Von Oliver Reinhard und Christoph Sator
Diese Geschichte könnte auch von Charlie Rivers handeln oder von Pete Mount. Oder so ähnlich. So genau weiß das keiner mehr, weil die Liste, aus der sich der italienische Schauspieler Mario Girotti 1967 einen Künstlernamen fürs internationale Geschäft aussuchen musste, verloren gegangen ist. Er hatte zwar unter Klarnamen schon etliche Filme gedreht. Etwa „Aladins Abenteuer“ mit Vittorio De Sica oder „Der Leopard“ an der Seite von Burt Lancaster.
In „Winnetou II“ durfte er sogar die Häuptlingstochter Ribanna heiraten. Auch in den May-Verfilmungen „Old Surehand 1“ und „der Ölprinz“ stand er vor der Kamera. Doch die Produzenten von „Gott vergibt, wir beide nie“ fanden: ein Westernstar namens Girotti? Vergesst es!
Auf jener Liste standen etwa 20 Ideen. Girotti entschied sich nach einer Nacht Schlafen für Terence Hill. Das war, blickt man auf die folgende Karriere zurück, nicht die schlechteste Entscheidung. Wenn auch keine Freiwillige. Denn: Wie verkauft man Italiener international? Indem man ihnen amerikanisch klingende Namen gibt.
So war das jedenfalls in den Sechzigern, als Europas Stiefelbewohner Hollywood nacheiferten und ihre in Cinecitta vor den Toren Roms gedrehten Sandalenfilme und Spaghetti-Western weltweit Kasse machen sollten. Mario Girottis Wahl für „Terence Hill“ war jedenfalls der Anfang einer Legende, die noch heute, an seinem 85. Geburtstag, quicklebendig ist.
"Mein Name ist Somebody"
Gleiches gilt für seine Deutschkenntnisse. Als der Mann mit den ewig kornblumenblauen Augen 2018 bei den Filmnächten am Dresdner Elbufer stilecht in Jeans und Cowboystiefeln seine jüngste Regiearbeit „Mein Name ist Somebody“ vorstellte, zeigte er gern, wie flüssig seine Muttersprache geblieben ist.
Das ist das Deutsche für ihn im Wortsinn: Girottis Mutter Hildegard Thieme stammte aus Sachsen, lernte in Venedig ihren späteren Gatten Girolamo Girotti kennen, zog mit ihm, Klein-Mario und dessen Brüdern 1943 in die Lommatzscher Pflege und blieb bis 1947. Zurück im Süden, musste der Achtjährige rasch lernen, sich durchzusetzen, auch in Gesprächen: Er konnte lange Zeit viel besser Deutsch als Italienisch.
Seine Leinwandkarriere begann Girotti schon als Zwölfjähriger im Jugendfilm „Das große Ferienabenteuer“. Fortan drehte er regelmäßig, aber der große Knall war eben „Gott vergibt, wir beide nie“. Darin spielte er erstmals an der Seite von Carlo Pedersoli, der sich zuvor den Namen „Bud Spencer“ ausgesucht hatte. Aus der Zufallskombi wurde ein Dauerteam. Und eine Freundschaft, die bis zu Pedersolis Tod vor acht Jahren hielt.
Genau genommen begann der Ruhm des Paares als Laurel & Hardy der gepflegten Klopperei erst mit ihrem zweiten Film. „Gott vergibt, wir beide nie“ kam noch als eher klassischer, harter Western daher, bevor ein Jahr später mit „Vier für ein Ave Maria“ auch der Humor Einzug hielt.
1970 war mit „Die rechte und die linke Hand des Teufels“, dem vielleicht besten Western der beiden, die Mischung perfekt. Terence Hill gab den faustschnellen Lümmel, Bud Spencer den Fels, an dem sich die Bösen vollends die Zähne ausbissen. Ja, ihre Filme blieben voller Gewalt. Die wurde aber stets durch Komik gebrochen und übertönt.
Mit blitzschneller Geraden, Nackenkrallern, Dampfhämmern, Kopfnüssen, Ohrfeigen und Wampenrammern legten sie ihre Gegner flach, die sich aber schon nach Sekunden torkelnd wieder aufrichten durften. Und da man ihre beidhändigen Ohrfeigen mit einem völlig artfremden, aber lustig beknackten „bisch-bisch“-Geräusch synchronisierte, merkte es jedes Kind: Die machen doch nur Spaß.
"Vier Fäuste" zogen Millionen Besucher in die Kinos
Der war garantiert, obwohl die Story in allen Filmen eigentlich immer gleich schlicht blieb: Schönling und Koloss raufen sich zusammen, verprügeln Schurken und klopfen Sprüche wie „Geh mir aus der Sonne“, „Ich hau Dir ne Delle in die Gewürzgurke“ oder „Ohne Heu kann das beste Pferd nicht furzen“. Aus heutiger Sicht ist das nicht mehr ganz so lustig, aber damals waren Spencer & Hill Garanten für riesigen kommerziellen Erfolg.
Die „Vier Fäuste“ lockten zwölf Millionen Besucher in die bundesdeutschen Kinos. In der DDR lief der Film übrigens unter dem Titel: „Der Kleine und der müde Joe“. Dass Mario Girotti immer noch mehr draufhatte als den Rumsbums-Komödianten, daran durfte er 1973 erinnern. Ohne seinen Partner, dafür an der Seite von Weltstar Henry Fonda in „Mein Name ist Nobody“. Wie lange er die Zuschauer im Ungewissen hält, ob er nun ein Guter oder ein Böser ist, das ist große Schauspielklasse.
Später versuchte sich Terence Hill auch mehrfach selbst als Regisseur, zum Beispiel mit einer Neuauflage des Priester-gegen-Bürgermeister-Klassikers „Don Camillo und Peppone“. Den katholischen Geistlichen spielte er auch. Die Kritiken waren mäßig.
Immerhin entwickelte sich aus dem Wirken als Kinopfarrer eine in Italien überaus erfolgreiche Fernsehserie, in der er als Pater „Don Matteo“ Kriminalfälle löste. Erst nach 250 Folgen machte er damit vor drei Jahren Schluss. Auch die TV-Serie „Die Bergpolizei – Ganz nah am Himmel“, in der Terence Hill als Bergförster Pietro Verbrecher in den Dolomiten jagte, ist inzwischen Geschichte.
Nach vielen Jahren in seiner Wahlheimat USA lebt Girotti-Hill heute die meiste Zeit in Umbrien, wo die Familie seines Vaters herkommt. Im Städtchen Amelia betreibt er eine Eisdiele, die Gelateria Girotti. In Sachsen, der Heimat der Mutter, gibt es inzwischen davon eine Filiale. Die Eisdiele in Dresden heißt selbstverständlich aber anders: Terence Hill Eis Saloon. (mit dpa)
Transparenzhinweis: In einer ersten Fassung dieses Textes berichteten wir, Hill würde am Donnerstag (28. März) seinen 85. Geburtstag feiern. Richtig ist, dass er am 29. März geboren wurde.