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Lommatzsch huldigt seinem Ehrenbürger Terence Hill

Der Kultschauspieler, dessen Mutter aus Lommatzsch stammt, verbrachte einige Jahre seiner Kindheit in der Stadt. Am Karfreitag wird er 85 Jahre alt.

Von Jürgen Müller
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Mit einer Kutsche wurde Terence Hill 1995  zum Rathaus gefahren. Für die 500 Meter lange Strecke brauchte man eine halbe Stunde. Immer wieder musste angehalten werden, um Fotos schießen zu können und Autogrammwünsche zu erfüllen.
Mit einer Kutsche wurde Terence Hill 1995 zum Rathaus gefahren. Für die 500 Meter lange Strecke brauchte man eine halbe Stunde. Immer wieder musste angehalten werden, um Fotos schießen zu können und Autogrammwünsche zu erfüllen. © Gerhard Schlechte

An jenen Sommertag 1995 herrscht im sonst so beschaulichen Lommatzsch der Ausnahmezustand. Tausende stehen dicht gedrängt auf dem Platz vorm Rathaus. Ja, er ist wirklich gekommen, betritt nach 48 Jahren erstmals wieder Lommatzscher Boden. Der wohl berühmteste Lommatzscher Mario Girotti, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Terence Hill, ist zurück.

Es dauert eine halbe Stunde, bis der Gast mit einer Kutsche die 500 Meter bis zum Rathaus zurückgelegt hat. "Es werden mit Sofortbildkameras geschossene Fotos zum Signieren auf den Wagen gereicht, selbst Zwanzigmarkscheine und Brillenetuis sollen seinen Schriftzug bekommen. Dann vor dem Rathaus: Die Leute stehen dicht an dicht, selbst aus Kiel, Potsdam und Hof sind seine Fans angereist. Hartgesottene Fernsehteams bestätigten kopfschüttelnd, dass sie so etwas noch nie erlebt hätten", schrieb damals die SZ.

Auf Rathausbalkon: "Ich bin ein Lommatzscher"

In Lommatzsch habe er die schönsten Tage seiner Kindheit verbracht, er trage sie im Herzen durch die Welt, sagte er damals vom Balkon des Rathauses aus seinen begeisterten Fans. Und sagte schließlich in Abwandlung eines Kennedy-Satzes das Legendäre: "Ich bin ein Lommatzscher."

Tausende drängten sich beim Besuch von Terence Hill 1995 auf dem Platz vor dem Rathaus.
Tausende drängten sich beim Besuch von Terence Hill 1995 auf dem Platz vor dem Rathaus. © Gerhard Schlechte
Tausende drängten sich beim Besuch von Terence Hill 1995 vor dem Platz auf dem Rathaus.
Tausende drängten sich beim Besuch von Terence Hill 1995 vor dem Platz auf dem Rathaus. © Gerhard Schlechte
Nach 48 Jahren kehrte Terence Hill in die Stadt zurück, in der er zwei Jahre seiner Kindheit verbracht hatte und aus der seine Mutter stammte.
Nach 48 Jahren kehrte Terence Hill in die Stadt zurück, in der er zwei Jahre seiner Kindheit verbracht hatte und aus der seine Mutter stammte. © Gerhard Schlechte
Bürgermeisterin Anita Maas führt durch die Küche der Familie im Terence-Hill-Museum in Lommatzsch.
Bürgermeisterin Anita Maas führt durch die Küche der Familie im Terence-Hill-Museum in Lommatzsch. © Claudia Hübschmann
Eröffnung des Terence Hill Museums in Lommatzsch mit Ehrengast Thomas Danneberg, dem Synchronsprecher Hills, der das Eröffnungsband durchschnitt.
Eröffnung des Terence Hill Museums in Lommatzsch mit Ehrengast Thomas Danneberg, dem Synchronsprecher Hills, der das Eröffnungsband durchschnitt. © Claudia Hübschmann
Originalgetreu nachgestaltet wurde die gute Stube der Familie Girotti..
Originalgetreu nachgestaltet wurde die gute Stube der Familie Girotti.. © Claudia Hübschmann
In diesem Haus an der Döbelner Straße 40 in Lommatzsch wohnte die Familie Girotti Mitte der 1940er Jahre.
In diesem Haus an der Döbelner Straße 40 in Lommatzsch wohnte die Familie Girotti Mitte der 1940er Jahre. © Gerhard Schlechte
Ein Tafel an dem ehemaligen Wohnhaus in Lommatzsch  erinnert an Mario Girotti alias Terence Hill.
Ein Tafel an dem ehemaligen Wohnhaus in Lommatzsch erinnert an Mario Girotti alias Terence Hill. © Gerhard Schlechte
Das 1904 eröffnete  Lommatzscher Freibad wurde nach Terence Hill benannt. Seit 2011 ist es geschlossen.
Das 1904 eröffnete Lommatzscher Freibad wurde nach Terence Hill benannt. Seit 2011 ist es geschlossen. © Claudia Hübschmann
Für diese Rutsche im Freibad spendete Terence Hill einst 10.000 Dollar.
Für diese Rutsche im Freibad spendete Terence Hill einst 10.000 Dollar. © Claudia Hübschmann

Dabei ist er gar kein Lommatzscher, jedenfalls kein gebürtiger. Mario Girotti wurde in Venedig geboren. Von 1943 bis 1947 lebte er mit seiner Familie – seiner Mutter Hildegard, seinem Vater Girolamo und seinem älteren Bruder Oduardo – in Lommatzsch in der Döbelner Straße 40 bei seinen Großeltern. Seine Mutter stammte aus einer Lommatzscher Glasfabrikantenfamilie, der die Karl-Menzel-Glasfabriken gehörten. Sein Vater Girolamo war Italiener, hat Chemie studiert und ab 1943 für die Schering AG in Dresden gearbeitet. In Lommatzsch verbrachte Terence Hill in der Kriegs- und Nachkriegszeit einige Jahre seiner Kindheit. Er wurde zweisprachig aufgezogen, spricht deshalb auch gut Deutsch.

Doch an seine Zeit in der Stadt hat er auch sehr schlimme Erinnerungen. Am 13. Februar hörte er hier das Dröhnen der anglo-amerikanischen Bomber, die über Lommatzsch in Richtung Dresden flogen und dort ihre tödliche Fracht über der Barockstadt abwarfen. 2018 sprach er in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" darüber: "Wir konnten auf Dresden gucken. Der Himmel färbte sich rot, wir mussten alle in den Keller. Mein Vater arbeitete in Dresden, war nicht bei uns", erzählte er. Die gesamte Familie überlebte den Krieg. Bis zum Alter von 25 Jahren habe er Albträume von den Bombennächten gehabt, sagte er damals.

Albträume von Bombennächten

Zwei Jahre nach seinem ersten Besuch 1995 kam der italienische Kultschauspieler, der viele Filme mit Bud Spencer drehte, noch einmal in die Stadt seiner Kindheit zurück. Der Besuch war rein privat geplant. Dennoch sprach sich seine Anwesenheit in der Stadt schnell herum. Seitdem hoffen die Lommatzscher vergeblich auf einen Besuch des neben Konrad Schwäbe einzigen lebenden Ehrenbürgers ihrer Stadt.

Während eines Besuches besichtigte er neben dem Familiengrab auch das frühere Wohnhaus an der Döbelner Straße 40. Das ist inzwischen in die Jahre gekommen. "Der Eigentümer ist sich der Rolle des Hauses bewusst. Wir sind in Gesprächen wegen einer Sanierung", so die Bürgermeisterin.

Seit zwei Jahren ist er auch Deutscher

Vor zwei Jahren erhielt Terence Hill neben der amerikanischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Um diese zu erlangen, musste der Mann mit den blonden Haaren und den blauen Augen einen Sprachtest erfolgreich bestehen. Das war für ihn kein Problem, schließlich sprach er bis zu seinem sechsten Lebensjahr Deutsch, das er bis heute beherrscht, wenn auch mit deutlichem Akzent. "Meine wundervolle Mutter und damit auch meine Muttersprache waren immer prägend für mich", sagte er damals.

Sein Schauspiel-Debüt gab Mario Girotti mit zwölf Jahren in „Das große Ferienabenteuer“. Später wirkte er unter anderem in vier Karl-May-Verfilmungen mit. Später wurde er vor allem durch Italo-Western und den Filmen der Nobody-Serie bekannt. Zu diesem Zweck musste er sich 1967 einen Künstlernamen zulegen. Darauf hatten die Produzenten bestanden, weil sie meinten, ein amerikanischer Name würde sich besser verkaufen. Er entschied sich für Terence Hill.

Der Kultschauspieler ist seit 1967 mit Lori Zwicklbauer, einer Amerikanerin, die aus Bayern stammt, verheiratet. Seine zukünftige Frau lernte er am Set bei Dreharbeiten zu "Gott vergibt - Django nie!" kennen. Sie war dort als Dialogtrainerin tätig. 1969 kam Sohn Jesse zur Welt, der den Hills später einen Enkel Will bescherte. 1973 hatte das Paar auch den Waisenjungen Ross kurz nach dessen Geburt aufgenommen. Dieser kam 1990 bei einem Autounfall in Massachusetts ums Leben.

2018 spielte Terence Hill noch einmal in dem Film „Mein Name ist Somebody“ mit. Bis 2021 war er über 18 Jahre lang der Pfarrer Don Matteo in der gleichnamigen italienischen Fernsehserie.

85 Geschenke zum 85.

Am Karfreitag feiert Mario Girotti alias Terence Hill seinen 85. Geburtstag. Die Stadt Lommatzsch wird ihm ein Glückwunschschreiben schicken und am selben Tag erstmals das Terence-Hill-Museum in diesem Jahr öffnen. Dabei hat sie eine Überraschung. Nicht für den Jubilar, sondern für die Besucher: "Die ersten 85 Gäste werden von uns ein kleines Geschenk erhalten", sagt Bürgermeisterin Anita Maaß (FDP).

Das Museum wurde am 11. Mai 2019 eröffnet, zunächst im Budenhaus, später wurde die Exposition erweitert und zog ins Heimatmuseum um. Die Ausstellung ist ab Karfreitag bis zum 27. Oktober immer freitags, sonnabends und sonntags sowie an Feiertagen jeweils von 13 bis 17 Uhr geöffnet.

Im vergangenen Jahr zählte die Stadt rund 1.800 Besucher. "Das ist für ein Heimatmuseum in einer solch kleinen Stadt wie der unsrigen eine ordentliche Besucherzahl. Wichtig ist, dass wir durch die Eintrittsgelder unseren finanziellen Aufwand decken können. Und das ist der Fall", so die Bürgermeisterin.

Imagegewinn durch Spencer-Hill-Festival

Die Hoffnung, dass der Schauspieler noch einmal in die Stadt seiner Kindheit zurückkehrt, wie er es ihr 2018 bei den Filmfestspielen in Dresden versprach, hat sie allerdings aufgegeben. Nicht, weil es gesundheitliche Gründe bei ihm gäbe. "Sein Agent hat uns mitgeteilt, dass Terence Hill noch immer sehr beschäftigt ist", sagt sie.

Zudem sei Terence Hill ein eher zurückhaltender Mensch. Einen solchen Auflauf wie 1995 möchte er mit seinen 85 Jahren wohl nicht noch einmal erleben. "Falls er überhaupt noch einmal nach Lommatzsch kommt, dann rein privat ohne Öffentlichkeit", vermutet sie.

1995 hatte der Schauspieler 10.000 Dollar für die Riesenrutsche im gerade sanierten Lommatzscher Freibad, das daraufhin nach ihm benannt wurde, gespendet. Seit 2011 ist das Freibad geschlossen, die Rutsche rottet vor sich hin.

Daran wird sich laut Bürgermeisterin wohl auch nichts ändern. Dass das 1904 errichtete Freibad jemals wieder eröffnet wird, schließt sie aus. "Die Kosten übersteigen unsere finanziellen Möglichkeiten", sagt sie. Zudem seien im Umkreis von 15 bis 20 Kilometern mehrere Freibäder vorhanden.

Wie das Gelände nachgenutzt werden kann, steht in den Sternen. "Der aktuelle Stadtrat konnte sich zu keiner Entscheidung durchringen", so Anita Maaß.

Einen hohen Bekanntheitsgrad bescherte der Stadt Terence Hill auch durch das Spencer-Hill-Festival, das zweimal in Lommatzsch veranstaltet wurde. "Das war für uns ein großer Imagegewinn. Bei der zweiten Veranstaltung, zu der mehr als 8.000 Besucher aus ganz Deutschland anreisten, zeigte sich aber, dass unsere Stadt mit dieser Dimension überfordert ist", sagt die Bürgermeisterin. Im vergangenen Jahr fand das Festival in Italien statt, in diesem Jahr wird es in Ilmenau gefeiert, 2025 wieder in Italien.

Terence Hill war und ist für die Stadt ein Glücksfall. Und deshalb huldigt sie ihm am Freitag zu seinem 85. Geburtstag.