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Ein Königreich für eine Fuhre Heu

Für Tierparkchef Sven Näther und seine Mitarbeiter fällt Weihnachten aus. Doch das ist nicht sein größtes Problem.

Von Jürgen Müller
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Sven Näther fährt die Schubkarre mit Heu, auf dem es sich Kater Kasimier bequem gemacht hat, zu den Tieren. Wegen des trockenen Sommers fehlt es im Elbetierpark an Futter.
Sven Näther fährt die Schubkarre mit Heu, auf dem es sich Kater Kasimier bequem gemacht hat, zu den Tieren. Wegen des trockenen Sommers fehlt es im Elbetierpark an Futter. © Jürgen Müller

Diera-Zehren. Kater im Elbetierpark Hebelei müsste man sein. So wie der rot getigerte Kasimier. Er thront auf einer mit Heu gefüllten Schubkarre, gähnt kräftig, streckt die Vorderpfoten und lässt sich dann gemütlich ins Heu fallen. Gerade dieses Heu ist es aber, das seinem Herrchen und Tierparkchef Sven Näther derzeit große Sorgen macht. Er hat schlicht zu wenig, um die Tiere zu füttern. Grund ist, dass wegen der großen Trockenheit in diesem Jahr das Gras kaum wuchs. Dementsprechend gibt es auch zu wenig Heu.

Und der Mangel ließ die Preise steigen. Die hätten sich für Heu verdoppelt oder gar verdreifacht, sagt Nätzer. Das wäre eventuell noch zu verschmerzen, doch ein anderes Problem nicht. Der Markt ist leer gefegt, es gibt weder für Geld noch gute Worte Heu zu kaufen.

 „Bauern, die uns viele Jahre versorgt haben, konnten dieses Jahr nicht liefern, weil sie das Futter für die eigenen Tiere brauchen. Anderenorts haben Pferdehalter die Scheunen leer gekauft“, sagt er. Auch in Polen hat der Tierparkchef schon nach Futter Ausschau gehalten, bisher ohne Erfolg. Etwa 260 bis 300 Ballen Heu werden jedes Jahr im Tierpark verfüttert. Näther fehlen derzeit 200 Ballen. 

„Jetzt hat uns erst mal ein Landwirt aus Krögis geholfen, sodass wir bis über den Jahreswechsel hinkommen. Wie es danach weitergeht, weiß ich nicht“, sagt der Tierparkchef mit besorgter Miene.

Inzwischen ist es ihm gelungen, in der zweiten Januarwoche einen Lkw Heu aus Polen zu bekommen. „Dies bedeutet einen erheblichen wirtschaftlichen Einschnitt, da auch Heu aus Polen und der Transport sehr teuer sind. Deshalb werden wir in diesem Jahr besonders auf die Unterstützung durch Spenden angewiesen sein, wenn wir wirtschaftlich den Winter überleben wollen“, sagt Sven Näther. Er sucht noch Bauern, die dem Tierpark ein paar Rollen spenden oder günstig verkaufen. Auch Privatinitiativen durch Kauf von Heu bei Bauern oder Kleinstmengen aus dem Zoohandel könnten jeden Wintertag helfen.

365 Tage im Jahr geöffnet

Für ihn und seine Mitarbeiter – eine Festangestellte, eine Auszubildende und zwei junge Leute, die ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren, – fallen Weihnachten und Silvester ohnehin aus. Denn die 200 Tiere haben keine Weihnachten. Sie wollen auch an den Festtagen gefüttert werden. 

Täglich um 8 Uhr steht Sven Näther deshalb auf der Matte. Und da sowieso gefüttert werden muss, wird auch der Tierpark geöffnet. Der ist keinen einzigen Tag im Jahr geschlossen. Auch Heiligabend, an den Weihnachtsfeiertagen, Silvester und Neujahr können also ab 9 Uhr Besucher kommen.

Bis es dunkel wird, ist Heiligabend Sven Näther in der Hebelei. Den Gänsebraten an den Feiertagen gibt es erst abends. Für ihn ist das ganz normal, für manche Mitarbeiter aber ist das schwierig. Nicht für Sven Näther: „Am 1. August 1992 habe ich meine Lehre zum Zootierpfleger im Thüringer Zoopark Erfurt begonnen. Das ist nun 26 Jahre her. Seit dieser Zeit habe ich immer Weihnachten Dienst gehabt“, sagt er. Auch außerhalb der Öffnungszeiten sorgt sich Sven Näther um die Tiere. So fährt er Silvester kurz nach Mitternacht von seinem Wohnort Lommatzsch in die Hebelei, um zu sehen, dass alles in Ordnung ist.

Näther und seine Mitarbeiter hoffen, dass über den Jahreswechsel schönes Wetter ist und viele Besucher den Weg in den Tierpark finden. Dann würde es auch Führungen und Tierfütterungen geben, verspricht er. Am 1. Januar gibt es den traditionellen Neujahrsempfang und um 14 Uhr eine Führung.

Rund 28 000 Besucher zählte der Elbetierpark im Jahr 2017, in diesem Jahr dürften sich die Besucherzahlen in etwa den gleichen Größenordnungen bewegen. „Es ist schwer, Jahr für Jahr diese Besucherzahlen zu halten, besser wären aber 35 000 zahlende Gäste“, sagt er. Denn die Kosten steigen, nicht nur für das Futter. Ab Januar wird auch der Mindestlohn erhöht, das bedeutet weitere Mehrausgaben. „Eigentlich müsste ich die Eintrittspreise anheben“, sagt er. Doch jetzt gilt erst einmal seit Dezember der Winterpreis. Erwachsene zahlen einen Euro weniger.

Trotz aller Probleme ist für Sven Näther Aufgeben keine Option. Er setzt große Hoffnungen in den kürzlich gegründeten Förderverein. „Das war für mich die Überraschung des Jahres, nachdem schon lange über solch einen Verein gesprochen wurde“, sagt er. Der Verein will langfristig Geld einwerben, um den Tierpark zu unterstützen.

Doch jetzt muss Näther erst mal kurzfristig das Futterproblem lösen. Energisch greift er zur Schubkarre mit dem Heu. Kasimier schaut irritiert, springt runter von dem gemütlichen Heuhaufen. Er muss sich jetzt erst einmal ein anderes Plätzchen suchen.