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„Es ist eben ein Golf“

Ab Montag läuft in der Gläsernen Manufaktur in Dresden der neue e-Golf vom Band. Wir sind mit dem Wagen schon mal „rumgestromert“.

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© VW

Von Lars Radau

Der Führungsmann hebt warnend den Arm. Wenig später steht die Truppe mittelalter Radler in quietschbunten Sportklamotten. Im Gegensatz zu ihnen ist das Auto, das gemächlich auf der Vorfahrtsstraße angerollt kommt, absolut unauffällig: ein weißer Golf. Auffällig ist allein, dass die Radler diesen speziellen Golf kaum gehört haben dürften.

Testfahrer und Autor Lars Radau lotete für die SZ aus, was der e-Golf von VW kann.
Testfahrer und Autor Lars Radau lotete für die SZ aus, was der e-Golf von VW kann. © Stefan Sauer/ fotoworkx

Mallorca im Frühjahr ist, wenn Hobby-Radsportler auf die Insel kommen, um sich inmitten üppig sprießender Natur auf schmalen, kurvigen und durchaus auch steigungsreichen Nebenstraßen in Form zu bringen. Mallorca in diesem Frühjahr ist aber auch, wenn Volkswagen mit einer hohen zweistelligen Anzahl von Testwagen auf die Insel kommt, um auf schmalen, kurvigen und durchaus auch steigungsreichen Nebenstraßen neue Varianten des Millionensellers Golf zu präsentieren.

Eine davon kommt jetzt auch aus Dresden – am Montag startet in der für mehr als 20 Millionen Euro umgebauten Gläsernen Manufaktur offiziell die Produktion des e - Golf, also der Golf-Variante mit Elektroantrieb. Die ersten Exemplare sind dort indes schon seit Ende Januar montiert worden, Ende April soll die sogenannte „Kammlinie“ erreicht sein. Dann verlassen 35 Fahrzeuge täglich das Werk. In Dresden, betont Manufaktur-Sprecher Carsten Krebs, wird die zweite Generation des e-Golf gebaut. Und die, ist man bei VW überzeugt, ist im Vergleich mit der seit 2014 angebotenen ersten Generation ebenfalls noch einmal ordentlich in Form gebracht worden.

Genau genommen: in H-Form. Die überarbeitete Lithium-Ionen-Batterie, die für den Antrieb des e-Golfs sorgt, müsse man sich wie ein liegendes H vorstellen, sagt Jonas Tousen. Der promovierte Ingenieur arbeitet in der Entwicklung der Elektro-Antriebe bei VW. „Vereinfacht gesagt liegen die größten Elemente des Akkus unter den Vordersitzen und der Rückbank. Das Verbindungsstück, also der Querstrich, findet im Kardantunnel Platz.“ Das war auch schon beim Vorgänger so.

Beim neuen Akku haben Tousen und sein Team aber den Energiegehalt um gut die Hälfte erhöht – von 24,2 auf knapp 36 Kilowattstunden. Das bedeutet in erster Linie eine höhere Reichweite: Statt bisher maximal 190 Kilometer komme der Dresdner e-Golf im „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ mit einer Batterieladung nun 300 Kilometer weit. Weil dieser Fahrzyklus aber laut Tousen „wenig mit der Realität zu tun“ hat, spricht VW lieber vom „kundenrelevanten Jahresmittel“. Je nach Fahrweise, Wetter und Einsatz von Klimaanlage oder Heizung seien 200 Kilometer aber „locker drin“, sagt Tousen. Gleichzeitig stieg die Leistung der e-Maschine in der zweiten Generation von 115 auf 136 PS – und das Spitzentempo von 140 auf 150 Kilometer pro Stunde.

Überprüfen ließ sich das auf den mallorquinischen Nebenstraßen nicht wirklich, weil sie nicht nur kurvig und hügelig, sondern auch strikt tempobegrenzt sind. Immerhin: Nach einer eher gemächlichen Testrunde über etwas mehr als 100 Kilometer zeigte der Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von etwas mehr als 16 Kilowattstunden und eine Restreichweite von rund 130 Kilometern an. Tousens Reichweiten-Versprechen könnte also hinkommen – zumal die Technik den Fahrer beim Stromsparen unterstützt.

Stolzer Preis und nichts zum Angeben

An Bord des e-Golfs ist ein prädiktives Navigationssystem, das dem Fahrer anhand der hinterlegten Streckendaten Infos zum effizienten Fahren gibt. Kommt beispielsweise eine Bergabfahrt, eine Kurve, eine Abzweigung, ein Kreisverkehr oder ein neues Tempolimit, erscheint im Display hinter dem Lenkrad ein kleines blaues Symbol mit dem Hinweis „Fuß vom Gas“, schon bevor der Fahrer die Verkehrsänderung erkennt.

Der Frühling auf Mallorca ist auch für den e-Golf die ideale Umgebung. „Am liebsten mag die Batterie Außentemperaturen um die 20 Grad“, sagt Jonas Tousen. Deutlich höhere oder deutlich niedrigere Werte zehren an der Leistung des Akkus. Nicht von ungefähr bietet VW als Zubehör für den e-Golf eine Wärmepumpe an, die vor allem unter winterlichen Bedingungen die Reichweite stabil halten soll. „Flapsig gesagt funktioniert die klassische Heizung wie ein Wasserkocher, zieht also viel Strom und ist wenig energieeffizient“, sagt Tousen. Die Wärmepumpe nutzt die Umgebungsluft und die Abwärme der Antriebskomponenten – und reduziert damit deutlich die elektrische Leistungsaufnahme der Heizung. Dieses Extra dürften die meisten der 800 ersten Kunden-e-Golfs an Bord haben, die ab Montag in der Gläsernen Manufaktur vom Band laufen – sie gehen alle nach Norwegen.

975 Euro sind laut Preisliste für die Wärmepumpe fällig – zusätzlich zum e-Golf-Startpreis von 35 900 Euro. Ein sinnvoller Zusatzkauf scheint zudem eine sogenannte Wallbox zu sein. So hilfreich die größere Batterie mit Blick auf die Reichweite im neuen e-Golf auch sein mag, so nachteilig ist sie, wenn man zu Hause nur eine normale Steckdose zum Laden hat. Mit ihrer Stromabgabe von 2,3 Kilowatt dauert das Auffüllen des leeren Akkus über 15 Stunden. Die Wallbox kann maximal elf Kilowatt bereitstellen, kostet aber rund 900 Euro plus Montage durch einen Elektriker.

So ergibt sich schnell ein Gesamtpreis, der für einen Golf ziemlich üppig ist. Insofern beschreibt Jonas Tousens Stoßseufzer „Es ist eben ein Golf“ die Vor- und Nachteile des e-Golfs ziemlich genau: Einerseits bekommt der Kunde einen bewährten und in jeder Beziehung bekannten Kompaktwagen, bei dem der Elektroantrieb im Alltag für keinerlei Einschränkungen sorgt, nicht einmal beim Kofferraumvolumen. Andererseits fällt der e-Golf eben auch nicht auf, wenn man nicht genau auf das Typenschild schaut.

Käufer können kein sichtbares Statement abgeben, wie umweltbewusst und zukunftsorientiert sie unterwegs sind – im Gegensatz zu den Wettbewerbs-Modellen, dem in Leipzig gebauten BMW i3 und dem Renault Zoe. Die fallen zwar eine ganze Fahrzeugklasse kleiner aus, verkaufen sich auf dem deutschen Markt bislang aber besser als der e-Golf.