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Darum war der Schwarzwald-"Tatort" so gut

Der Tatort „Die Blicke der Anderen“ erzählt eine bittere Familientragödie mit doppeltem Boden und ausgezeichneten Schauspielerinnen und Schauspielern.

Von Rainer Kasselt
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Die Kommissare Berg (Hans-Jochen Wagner, l.) und
Tobler (Eva Löbau, r.) sind verwirrt:
Die mordverdächtige Sandra Vogt (Lisa Hagemeister) weigert sich, ihr Alibi preiszugeben.
Die Kommissare Berg (Hans-Jochen Wagner, l.) und Tobler (Eva Löbau, r.) sind verwirrt: Die mordverdächtige Sandra Vogt (Lisa Hagemeister) weigert sich, ihr Alibi preiszugeben. © SWR

Endlich mal ein „Tatort" ohne Psychopathen, Serienmörder, Racheengel und sonstige kaputte Typen. Erzählt wird das Schicksal einer Frau, die unter Mordverdacht gerät. Sie soll ihren Mann und den fünfjährigen Sohn getötet haben. Sandra Vogt, seit 18 Jahren verheiratet, könnte leicht ihre Unschuld beweisen. Doch sie schweigt, will den Namen ihres Geliebten nicht preisgeben, mit dem sie sich in der Mordnacht verabredet hatte.

Der neunte Tatort „Die Blicke der Anderen“ mit Kommissarin Franziska Tobler (Eva Löbau) und ihrem Kollegen Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) gehört zu den besseren der oft gemächlichen Schwarzwaldkrimis. Das Duo tritt besonnen auf, tappt lange im Dunkeln, hält sich mit voreiligen Schlüssen zurück.

In ihrer Verzweiflung beginnt sie eine Affäre

„Wieso muss ich Ihnen eigentlich Ihr Alibi aus der Nase ziehen?“, fragt der Kommissar die Beschuldigte. So sehr sich die Ermittler mühen, Sandra Vogt bleibt verschlossen und wortkarg. Diese Figur ist mit der Theaterschauspielerin Lisa Hagemeister glänzend besetzt. Da stimmt jede Geste, jeder Blick. Sie kann nicht fassen, was geschehen ist. „Wer macht so was?“, stammelt sie.

Im Rückblick erfährt man, wie sehr Sandra unter dem jähzornigen, egozentrischen Ehemann und der niederträchtigen Schwiegermutter zu leiden hatte. Als Zugezogene ist die junge Frau in der Familie nie richtig angekommen. In ihrer Verzweiflung beginnt sie eine Affäre. „Der Mann, mit dem ich schlafe und mit dem ich sehr glücklich bin, hat eine Familie“, gesteht sie der Kommissarin. „Und ich werde den Teufel tun, ihn mit reinzuziehen.“

Die Familientragödie steigert sich zum blutigen Drama

Als rauskommt, dass sie fremdgeht und eine hohe Summe erbt, ist nicht nur für die Schwiegermutter die Sache klar: Sandra ist die Täterin. Auch der 17-jährige Sohn Lukas glaubt: „Mutter schnappt sich das Geld und macht sich mit dem Neuen eine gute Zeit.“ Die einfühlsame Regie von Franziska Schlotterer zeigt, wie Rufmord unschuldige Menschen ins Verderben stürzen kann. Nachbarn zeigen mit Fingern auf Sandra, wollen mit ihr nichts mehr zu tun haben.

Am Ende des spannenden Krimis überschlagen sich die Dinge. Die Familientragödie steigert sich zum blutigen Drama für zwei Familien mit einem überraschenden, aber überzogenen Finale. Der geheimnisvolle Liebhaber lässt Sandra im Stich und versucht mit mörderischer Energie vergeblich, seine Haut und die eigene Ehe zu retten. Sandra ist übel dran: „Wenn man einen Mann betrügt, und der andere lässt einen sitzen, fühlt sich das doppelt mies an.“