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Ein Winter, wie er früher einmal war

Der Heiligabend wird frühlingshaft. Doch die Kälte kann noch kommen. Ein Überblick zu den schlimmsten Eisperioden.

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© Walter Döbold

Meißen. Weiße Weihnachten. Alle Jahre wieder träumen wir davon. Doch unterm Baum sitzen und dem Flockenwirbel zuschauen, war in den letzten 56 Jahren im Elbland selten möglich. Die Daten vom Deutschen Wetterdienst zeigen: Meistens gab es zu Weihnachten Schmuddelwetter. Nur 13 Mal lag an der Messstation in Dresden-Klotzsche richtig Schnee, zuletzt 2010 mit immerhin acht Zentimetern. Wintermuffel sollten sich jedoch nicht zu früh freuen. Das kalte Ende kann noch kommen. Das zeigt ein Blick in die Geschichte.

1912: Das Spazierengehen auf der Elbe wird im Februar für die Anwohner des Flusses zu einem regelrechten Spektakel. Zum Schlittschuhlaufen ist das allerdings zu uneben.
1912: Das Spazierengehen auf der Elbe wird im Februar für die Anwohner des Flusses zu einem regelrechten Spektakel. Zum Schlittschuhlaufen ist das allerdings zu uneben. © Sammlung Holger Naumann
1987: Schneepflüge rücken im Januar auf der Schweriner Straße in Dresden zum Einsatz aus. Eine Kältewelle versetzt die DDR in Schockstarre.
1987: Schneepflüge rücken im Januar auf der Schweriner Straße in Dresden zum Einsatz aus. Eine Kältewelle versetzt die DDR in Schockstarre. © Waltraut Kossack

Winter in Meißen

Winter 1947, Eisberge an der Elbe, Siebeneichner Straße
Winter 1947, Eisberge an der Elbe, Siebeneichner Straße
Winter 1947, Eisberge an der Elbe, Siebeneichner Straße
Winter 1947, Eisberge an der Elbe, Siebeneichner Straße
Winter 1947, Eisberge an der Elbe, Siebeneichner Straße
Winter 1947, Eisberge an der Elbe, Siebeneichner Straße
Freisitze mit Schnee
Freisitze mit Schnee
Dom und Albrechtsburg an einem Wintermorgen
Dom und Albrechtsburg an einem Wintermorgen

1784: Vulkane sorgen für eine kleine Eiszeit mit verheerenden Folgen

Die Erde wird unruhig Anfang des Jahres 1783. Erst kommt es zu heftigen Beben in Italien. Dann brechen der Eldeyjar und über 100 weitere Vulkane auf Island aus. Aus Asche und Gasen bildet sich ein blauer Dunst. Der sogenannte Höhenrauch zieht über Europa und kühlt das Klima deutlich ab. In der Folge wird Sachsen ab Dezember von einer Kältewelle heimgesucht, welche Ende Februar mit einem Wärmeschub endet. Das Eis der Elbe bricht dadurch auf und bildet mit dem losgelassenen Schmelzwasser eine Lawine. Todbringend wälzt sich die grau-weiße Flut durch das Elbtal. Die Meißner Elbbrücke wird beschädigt. Niemand ist auf eine solche Katastrophe vorbereitet. Der Kurfürst sorgt in der Folge für mehr Hochwasserschutz, der sich beim nächsten Eishochwasser 1799 bereits auszahlt.

1799: Riesige Schollen verstopfen die Bögen der Meißner Brücke

Vom 20. Dezember 1798 bis zum 20. Februar 1799 herrscht strenger Frost mit Temperaturen weit unter minus 20 Grad im Sachsenland. Rasch bildete sich eine geschlossene Eisdecke. Von Böhmen kommende Schollen schieben sich darunter oder staute sich an Hindernissen zu Eisbergen auf. An einigen Orten sprengt die Artillerie den Panzer. Kanonenschüsse alarmieren schließlich ab dem 23. Februar die Menschen im Elbtal. Einen Tag später ist es in Meißen so weit. Hier tobt die Natur mit am schrecklichsten. Von Zehren herauf staut das Eis zurück, verstopft die Brückenbögen und baut so einen Damm. Die Schollen türmen sich zu einem Wall auf. Vom Kirchturm in Strehla erblickt ein Beobachter nichts als Himmel und Wasser mit Eis, aus dem nur Wipfel von Bäumen, Dächer von Gebäuden und Spitzen von Kirchtürmen hervorragen. 1845 folgte dann das Jahrhundert-Eishochwasser des 19. Jahrhunderts, bei dem die Elbe erstmals wieder mit einem Arm durch die Nassau fließt.

1912: Vom Schreckensszenario zum Volksvergnügen

Eine geschlossene Eisdecke wird in den Wintern des 20. Jahrhunderts häufiger verzeichnet. So friert die Elbe im Februar 1912 zu. Auch in den Jahren 1929, 1940, 1954 präsentierte sie sich im Eismantel. Letztmalig findet dieses Ereignis im Februar 1963 statt – obwohl der Fluss zu diesem Zeitpunkt bereits mit vielen Chemikalien belastet ist, welche die Kristallbildung behindern. Die Elbanwohner erobern sich den starr liegenden Strom als Tummelplatz. Zeitdokumente berichten von fröhlichen Schlittenfahrten und volksfestähnlichen Schlittschuhläufen. Auch wird der zugefrorene Fluss ganz praktisch als Transportweg für Waren genutzt. Pfiffige Gastwirte mit Wirtschaften an der Elbe füllen ihre Keller mit geschlagenen Eisblöcken. Im Winter 1939/1940 werden dann sogar „Eiswanderungen“ von Dresden nach Meißen unternommen.

1979 und 1987: Der Winter als schlimmster Feind der DDR

Es ist ein bis dahin nie gekannter Temperatursturz, der Sachsen, vor allem aber Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zum Jahreswechsel vor knapp 40 Jahren in ein winterliches Drama stürzt. So wird am 31. Dezember 1978 auf dem Fichtelberg noch ein Grad plus gemessen. Am Neujahrsmorgen sind es 27 Grad minus. Das ungewöhnlichste Wetterereignis des 20. Jahrhunderts bringt mit starkem Schneefall und Sturm als Blizzard das öffentliche Leben nach und nach von Norden nach Süden zum Erliegen. Im Norden Deutschlands setzt ein 78-stündiger Schneesturm ein. Die Insel Rügen ist von der Außenwelt abgeschnitten. In weiten Teilen der DDR bricht die Stromversorgung für Tage zusammen. Acht Jahre später wiederholt sich das Szenario ähnlich. In der Nacht vom 13. zum 14. Januar 1987 erlebt Berlin die kälteste Januarnacht des Jahrhunderts. Vom 10. bis zum 15. Januar steigen die Tagestemperaturen in vielen Orten nicht über minus 20 Grad. Erneut gefriert die Kohle in den Tagebauen. Ein Unfall im Kraftwerk Boxberg kommt hinzu. Die DDR-Energiewirtschaft kommt an ihre Grenzen.

2012: Öl geliert in Bodenbach, doch die Motorradfahrer freuen sich

Das Tanklager bei Nossen kann über mehrere Tage kein Heizöl mehr liefern. Ursache für den Engpass sind die hohen Kältegrade. Das Lager in Bodenbach gilt als anfällig. Kalte Winde lassen die Temperaturen in der Vorerzgebirgs-Gegend tief fallen. Problematisch für das Heizöl ist im Winter der Anteil an Paraffin. Dieses bildet bei Kälte Kristalle. Dadurch kann die Leitung verstopfen und die Ölzufuhr zur Heizung unterbrochen werden. Was dem einen sein Unglück, ist dem anderen sein Glück. Anfang Februar veranstaltet der MC Meißen auf dem Eis des Waldbades Oberau ein Eisspeedwayrennen mit Piloten aus Tschechien, Polen, Österreich, Deutschland und den Niederlanden. Für die Winzer dagegen kommt der Frost in diesem Jahr zu spät. Sie können vom 2011er keinen Eiswein lesen. Die letzte Eisweinlese in Sachsen findet 2016 statt. (SZ/pa)