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Ein ganz normaler Unfall?

Ein Mann übersieht ein Stoppschild und prallt mit einem Auto zusammen. Warum landet die Sache vor Gericht?

Von Jürgen Müller
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Aus Unachtsamkeit ein Stoppschild überfahren und Unfall ohne Personenschaden fabrizieren, das ist noch keine Straftat. Dennoch führt dieser Unfall vor Gericht.
Aus Unachtsamkeit ein Stoppschild überfahren und Unfall ohne Personenschaden fabrizieren, das ist noch keine Straftat. Dennoch führt dieser Unfall vor Gericht. © Symbolbild/dpa

Meißen. Es ist eine halbe Stunde nach Mitternacht an jenem 21. Mai dieses Jahres. In Coswig herrscht kaum Verkehr, die Ampel an der Kreuzung ist ausgeschaltet. Da kommt ein Rover herangebraust. Dessen Fahrer übersieht das Stopp-Schild, fährt ungebremst über die Kreuzung. Und kracht mit dem vermutlich einzigen Fahrzeug um diese Zeit auf der Moritzburger Straße zusammen. Dessen Fahrerin kann zwar noch bremsen, hat aber keine Chance mehr, den Zusammenstoß zu verhindern. „Ich sah Lichter von links, und im nächsten Augenblick krachte es schon“, sagt die 32-jährige Coswigerin. Zum Glück werden bei dem Unfall weder sie noch ihr Beifahrer verletzt, auch der Unfallverursacher kommt ohne Blessuren davon. Der Peugeot freilich ist Schrott. Eine Reparatur hätte rund 3 400 Euro gekostet, doch der Wagen hat nur einen Restwert von 3 200 Euro. Wirtschaftlicher Totalschaden also.

Der Unfallverursacher entschuldigt sich, die Geschädigten rufen zur Unfallaufnahme die Polizei. Ein ganz normaler Unfall also, so scheint es, entstanden durch Unachtsamkeit. Weder die Geschädigten noch die Polizisten schöpfen irgendeinen Verdacht, dass mit dem Unfallfahrer etwas nicht in Ordnung sein könnte. Dann jedoch stellt sich durch eine Abfrage der Polizei heraus, dass der Coswiger keine Fahrerlaubnis besitzt und zudem schon mal mit Drogen befasst war. Im Innenraum des Rovers bemerken die Polizisten Alkoholgeruch und machen bei dem Unfallfahrer einen Atemalkoholtest. Das Ergebnis: 0,59 Promille. Ein Drogentest wird ebenfalls durchgeführt. Auch dieser ist positiv. Der Mann hatte Haschisch geraucht. Nicht nur wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, sondern wegen Gefährdung des Straßenverkehrs wird der Coswiger angeklagt.

Bei der Untersuchung im Krankenhaus werden allerdings keine Ausfallerscheinungen durch die Drogen und den Alkohol festgestellt. „Allenfalls leicht alkoholisiert“, notiert der Arzt in seinem Bericht. Dass es zu keinen Beeinträchtigungen kommt, liegt daran, dass der Mann Alkohol und Drogen gewöhnt ist. Seit seinem 13. Lebensjahr rauche er Haschisch, ein bis zwei Gramm pro Tag, sagt der Angeklagte. Allein das kostet den Arbeitslosen, der einen Hauptschulabschluss und keinen Beruf hat, monatlich zwischen 300 und 600 Euro. Für den Staatsanwalt steht fest, dass es sich bei dem Unfall um einen alkoholbedingten Fahrfehler handelte. Er fordert wegen Gefährdung des Straßenverkehrs und Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe von 1 170 Euro. Außerdem soll ihm die Behörde frühestens in zwei Jahren eine Fahrerlaubnis erteilen dürfen. Die müsste der Mann ohnehin erst erwerben, denn er besaß noch nie eine.

Doch der Richter verurteilt den Angeklagten lediglich wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 600 Euro. Die Sperrfrist für eine Fahrerlaubnis legt er auf ein Jahr fest. Eine Gefährdung des Straßenverkehrs sieht er indes nicht. Dies sei nur der Fall, wenn jemand wegen berauschender Mittel nicht mehr in der Lage sei, ein Fahrzeug zu führen. Alkohol oder illegale Drogen müssten also die Ursache für den Unfall sein. Dies sei hier nicht so. Der Angeklagte habe keinerlei Ausfallerscheinungen gezeigt. Der Unfall hätte sich auch ereignet, wenn der Mann nichts konsumiert hätte. Am Ende also doch ein ganz normaler Unfall.