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Ex-Lomma-Chef erneut vor Gericht

Wegen Insolvenzverschleppung wird gegen Martin Spieß nach mehr als fünf Jahren verhandelt. Ob er erscheint, ist ungewiss.

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© Archiv/Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Lommatzsch. Wenn es nach der Justiz geht, muss der ehemalige Chef der früheren Lomma GmbH Martin Spieß im März erneut nach Sachsen reisen. Fast sechs Jahre nach der Insolvenz seines Unternehmens soll er sich vor dem Schöffengericht des Amtsgerichtes Dresden wegen Insolvenzverschleppung bei der Lomma verantworten. Dieses Gericht ist für Wirtschaftsstrafsachen im Landkreis Meißen zuständig, deshalb findet die Verhandlung nicht am Meißner Amtsgericht statt.

Da das Schöffengericht zusammentritt, bedeutet dies, dass Spieß im Falle einer Verurteilung mit einer Haftstrafe von mindestens zwei Jahren rechnen muss. Als Höchststrafe kann ein Schöffengericht eines Amtsgerichtes vier Jahre Haft verhängen.

Streit um Geschäftsführerposten

Warum es so lange dauerte, bis das Verfahren stattfindet, kann Gerichtssprecherin Birgit Keeve nicht beantworten. Möglich, dass Spieß lange Zeit nicht geladen werden konnte, da er unter der jeweils angegebenen Adresse nicht erreichbar war oder Einschreiben zurückkamen. Diese Erfahrung machte jedenfalls die Stadt Lommatzsch, die Spieß ebenfalls wegen Steuerschulden und nicht gezahlten Abwasserbeiträgen sucht. Mehrfach wurde versucht, Schreiben öffentlich zuzustellen.

Ein weiteres Problem ist, dass die alte Lomma und damit Spieß als geschäftsführender Gesellschafter Eigentümer eines Grundstückes ist, auf dem sich unter anderem ein Angelteich befindet. Dieser wird vom Angelverein genutzt. Doch nachdem der Pachtvertrag auslief, ist das nicht mehr möglich. Eine Vertragsverlängerung scheiterte daran, dass Spieß als Verpächter nicht auffindbar war.

Die Stadt hat inzwischen Zwangsversteigerung für das Grundstück beim Amtsgericht Dresden beantragt. Mit dem Erlös sollen die Schulden wenigstens teilweise beglichen werden. Einen Versteigerungstermin dafür gibt es noch nicht, wie Bürgermeisterin Anita Maaß (FDP) mitteilt. „Die Nutzung des Angelteiches ist in der Schwebe, solange keine Entscheidung oder Versteigerung erfolgte“, sagt sie.

Auch anderswo hat Spieß juristischen Ärger, dort allerdings zivilrechtlich. So fordert in Österreich ein ehemaliger Geschäftspartner rund 20 000 Euro zurück, die Spieß für Leistungen kassiert haben soll, die er nicht erbracht habe. Auch in Deutschland gibt es derartige Forderungen. Sie richten sich allerdings nicht gegen Spieß, sondern die österreichische Firma A. Scheffer Consulting und Unternehmensberatung GmbH aus Altenmarkt bei Salzburg fordert von der Stuttgarter Firma Sitec Präzisionstechnik Honorar von rund 20 000 Euro, weil Spieß hier vom 17. Juni bis 14. September 2014 als Interims-Geschäftsführer tätig war. Doch die Stuttgarter weigern sich, das Geld zu zahlen. Spieß habe Qualifikationen vorgetäuscht, die er nicht besitzt und sich als unfähig erwiesen. Die ersten zwei Wochen seiner Tätigkeit seien bezahlt worden, dann sei aus genannten Gründen kein Geld mehr geflossen.

Ursprünglich wollte das Landgericht Stuttgart im November vorigen Jahres eine Entscheidung fällen. Doch der Verhandlungstermin wurde verschoben wegen Überlastung des Gerichtes. Einen neuen Termin gibt es nach Aussagen von Rechtsanwältin Dr. Regina Tzeschlock, die das Stuttgarter Unternehmen vertritt, bisher nicht.

Das große Schweigen

Seit 2011 war der mehrfach Vorbestrafte bei der Firma Scheffer als Berater, Mentor und Coach von Spitzenmanagern in der Automobilindustrie sowie deren Lieferanten tätig. Ob Spieß bei der Firma Scheffer immer noch beschäftigt ist, bleibt unklar. Nachdem herausgekommen war, dass der Ex-Lomma-Chef auf der Internetseite des Unternehmens mit Referenzen warb, die offensichtlich nicht zutrafen, verschwanden diese von der Seite. Spieß wurde auch nicht mehr namentlich als Mitarbeiter erwähnt, war aber noch auf Fotos zu sehen. Auch diese sind mittlerweile von der Seite getilgt worden. Möglich, dass es der Firma Scheffer mittlerweile peinlich ist, Spieß beschäftigt zu haben. Auf schriftliche Anfrage der SZ, ob Spieß noch für das Unternehmen tätig ist, ob bekannt war, dass Spieß ein mehrfach unter anderem wegen Betrugs und Körperverletzung rechtskräftig verurteilter Straftäter ist und ob sein Wirken in der Firma Schaden verursacht hat, antwortete die Firma Scheffer nicht.

In jedem Fall ist es dem Stuttgarter Unternehmen inzwischen peinlich, mit einem wie Spieß zusammengearbeitet zu haben. Volkswagen möchte sich zu der Personalie am liebsten überhaupt nicht äußern. Lediglich, dass Spieß mal im Konzern beschäftigt war, aber nie im Topmanagement, hat der Konzern eingeräumt. Mehr will man dazu nicht sagen. So etwas ist üblicherweise der Fall, wenn man sich „einvernehmlich“ trennt. Bestandteil einer solchen Vereinbarung ist dann meist auch eine vertraglich vereinbarte beidseitige Schweigepflicht.

Nach neuesten Informationen soll sich Spieß mittlerweile in der Schweiz aufhalten. Eine Bestätigung dafür gibt es aber bisher nicht. Spätestens zur Verhandlung in Dresden wird sich herausstellen, ob das stimmt, denn dann muss er als Angeklagter seine aktuelle Wohnadresse angeben. Wenn er denn überhaupt erscheint.