches Endlager, berichtet Sprecher Frank Meyer, schiebt aber gleich noch hinterher: „Zumindest nicht mehr als jede andere Region in Deutschland.“ Die Bundesländer übermitteln gerade die vorhandenen geologischen Daten an die Bundesgesellschaft für Endlagerung, berichtet Meyer weiter. Erst, wenn diese Daten auch ausgewertet sind, wisse man, an welchen Orten in Deutschland möglicherweise noch weitere Untersuchungen stattfinden können.

Eine Entwarnung für die Oberlausitz ist das nicht. Das weiß auch Bautzens Oberbürgermeister. In einer Dialogrunde in Leipzig hat sich Alexander Ahrens vor einer Woche über das Verfahren informiert. Vieles daran gefällt ihm nicht. „Ich habe den Eindruck, dass man einen Weg sucht, den gesamten Prozess juristisch schlechter angreifbar zu machen“, sagt er. Das Wesentliche bei der Endlager-Suche, so meint Ahrens, soll über einzelne Gesetze geregelt werden. Das wiederum sorge aber dafür, dass es für die Bürger viel schwerer wird, gerichtlich dagegen vorzugehen. Eine wirkliche Mitbestimmung bei der Frage nach dem Standort sehe das Verfahren ohnehin nicht vor. Und nicht nur formelle Dinge kritisiert der Oberbürgermeister. Auch politisch hält es Ahrens für falsch, an einem Ort in Sachsen ein Endlager zu errichten. „Es ist für mich untragbar, dass die ostdeutschen Länder nun vielleicht noch den ganz überwiegend westdeutschen Atommüll übergeholfen bekommen“, erklärt er und kündigt schon mal an, dagegen Widerstand zu leisten.

Nicht durch Erdbeben gefährdet

Dass im Lausitzer Granit tatsächlich eines Tages Atommüll lagert, sehen nicht nur hiesige Politiker, sondern auch einige Geologen kritisch. Jens Czoßek gehört zu jenen Fachleuten, die vor einem Endlager im Granit warnen. Der Wissenschaftler arbeitet im Museum der Westlausitz in Kamenz, kennt sich mit dem Gestein aus. Grundsätzlich sei ein derart massiver Granitblock – wie jeder in der Lausitz – als Lager geeignet, meint er. Von zu jung könne man bei dem 500 Millionen Jahre alte Granit auch nicht sprechen. Außerdem sei die Oberlausitz nicht durch Erdbeben gefährdet, so der Geologe. Doch nach einem „Aber“ beginnt er all jene Gründe zu nennen, die dennoch dagegen sprechen.

Der Lausitzer Granit habe sich über Jahrmillionen verändert, so Czoßek. Erdbeben und Verwerfungen sorgten dafür, dass der Gesteinsblock heute zerklüftet ist. Das heißt, es gibt kleine Risse im Gestein. Das wisse jeder, der sich schon einmal mit dem Abbau beschäftigt hast, meint der Geologe. „Der Granit in der Oberlausitz wird in Quadern gewonnen. Das funktioniert nur deshalb so gut, weil es diese Risse gibt“, sagt er. Für die Steinbrüche ist das ein Vorteil. Bei einem Atommüll-Endlager werden die Lücken jedoch zum Risiko.

Durch die Spalten kann Wasser eindringen. Die Folge: Die Behälter mit dem Atommüll werden feucht, fangen womöglich sogar an zu verrotten. Im schlimmsten Fall entweicht radioaktives Material und verseucht das Grundwasser. „Man müsste deshalb die Wasserwege genau untersuchen“, erklärt Jens Czoßek. Mit dieser Meinung ist er nicht allein. Schon vor zwei Jahren hatte Wolfram Kudla, Professor an der Bergakademie Freiberg, betont, dass er Salz- und Tongestein für deutlich besser geeignet hält als den sächsischen Granit.

Ob die Meinung der Fachleute Berücksichtigung findet, wird spätestens 2020 feststehen. Dann sollen erste Ergebnisse zur Standortsuche präsentiert werden. Spätestens 2031 will der Bund den Ort für das Endlager verkünden.