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An der Saale dunklem Strande: So erschütternd war der "Polizeiruf" aus Halle

Im erschütternden „Polizeiruf“ treibt der Mob einen Lehrer in den Tod und schockt im Finale.

Von Rainer Kasselt
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Henry Koitzsch (Peter Kurth, r.) und Michael Lehmann (Peter Schneider) ermitteln am Tatort, einer Kleingartenanlage
Henry Koitzsch (Peter Kurth, r.) und Michael Lehmann (Peter Schneider) ermitteln am Tatort, einer Kleingartenanlage © MDR

Der Mathelehrer Krein wird verdächtigt, die achtjährige Inka sexuell missbraucht und getötet zu haben. Er hatte seiner Schülerin Nachhilfestunden gegeben. Der Hallenser „Polizeiruf 110: Der Dicke liebt“ ist der zweite Fall der Kommissare Henry Koitzsch und Michael Lehmann.

Die Besetzung ist ein Glücksfall. Der Charakterdarsteller Peter Kurth spielt Koitzsch als Raubein mit Herz. Sein Polizist hat im Beruf viel Gewalt und Niedertracht kennengelernt. Ohne Alkohol hält er es nicht mehr aus, der Flachmann ist sein Begleiter. Sein jüngerer Partner Lehmann, den er väterlich „Michi“ nennt, wird von Peter Schneider gläubig, sensibel und übermüdet gespielt. Wann hat es das schon mal gegeben, dass ein Kommissar Gott um Hilfe bittet bei der Suche nach einem Mädchen?

Ermitteln seit 2021 gelegentlich in Halle: Kommissar Michael Lehmann (Peter Schneider. l.) und Kommissar Henry Koitzsch (Peter Kurth).
Ermitteln seit 2021 gelegentlich in Halle: Kommissar Michael Lehmann (Peter Schneider. l.) und Kommissar Henry Koitzsch (Peter Kurth). © WDR Kommunikation/Redaktion Bild

Dieser „Polizeiruf“ zeigt ein ungeschöntes, sozial genaues Bild der Wirklichkeit. Lehrer Krein wohnt in einer Plattenbausiedlung und lebt allein mit seinen Teddybären. Er verschlingt täglich Torte und hat sich einen Wanst aus Kummerspeck zugelegt. Seine Liebe schenkt er den Schülern, „meinen Kindern“. Wir Zuschauer wissen, dass der Hauptverdächtige im Krimi meist unschuldig ist. Doch für die militante Bürgerwehr steht Krein als Täter fest. Der Mob lauert ihm auf, beschimpft ihn ekelhaft, schlägt ihn halbtot, zieht mit Sprechchören vor das Haus, treibt ihn letztlich in den Tod. Und die Nachbarn schauen weg. Sascha Nathan spielt den gedemütigten Pädagogen beeindruckend. Er ringt um seine Würde, ist liebevoll zu den Schülern, fassungslos, weil man ihm den Mord zutraut. Stark auch die Nebenfiguren. Die Hinweise einer dementen Heimbewohnerin führen zu den Tätern. Der zynische Gymnasiast „aus gutem Hause“ betrachtet kalt die Qualen des Opfers. Die illusionslose Schuldirektorin liebt Kommissar Koitzsch und träumt von gemeinsamer Zukunft. Deren Darsteller Susanne Böwe und Peter Kurth sind schon lange ein Paar.

Zwei Meister ihres Fachs, denen wir auch den großartigen Kinofilm „In den Gängen“ verdanken, haben diesen bewegenden „Polizeiruf“ konzipiert. Der Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer schrieb die beklemmende Geschichte und würzte sie mit bissigen Dialogen. Regisseur Thomas Stuber setzte sie mit sicherem Gespür für Tempo, Drama und gelegentlichen Humor in Szene. Er nimmt sich viel Zeit und hält die Spannung bis zum schockierenden Finale. Ein Krimi, der an die Nieren geht.