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„Erstaunliche Arroganz“

Eine Studie des Empirica-Instituts in Berlin empfiehlt „Sterbebegleitung“ für Orte, die angeblich aussterben. Dagegen regt sich Widerstand in der Region Löbau-Zittau.

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© dpa

Löbau-Zittau. Eine Studie des Empirica-Instituts in Berlin empfiehlt „Sterbebegleitung“ für Orte, die angeblich aussterben (die SZ berichtete). Richtig viel Geld sollen dagegen Städte wie Görlitz erhalten, in denen es noch Perspektiven für die Zukunft gebe, schreiben die Autoren.

Meinungen zur Sterbebegleitung

Matthias Weber, Volkshochschule Dreiländereck: "Ich bin beruflich häufig außerhalb Sachsens unterwegs und sage bei Vorstellungsrunden, dass ich in einer Region arbeite und lebe, in der andere Urlaub machen! Die Aussagen der Studie konterkarieren meine Bemühungen, die Region zu stärken. Immerhin wurde dieses Jahr die Richtlinie zur Förderung der Weiterbildung geändert. Die Mindestteilnehmerzahl kann nun unterschritten werden, wenn ein besonderer organisatorischer Aufwand nötig ist. Den halte ich im ländlichen Raum als gegeben."
Matthias Weber, Volkshochschule Dreiländereck: "Ich bin beruflich häufig außerhalb Sachsens unterwegs und sage bei Vorstellungsrunden, dass ich in einer Region arbeite und lebe, in der andere Urlaub machen! Die Aussagen der Studie konterkarieren meine Bemühungen, die Region zu stärken. Immerhin wurde dieses Jahr die Richtlinie zur Förderung der Weiterbildung geändert. Die Mindestteilnehmerzahl kann nun unterschritten werden, wenn ein besonderer organisatorischer Aufwand nötig ist. Den halte ich im ländlichen Raum als gegeben."
Harald Kaulich, Vorstand der WGO Löbau: "Das Potenzial ist da, damit sich die Region entwickeln kann. Vorausgesetzt, die Politik zieht stärker mit als bisher. Die in der Studie aufgezeigten Entwicklungen müssen so bei uns nicht eintreten. Wir als Wohnungsgenossenschaft können auf eine gute soziale Mieterstruktur und geringen Leerstand verweisen – sowohl in den Städten als auch auf dem Land. Die Menschen lassen sich nicht vorschreiben, wo sie leben wollen. Das merken wir an der Nachfrage nach Vier-Raum-, aber auch Single-Wohnungen."
Harald Kaulich, Vorstand der WGO Löbau: "Das Potenzial ist da, damit sich die Region entwickeln kann. Vorausgesetzt, die Politik zieht stärker mit als bisher. Die in der Studie aufgezeigten Entwicklungen müssen so bei uns nicht eintreten. Wir als Wohnungsgenossenschaft können auf eine gute soziale Mieterstruktur und geringen Leerstand verweisen – sowohl in den Städten als auch auf dem Land. Die Menschen lassen sich nicht vorschreiben, wo sie leben wollen. Das merken wir an der Nachfrage nach Vier-Raum-, aber auch Single-Wohnungen."
Horst Seifert, HSG Turbine Zittau: "Es ist erstaunlich, mit welcher Arroganz sich sogenannte Experten über eine Jahrhunderte alte Kulturregion äußern. Unter der Gürtellinie finde ich dabei die Wortwahl. Mit Begriffen wie Sterbehilfe, Ausbluten, Schwarmbildung verhöhnt und diskriminiert man 200 000 Menschen, die hier leben. Die Region ist keine Insel. Mit Böhmen gibt es enge Beziehungen, die nach dem EU-Beitritt immer mehr in Gang kommen. In der Metropole Liberec liegt unsere Zukunft. Wir müssen nur unser Potenzial richtig nutzen."
Horst Seifert, HSG Turbine Zittau: "Es ist erstaunlich, mit welcher Arroganz sich sogenannte Experten über eine Jahrhunderte alte Kulturregion äußern. Unter der Gürtellinie finde ich dabei die Wortwahl. Mit Begriffen wie Sterbehilfe, Ausbluten, Schwarmbildung verhöhnt und diskriminiert man 200 000 Menschen, die hier leben. Die Region ist keine Insel. Mit Böhmen gibt es enge Beziehungen, die nach dem EU-Beitritt immer mehr in Gang kommen. In der Metropole Liberec liegt unsere Zukunft. Wir müssen nur unser Potenzial richtig nutzen."
Matthias Schwarzbach, IHK Zittau: "Die ostsächsische Region wurde in jüngeren Regionalstudien immer wieder als im wirtschaftlichen Abschwung befindlich dargestellt. Das ist nichts Neues für uns. Als Kontrastprogramm hierzu wirken Meldungen über die prosperierende wirtschaftliche Entwicklung, der Erfolg einzelner mittelständischer Unternehmen und die Innovationskraft der Hochschule. Es gibt immer ein Auf und Ab in der Geschichte. Ich gebe dem ländlichen Raum durchaus eine Chance, wenn die Infrastruktur stimmt. Totgesagte leben länger."
Matthias Schwarzbach, IHK Zittau: "Die ostsächsische Region wurde in jüngeren Regionalstudien immer wieder als im wirtschaftlichen Abschwung befindlich dargestellt. Das ist nichts Neues für uns. Als Kontrastprogramm hierzu wirken Meldungen über die prosperierende wirtschaftliche Entwicklung, der Erfolg einzelner mittelständischer Unternehmen und die Innovationskraft der Hochschule. Es gibt immer ein Auf und Ab in der Geschichte. Ich gebe dem ländlichen Raum durchaus eine Chance, wenn die Infrastruktur stimmt. Totgesagte leben länger."
Marko Weber-Schönherr, Geschäftsführer Kreissportbund: "Dass viele den Landkreis verlassen, um woanders ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ist logisch. Wir brauchen wieder mehr attraktive Jobs. Da ist auch die Wirtschaftsförderung in der Verantwortung. Gerade im Bereich Sport gehen durch Wegzug viele Aktive und Ehrenamtler verloren. In den Gemeinden sind Sportvereine dennoch zentrale Treffpunkte für die Menschen. Das gilt es zu erhalten. Man sollte aufpassen, nicht immer so eine schlechte Stimmung zu verbreiten."
Marko Weber-Schönherr, Geschäftsführer Kreissportbund: "Dass viele den Landkreis verlassen, um woanders ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ist logisch. Wir brauchen wieder mehr attraktive Jobs. Da ist auch die Wirtschaftsförderung in der Verantwortung. Gerade im Bereich Sport gehen durch Wegzug viele Aktive und Ehrenamtler verloren. In den Gemeinden sind Sportvereine dennoch zentrale Treffpunkte für die Menschen. Das gilt es zu erhalten. Man sollte aufpassen, nicht immer so eine schlechte Stimmung zu verbreiten."
Klaus Urland, Unternehmer und Stadtrat (CDU) aus Strahwalde: "Die Studie zeigt, dass es höchste Zeit ist, dass etwas für unsere Region getan wird. Dabei nehme ich die Bundes- und Landespolitiker in die Pflicht, die die Entwicklung der Oberlausitz bisher verschlafen haben. Viele Maßnahmen, wie der Mindestlohn, sind für mich nur Notlösungen. Was fehlt, ist eine starke Industrie, die man mit steuerlichen Vorteilen gleich nach der Wende hätte hier ansiedeln können. Die eigentliche Wirtschaftskraft sind nur das Handwerk und der Mittelstand."
Klaus Urland, Unternehmer und Stadtrat (CDU) aus Strahwalde: "Die Studie zeigt, dass es höchste Zeit ist, dass etwas für unsere Region getan wird. Dabei nehme ich die Bundes- und Landespolitiker in die Pflicht, die die Entwicklung der Oberlausitz bisher verschlafen haben. Viele Maßnahmen, wie der Mindestlohn, sind für mich nur Notlösungen. Was fehlt, ist eine starke Industrie, die man mit steuerlichen Vorteilen gleich nach der Wende hätte hier ansiedeln können. Die eigentliche Wirtschaftskraft sind nur das Handwerk und der Mittelstand."
Steffen Roy, Campingplatz am Olbersdorfer See: "Ich habe die Studie zwar nicht gelesen, aber wenn dort Worte wie „Sterbehilfe“ fallen, ist das für uns als Tourismusanbieter natürlich eine schlechte Sache. Das wertet die Region ab. Ich finde, die Politik sollte lieber Geld ausgeben, um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, als für solche Studien. Dass diese Einfluss auf das Buchungsverhalten unserer Gäste haben, glaube ich aber nicht. Da sollte man die Außenwirkung nicht überschätzen. Wer bei uns Urlaub machen möchte, der kommt auch."
Steffen Roy, Campingplatz am Olbersdorfer See: "Ich habe die Studie zwar nicht gelesen, aber wenn dort Worte wie „Sterbehilfe“ fallen, ist das für uns als Tourismusanbieter natürlich eine schlechte Sache. Das wertet die Region ab. Ich finde, die Politik sollte lieber Geld ausgeben, um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, als für solche Studien. Dass diese Einfluss auf das Buchungsverhalten unserer Gäste haben, glaube ich aber nicht. Da sollte man die Außenwirkung nicht überschätzen. Wer bei uns Urlaub machen möchte, der kommt auch."
Josef Kempis, Ortsvorsteher Obercunnersdorf: "Die Zukunft wird zeigen, dass es durchaus lohnenswert sein kann, in einer eher ländlichen Region zu leben. Zur Oberlausitz gehören nicht nur Städte wie Görlitz oder Bautzen, sondern auch das Umland. Der ein oder andere, der wegen Ausbildung oder Beruf weggezogen ist, wird sicher wieder in seine Heimat zurückkommen. Hier lebt es sich ruhiger als in einer Großstadt. Kulturell und menschlich darf künftig nicht alles auf eine Stelle verlagert werden. Wir dürfen das dörfliche Leben nicht sterben lassen."
Josef Kempis, Ortsvorsteher Obercunnersdorf: "Die Zukunft wird zeigen, dass es durchaus lohnenswert sein kann, in einer eher ländlichen Region zu leben. Zur Oberlausitz gehören nicht nur Städte wie Görlitz oder Bautzen, sondern auch das Umland. Der ein oder andere, der wegen Ausbildung oder Beruf weggezogen ist, wird sicher wieder in seine Heimat zurückkommen. Hier lebt es sich ruhiger als in einer Großstadt. Kulturell und menschlich darf künftig nicht alles auf eine Stelle verlagert werden. Wir dürfen das dörfliche Leben nicht sterben lassen."
Christian Kühne, Kirchenmusikdirektor in Löbau-Zittau: "Den Realitäten kann man sich nicht verschließen. Das positive an der Studie ist, dass sie empfiehlt, sich dem Schwarmverhalten entgegenzustellen. Für unsere Region finde ich es wichtig, Angebote zu koordinieren und Kräfte zu bündeln - um sie nicht zu verschleißen. Dass geht nur miteinander. Kulturelle Angebote und eine gute Infrastruktur sind wichtige Voraussetzungen für eine ausgewogene Sozialstruktur. Hier sollte nicht gespart werden, denn das käme uns teuer zu stehen."
Christian Kühne, Kirchenmusikdirektor in Löbau-Zittau: "Den Realitäten kann man sich nicht verschließen. Das positive an der Studie ist, dass sie empfiehlt, sich dem Schwarmverhalten entgegenzustellen. Für unsere Region finde ich es wichtig, Angebote zu koordinieren und Kräfte zu bündeln - um sie nicht zu verschleißen. Dass geht nur miteinander. Kulturelle Angebote und eine gute Infrastruktur sind wichtige Voraussetzungen für eine ausgewogene Sozialstruktur. Hier sollte nicht gespart werden, denn das käme uns teuer zu stehen."

Dagegen regt sich Widerstand auch unter den Menschen, die in der Region arbeiten, um das gesellschaftliche Leben bunt und vielfältig zu erhalten. Die SZ hat sie gefragt: „Ist die Forderung nach einer Sterbebegleitung einfach nur ehrlich oder respektlos?“